Walzwerk in Riesa: Wie in Sachsen grüner Stahl produziert wird

Quantensprung für Stahlbranche:Grünes Walzwerk in Riesa nimmt Betrieb auf

von Stefan Kelch
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Feralpi Stahl eröffnet im sächsischen Riesa ein neues, hochmodernes Walzwerk, das kein CO₂ mehr ausstößt. Manche sprechen von einem Wendepunkt in der deutschen Stahlindustrie.

Sachsen, Riesa: Blick auf die Elbe-Stahlwerke Feralpi.
Das Stahlwerk von Feralpi Stahl in Riesa setzt mit einem neuen Walzwerk auf klimafreundlichere Technologien.
Quelle: dpa

Die Riesaer Produktionshallen von Feralpi mausern sich zum Vorzeigeprojekt der Industrie 4.0. Mehr als 220 Millionen Euro hat der international breit aufgestellte Stahlhersteller mit Sitz in Italien investiert. Nun könnte die Eröffnung des neuen Walzwerkes ein Wendepunkt für die deutsche Stahlbranche werden.
Mit dem vollelektrischen Betrieb, gespeist aus 100 Prozent erneuerbarer Energie, will das Unternehmen ein starkes Zeichen für nachhaltige Industrieproduktion setzen. In einem Elektrolichtbogenofen wird recycelter Stahlschrott eingeschmolzen - ganz ohne Kohle oder Erdgas. CO₂-Emissionen fallen damit in der Produktion praktisch nicht mehr an.
Auch digital ist die Anlage auf dem neuesten Stand: Sensorik, Automatisierung und effiziente Ressourcennutzung machen das Werk zu einem Vorreiter künftiger Stahlherstellung. Außerdem kann das neue Walzwerk als erstes und einziges der Welt riesige Stabstahlrollen herstellen, von denen jede so schwer ist wie acht Autos. Aus dem auf riesige Rollen gewickelten Stabstahl werden vor allem Bewehrungen im Bau hergestellt. Die Baubranche könnte ihren noch immer relativ großen CO₂-Fußabdruck verkleinern.
Stahlfabrik
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Wie emissionsfreier Elektrostahl funktioniert

Im Gegensatz zur traditionellen Stahlherstellung wird im Elektroofen kein Eisenerz, sondern Stahlschrott verwendet. Der Strom stammt aus Wind- und Solaranlagen. Die Rohstoffe kommen weitgehend aus regionalen Recyclingkreisläufen aus Tschechien und Polen - das spart Emissionen und Transportressourcen.
Außerdem setzen die neuen Produktionsprozesse auf künstliche Intelligenz und Big Data. Das heißt, es werden riesige Datenmengen erfasst und bereitgestellt, um die Produktionsprozesse optimieren zu können. Die werden in Echtzeit überwacht und reguliert.
Die älteren Hochöfen Schwelgern von thyssenkrupp sind in Duisburg, Deutschland, in Betrieb, da der Stahlhersteller am Dienstag, 8. Oktober 2024, ehrgeizige Pläne hat, grünen Stahl mit Wasserstoff anstelle von mit Milliarden Euro von der Bundesregierung subventionierter Kohle zu produzieren.
Grüner Stahl soll Hoffnung für die deutsche Industrie bringen. Aufgrund von Kostensteigerung droht ThyssenKrupp jedoch die Produktion abzubrechen.10.10.2024 | 1:35 min

Feralpi: Hohe Energiepreise belasten Wettbewerbsfähigkeit

Allerdings, eine so tiefe Wirtschaftskrise in Deutschland hätte sich die Konzernleitung nicht vorstellen können, als sie vor drei Jahren die Beschlüsse zu diesem Walzwerk fasste. Giuseppe Pasini, Chef des italienischen Familienunternehmens, sagt:

Insbesondere sehen wir die dringende Notwendigkeit, das Problem der hohen Energiepreise anzugehen. Sie belasten die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie massiv.

Giuseppe Pasini, Feralpi-Chef

Pasinis Werk braucht so viel Strom wie sämtliche Haushalte der Landeshauptstadt Dresden. In jüngerer Vergangenheit musste er die Produktion in Riesa auch schon mal herunterfahren, weil die Strompreise so enorm gestiegen waren.
Professor Oliver Holtemöller vom Hallenser Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung meint mit Blick auf die Zollpolitik der USA: "Es ist nicht davon auszugehen, dass wir jetzt schnell eine Erholung bekommen; dazu ist die Unsicherheit zu groß."
industrieanlage der salzgitter ag
Die Hochöfen sollen in Salzgitter abgeschaltet werden: Denn das Ziel ist eine emissionsfreie Stahlproduktion, mit grünem Strom und Wasserstoff. Doch noch ist das Zukunftsmusik. 05.01.2025 | 1:41 min

Warum Sachsen?

Riesa war kein Zufall: Die Stadt bietet industrielle Erfahrung, Fachkräfte, eine gute Verkehrsanbindung und politische Unterstützung. Die sächsische Landesregierung fördert gezielt Investitionen in klimafreundliche Technologien - ein entscheidender Standortvorteil.
Giuseppe Pasini, Vorsitzender der Feralpi Gruppe, sagt, dies wäre nicht möglich gewesen, wenn sie in Riesa nicht sofort Menschen gefunden hätten, die stolz auf ihre Produktionstradition sind und darauf, in der Stahlindustrie zu arbeiten. Der sächsische Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) erklärt:

In Riesa betreibt Feralpi sein größtes Stahlwerk. Da ist es nur konsequent, auch hier die der Stahlproduktion folgenden Prozessschritte durchzuführen und zu transformieren.

Dirk Panter, Wirtschaftsminister Sachsen

grünen Stahl von Thyssenkrupp Steel
Das Vorzeigeprojekt für grünen Stahl von Thyssenkrupp Steel steht auf der Kippe. Es gebe "unerwartete Kostensteigerungen" mit Blick auf das Vorhaben.10.10.2024 | 1:30 min
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hofft, "…dass die neue Bundesregierung bei den auch für die Stahlindustrie entscheidenden Punkten zügig handeln wird." Das betreffe insbesondere wettbewerbsfähige Energiepreise und die Dauer von Genehmigungsverfahren.
Das Werk in Riesa könnte zeigen, dass Kreislaufwirtschaft und grüne Energie zusammenspielen können. Und für die hiesige Bevölkerung entstehen im Werk etwa 100 neue Arbeitsplätze.
Stefan Kelch berichtet aus dem ZDF-Studio in Sachsen.

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