Konferenz der Justizminister:Stau bei Asylklagen: Was Richter sagen
von Stefan Kelch
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In Sachsen tagt heute die Justizministerkonferenz der Länder. Ein Thema: der Stau bei der Bearbeitung von Klagen gegen abgelehnte Asylanträge. Verfahren sollen beschleunigt werden.
Asylklagen sollen künftig schneller bearbeitet werden. (Symbolbild)
Quelle: Silas Stein
Robert Bendner macht den Job schon sehr lange. Dennoch ist dem Dresdner Verwaltungsrichter jede Oberflächlichkeit zuwider - auch wenn der Stapel noch so hoch ist. Jede Geschichte von Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, sei es wert, noch einmal genau geprüft zu werden. Schnell schnell sei keine Option.
Er nimmt sich Zeit. Das heißt: Im Schnitt braucht er einen Tag für einen Fall. 180 Fälle stapeln sich bei ihm und in etwa ebenso viele auf den Schreibtischen der 30 anderen Verwaltungsrichter. Weit über 8.000 Asylklagen sind in Sachsen noch immer unbearbeitet.
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Zahl der Asylklagen steigt
Sind sie dann erledigt, gehen doch viele Asylbewerber und ihre Anwälte den nächsten Weg zum Oberverwaltungsgericht. Im ersten Quartal dieses Jahres hatte das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) 3.157 Klagen vorliegen. Damit verdoppelten sich die Eingangszahlen annähernd im Vergleich zu den drei ersten Monaten 2024. Peter Kober, Richter am OVG, sagt:
Die Asylverfahren stellen eine außerordentliche Belastung der Verwaltungsgerichte dar.
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Peter Kober, Richter Oberverwaltungsgericht Dresden
"Sie sind derart hoch, dass zurzeit die unerledigten Asylbestände erheblich anwachsen." Das sei bedenklich, denn ab Mitte Juni 2026 sehen neue Regelungen des europäischen Asylrechts eine Bearbeitung von Asylverfahren innerhalb kurzer Frist vor.
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Asylverfahren beschleunigen
Asylklageverfahren beschleunigen, das ist eins der zentralen Themen beim Treffen der Justizminister im sächsischen Bad Schandau. Künftige Bearbeitungszeit maximal sechs Monate: Dieses Ziel wurde im Oktober 2023 von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen. Für Asylsuchende aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von unter fünf Prozent sollen Asyl- und Gerichtsverfahren sogar innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden.
Es kommen derzeit zwar weniger Asylbewerber nach Deutschland, doch die Zahl derer, die gegen ihre Ablehnung klagen, wird nicht kleiner. 2024 gingen monatlich 734 Asylhauptsache und -eilverfahren ein; in den ersten vier Monaten dieses Jahres sind es 1.038 monatlich.
Grafik: Asylgerichtsverfahren
Justizministerin Constanze Geiert (CDU) will den enormen Reformstau auflösen:
Sachsen setzt sich daher auf der Justizministerkonferenz dafür ein, dass das Prozessrecht mit Blick auf die Asylklage reformiert wird und dabei auch der Beschleunigungsaspekt berücksichtigt wird.
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Prof. Constanze Geiert, CDU, Justizministerin Sachsen
Derzeit liegt die Verfahrensdauer in Sachsen bei 16 Monaten. Es waren schon mal 18 Monate.
Kriegsflüchtlinge und immer mehr Asylbewerber treffen auf überlastete Behörden. Die Willkommenskultur in Deutschland ist erschöpft - die Integration am Limit.09.02.2025 | 30:00 min
Genauigkeit ist wichtiger als Schnelligkeit
Verwaltungsrichter Bendner erinnert sich an einen Fall: Die Geschichte eines Asylbewerbers aus dem Sudan hörte sich so abenteuerlich an, dass sie erfunden sein musste. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte den Asylantrag abgelehnt, glaubte ihm die Fluchtgeschichte nicht. Dagegen klagte der Mann.
Richter Robert Bendner, der den Fall schließlich auf dem Tisch hatte, nahm sich die Zeit, recherchierte und fand heraus, das sie stimmte.
Bendner erzählt das, weil er Verständnis wecken will dafür, dass der Asylklagestau nicht durch Schnelligkeit in den Verfahren abgebaut werden kann. Und es droht ein dramatischer Personalbedarf in der Zukunft: In den nächsten fünf Jahren geht etwa die Hälfte der Richter in Pension.
Sachsens Justizministerin hatte im März 2025 zu einem Asylgipfel geladen. Um die Gerichte zu entlasten, wurden folgende Maßnahmen beschlossen:
Zusätzliche Richterstellen: 17 neue Stellen bis Ende 2025, acht davon arbeiten bereits
Einrichtung von Asylkammern: Neue Kammern in Chemnitz und Leipzig
Einsatz von Richterassistenten: Pilotprojekt zur Unterstützung der Richter
Nutzung von KI und Asyldatenbanken: Zur effizienteren Bearbeitung der Verfahren. Hier hilft Baden-Württemberg, das schon eine derartige KI nutzt.
Stefan Kelch ist Reporter im ZDF-Studio in Sachsen.
An Sachsens Gerichten steigt die Zahl der Klagen von abgelehnten Asylbewerbern massiv. Obwohl sie meist scheitern, ist die Prüfung sehr aufwendig, wie ein Richter erklärt.