Migrationswende oder Trend? Streit um sinkende Flüchtlingszahlen

Bilanz Migration 2025:Deutschlands "Migrationswende" und der Blick nach vorn

ZDF-Reportetin Jutta Sonnewald

von Jutta Sonnewald

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Immer weniger Menschen flüchten nach Deutschland. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt sieht die Gründe in seinen restriktiven Maßnahmen. Doch der Trend reicht weiter zurück.

Grenzkontrollen an der deutsch-oesterreichischen Grenze

Die Zahl unerlaubter Einreisen ist in den letzten zwei Jahren um mehr als die Hälfte gesunken. Für Innenminister Dobrindt sind vor allem die harten Grenzkontrollen dafür verantwortlich.

27.12.2025 | 2:34 min

Mitte Dezember sind sie nach Passau gekommen, um ihre grenzüberschreitende Polizeiarbeit zu feiern: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sind voll des Lobes für die Arbeit des Gemeinsamen Zentrums Passau.

Als im Herbst 2015 Hunderttausende Geflüchtete nach Deutschland kamen, wurde es als Provisorium errichtet. Heute dient es nicht nur dem Kampf gegen Schleuser. 49 Beamtinnen und Beamte aus Deutschland, Österreich und Bayern jagen hier Seite an Seite, rund um die Uhr, Diebe, Drogen- und Cyberkriminelle.

Bundesinnenminister lobt seine "Migrationswende"

Für die drei konservativen Minister war das Treffen ein Anlass, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen - für die aus ihrer Sicht reibungslose und effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit und erfolgreiche Eindämmung der irregulären Migration. So seien die Aufgriffe an der einst stark belasteten österreichisch-ungarischen Grenze von 500 vor zwei Jahren auf null gesunken, berichtet Karner, der Dobrindts "robusten Weg" in Sachen Migration und Asyl als vorbildlich lobt.

Der EU-Kommissar für Inneres und Migration, Magnus Brunner, spricht am 8. Dezember 2025 während eines Treffens der europäischen Innenminister in Brüssel, Belgien, mit der Presse.

Die EU-Innenminister haben sich auf schärfere Regeln bei Migration geeinigt. Asylsuchende ohne Aussicht auf Aufnahme sollen an den Außengrenzen zurückgewiesen werden.

08.12.2025 | 1:45 min

In Deutschland seien die Asylerstanträge im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent zurückgegangen, erklärt der Bundesinnenminister, der die Gründe dafür in der von ihm ausgerufenen "Migrationswende" sieht: "Es ist uns gelungen - gerade auch zu Beginn meiner Amtszeit -, mit der Verstärkung der Grenzkontrollen, den Zurückweisungen, aber auch mit dem Aussetzen des Familiennachzugs und der Abschaffung der Turboeinbürgerung die Pull-Faktoren für Flüchtlinge zu senken," so Dobrindt.

Expertin: Rückwärtiger Trend seit zwei Jahren

Victoria Rietig, Leiterin des Zentrums für Migration der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) weist hingegen darauf hin, dass die Asylzahlen nicht erst seit Antritt der neuen Bundesregierung zurückgehen. Ein rückwärtiger Trend sei schon seit etwa zwei Jahren zu beobachten, nicht nur in Deutschland, sondern europaweit, so Rietig.

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Die EU-Innenminister haben sich auf strengere Maßnahmen in der Migrationspolitik verständigt. Zentral sei die Frage der Drittstaatenabkommen, so Migrationsforscher Gerald Knaus.

09.12.2025 | 5:08 min

Laut der Migrationsforscherin tragen die deutschen Grenzkontrollen nur bedingt zum Rückgang bei. Ausschlaggebend sei dagegen der Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024. Seitdem würden deutlich weniger Menschen aus Syrien fliehen.

Migration ist nicht das Problem, sondern das Brennglas.

Victoria Rietig, Leiterin des Zentrums für Migration der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)

Auch andere Faktoren tragen zum aktuellen Trend bei

Seit die EU mit Transitländern wie Tunesien, Ägypten und Libyen Migrationsabkommen geschlossen hat, kommen laut der europäischen Grenzschutzagentur Frontex bis zu 60 Prozent weniger Menschen über die Mittelmeerroute nach Europa. Zudem führten verschärfte Grenzkontrollen einiger Balkanstaaten dazu, dass weniger Menschen über die sogenannte Balkan-Route nach Deutschland kommen.

ZDF-Korrespondent Röller schaut in die Kamera.

Der politische Wille Europas sei eindeutig einen härteren Migrationskurs zu fahren, so ZDF-Korrespondent Ulf Röller mit einer Einschätzung aus Brüssel.

08.12.2025 | 0:53 min

Rietig ist der Meinung, dass sich Deutschland in der Migrationspolitik zu stark auf Abschreckung fokussiere. Für eine funktionierende nachhaltige Migrationspolitik müssten dagegen gesamtgesellschaftliche Probleme gelöst werden. "Migration ist nicht das Problem, sondern das Brennglas, unter dem all unsere Probleme sichtbar werden, die wir seit Jahrzehnten haben," so Rietig.

Wenn wir bei der Migration Fortschritte machen wollen, müssen wir gesamtgesellschaftlich etwas ändern - wie Wohnungsnot, Ärztemangel, die faxverliebte Bürokratie oder den verknöcherten Föderalismus.

Victoria Rietig, Migrationsforscherin

Dobrindt setzt auf europäisches Asylsystem GEAS

Dobrindt setzt dagegen vor allem auf den europäischen Asylpakt, der 2026 in Kraft tritt. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem GEAS sieht unter anderem EU-weit einheitliche strengere Regeln für Asylverfahren vor, Abschiebungen sollen effizienter abgewickelt werden, es sollen zudem Rückkehrzentren in Drittstaaten außerhalb der EU entstehen. In sogenannten "return hubs", zum Beispiel in Afrika, sollen abgelehnte Asylbewerber aufgenommen werden, deren Heimatländer eine Wiederaufnahme verweigern.

Schaltgespräch nach Brüssel

Die EU-Innenminister haben sich auf strengere Regeln bei Abschiebungen geeinigt. Asylsuchende sollen nun direkt an den EU-Außengrenzen abgewiesen werden können, wenn ihr Asylantrag aussichtslos ist.

08.12.2025 | 1:35 min

Dobrindt will zügig mit anderen EU-Partnern Länder suchen, die beim Drittstaaten-Deal mitmachen. Die rechtliche Grundlage dafür haben die EU-Innenminister zumindest erst kürzlich in Brüssel geschaffen.

Über dieses Thema berichtet das heute journal am 27.12.25 ab 21:45 Uhr. Den Beitrag können Sie hier vorab online sehen.

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