Linken-Chef bei "Lanz": Van Aken stellt sich hinter SPD-"Manifest"

Linken-Chef bei "Lanz":Van Aken stellt sich hinter SPD-"Manifest"

von Felix Rappsilber
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Die Unterzeichner des SPD-"Manifests" würden 50 Jahre nach vorne denken, sagt Jan van Aken bei "Lanz". Der Chef der Linkspartei warnt davor, Pazifismus zu diffamieren.

Jan van Aken bei Markus Lanz
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 12. Juni.12.06.2025 | 75:29 min
"Dieses SPD-Manifest sagt: Irgendwann werden die Waffen schweigen. Dann müssen wir langsam anfangen, wieder Vertrauen aufzubauen." So verteidigte Linken-Chef Jan van Aken das SPD-"Manifest". Prominente Vertreter der SPD um Ralf Stegner und Rolf Mützenich hatten darin eine Abkehr von der Aufrüstungspolitik und direkte diplomatische Gespräche mit Russland gefordert. Zu einem brisanten Zeitpunkt: Ende Juni findet der SPD-Parteitag statt.
Van Aken, Chef der Linkspartei, bekräftigte am Donnerstagabend bei "Lanz" die Forderungen des SPD-"Manifests". Es sei "nie falsch, auch mal 50 Jahre nach vorne zu denken":

Wenn unsere Kinder hier in 50 Jahren zusammensitzen, dann ist Russland immer noch unser Nachbar.

Jan van Aken, Chef der Linkspartei

Jetzt stelle sich die Frage: "Wollen wir in 50 Jahren in einer ständigen Konfrontation mit Russland leben oder wollen wir es irgendwann schaffen, wieder in einer Kooperation damit zu leben?"
Boris Pistorius vor Kameras - er äußert sich zu Manifest
Das Manifest prominenter SPD-Politiker entfacht einen innerparteilichen Streit.11.06.2025 | 2:29 min

SPD-Manifest zu Russland stößt auf viel Kritik

Journalist Fritz Espenlaub kritisierte das SPD-Papier: "Ich frage mich, wie man nach mittlerweile drei Jahren [...] immer noch an diesem Punkt ist, akademische Diskussionen zu führen, während Leuten Bomben auf den Kopf fallen."
Die Diskussion sei "nicht akademisch", widersprach van Aken: "Für meine Kinder und für meine Enkelkinder ist es ganz real, wie sie dann leben." Weiter erklärte er: "Das SPD-Papier sagt nicht: 'Man muss heute mit Russland reden.' Es sagt sehr, sehr vorsichtig: 'Wir müssen jetzt darüber nachdenken, welche kleinen Schritte man machen kann, damit irgendwann wieder vertrauensbildende Maßnahmen möglich sind.'"
Ralf Stegner
Man müsse in der Lage sein "mit denen zu reden, deren Werte man überhaupt nicht teilt", sagt der SPD-Politiker Ralf Stegner. 12.06.2025 | 6:58 min

Van Aken: Wir dürfen die Zukunft nicht verschenken

Dass vertrauensbildende Maßnahmen "jetzt noch gar nicht denkbar" seien, wisse "ein Mützenich von der SPD genauso wie ich", betonte van Aken. Darüber nicht nachzudenken, würde bedeuten, "die Zukunft zu verschenken - und das dürfen wir auch nicht tun".
Espenlaub hielt dagegen: "Dass man natürlich, wenn die Waffen eines Tages schweigen, wieder aufeinander zugehen muss, bezweifelt niemand." Das sei "so klar, wie irgendwas überhaupt klar sein kann":

Ich brauche keine politische Diskussion, die mir solche Binsenweisheiten vorlegt.

Fritz Espenlaub, Journalist

Van Aken beharrte: "Es ist deswegen doch so wichtig, weil ich [...] die Frage der Stationierung der US-amerikanischen Mittelstreckenraketen im nächsten Jahr - ist das richtig oder falsch? - für heute, für zehn Jahre und für 50 Jahre beantworten kann."
SGS Goekdemir Ahmetovic
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion distanziert sich: Man wolle zwar auf Diplomatie setzen zum Beenden des Krieges, dazu brauche man allerdings auch militärische Stärke.12.06.2025 | 4:07 min

Van Aken warnt vor Wettrüsten - Experte hält dagegen

"Sie wollen keine amerikanischen Mittelstrecken- und Langstreckenraketen?", hakte Lanz nach. "Ich finde das falsch", so van Aken. Gleichwohl räumte er ein, dass man amerikanische Raketen "mit guten Gründen" auf deutschem Boden stationieren könne. Auch Russland lagere Mittelstreckenraketen in Kaliningrad - "relativ dicht an der Grenze zur Nato". Van Aken warnte deshalb:

Wenn wir die Rüstungsspirale weiterdrehen, dann dreht es auf russischer Seite auch weiter.

Jan van Aken, Chef der Linkspartei

Dieser Vergleich sei "schief", entgegnete Politikwissenschaftler Frank Sauer. Russlands Raketen seien "nuklearfähige Waffensysteme", die US-Regierung erwäge die Stationierung "konventioneller Waffensysteme". Sauer zweifelte das für 2026 geplante Vorhaben an:

Wenn Trump mit Europa fertig ist, würden wir uns wünschen, sowas würde hier stationiert.

Frank Sauer, Politikwissenschaftler

Van Aken: Pazifismus nicht diffamieren

Immer wieder wird der Linkspartei vorgeworfen, Sprachrohr des Kremls zu sein und nicht eindeutig an der Seite der Ukraine zu stehen. Van Aken wollte damit aufräumen: "Diesen Krieg hat Russland vom Zaun gebrochen. Der wäre sofort zu Ende, wenn Russland jetzt seine Truppen zurückzieht."

Die einzige Verantwortung für den Krieg in der Ukraine liegt bei Russland.

Jan van Aken, Chef der Linkspartei

Er wehre sich dagegen, den "Pazifismus, der bei ganz vielen Menschen in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ganz tief drinsitzt", zu diffamieren: "Ich will nicht 50 Jahre im Krieg leben. Ich will nicht 50 Jahre in der Konfrontation leben. Wir haben auch eine Verantwortung dafür, jetzt die Weichen richtig zu stellen."
Thorsten Bonacker ordnet die Forderungen des Manifests der SPD-Linken ein.
Das SPD-Papier sei im Geiste des Kalten Krieges geschrieben worden, sagt Friedens- und Konfliktforscher Thorsten Bonacker. Abrüstung sei in der jetzigen Lage nicht sinnvoll. 11.06.2025 | 15:45 min
Er sage und tue alles "aus der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine", sagte van Aken. "Die einzige Frage, die ich anders stelle, ist nicht: Wie kann ich die Ukraine militärisch unterstützen? Sondern ich frage: Wie könnte eine Bundesregierung die Ukraine am besten unterstützen?"
"Sie würden keine weitere Waffe mehr in die Ukraine liefern?", hinterfragte Lanz. Van Aken bejahte - in Regierungsverantwortung würde er "ganz anders die Kriegskasse des Kremls leeren".

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