SPD-Politiker fordern Gespräche mit Russland

Manifest zur Sicherheitspolitik:SPD-Politiker fordern Gespräche mit Russland

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Etliche SPD-Politiker fordern einen Wechsel in Außen- und Sicherheitspolitik. Dazu gehöre eine Annäherung an Russland. Parteispitze und Koalition fahren derzeit einen anderen Kurs.

Ralf Stegner (SPD)
Außenpolitiker Ralf Stegner von der SPD gehört zu den federführenden Autoren des Textes.
Quelle: Imago

Zahlreiche prominente Politiker der SPD fordern einem Bericht zufolge in einem Grundsatzpapier eine sofortige Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dazu gehört ausdrücklich auch eine Annäherung an Russland. In dem als "Manifest" bezeichneten Dokument, das ZDFheute vorliegt und über das der "stern" als erstes berichtete, drängen die Verfasser auf einen Stopp der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und auf Gespräche mit Moskau. Das Töten und Sterben in der Ukraine müsse möglichst schnell beendet werden.

Prominente SPD-Linke haben unterzeichnet

Die Unterzeichner, darunter der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der Außenpolitiker Ralf Stegner, Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans, sowie Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel, vertreten damit eine grundsätzlich vom Kurs der Bundesregierung wie auch der SPD-Führung abweichende Linie. In Deutschland und in den meisten europäischen Staaten hätten sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft "vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und Hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen", heißt es in dem "Manifest".
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"Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen Nato und Russland." Die SPD-Politiker fordern mehrere konkrete Maßnahmen, darunter eben Gespräche mit Russland. Nötig sei jetzt eine "schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer Zusammenarbeit mit Russland", heißt es. 

Fünf-Prozent-Ziel bei Verteidigungsausgaben? "Irrational"

Kritik üben die Verfasser zudem an der geplanten massiven Aufstockung der Verteidigungsausgaben. Das Nato-Ziel, die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsstaaten auf fünf Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu erhöhen, halten sie für "irrational". Für eine "auf Jahre festgelegte Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 3,5 oder fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts gibt es aus ihrer Sicht "keine sicherheitspolitische Begründung". 
Hinsichtlich der möglichen Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland erklären sie: "Die Stationierung von weitreichenden, hyperschnellen US-Raketen-Systemen in Deutschland würde unser Land zum Angriffsziel der ersten Stunde machen."

Stegner: SPD muss sich gegen Militarisierung wehren

Der Außenpolitiker Ralf Stegner, einer der federführenden Autoren des Textes, sagte dem "Stern", Ziel des Aufschlags sei auch, die parteiinterne Debatte neu zu justieren. Die SPD müsse "Teil der Friedensbewegung" bleiben. Im Moment werde "ungehemmt" über den nächsten Landkrieg und über die Wehrpflicht gesprochen. "Gegen diese Form der Militarisierung müssen wir uns als Sozialdemokraten wehren", sagte er. 
Ralf Stegner
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Auch Ex-SPD-Fraktionschef Mützenich verteidigte hat das sogenannte Manifest gegen Kritik. "Auch unsere Überlegungen können nicht alle Fragen beantworten, und dennoch suchen wir nach Auswegen in gefährlichen Zeiten", sagte Mützenich dem "Stern". "Im Kern brauchen wir eine Kombination aus Verteidigungsfähigkeit und Anreizen zur Konflikteindämmung und für Koexistenz."

Zustimmung vom Juso-Chef

Die Unterzeichner hatten für ihr Papier massive Kritik geerntet, auch aus der eigenen Fraktion. Lobend äußerte sich Juso-Chef Philipp Türmer. "Es ist gut, dass wir jetzt diese Debatten führen, denn sie entfalten neben der inhaltlichen Ebene auch eine psychologische Wirkung", sagte er dem "Stern" mit Blick auf die Diskussion über deutsche Verteidigungsausgaben."
Der Text kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Die SPD steht Ende Juni vor einem Bundesparteitag. Fast zeitgleich findet der Nato-Gipfel statt, auf dem sich Deutschland dazu verpflichten will, die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen.
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Quelle: AFP, Reuters

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