Die FDP und der Wählerschwund - die schwierige Lage der Liberalen

Analyse

Schwierige Lage der Liberalen:Die FDP und der Wählerschwund

Britta Buchholz
von Britta Buchholz
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Es soll ein Zukunftssignal sein: Die Jungen Liberalen haben einen neuen Vorsitzenden gewählt: Finn Flebbe. Doch die FDP ist in der Krise, viele fragen: Überleben die Freien Demokraten?

Fähnchen mit der Aufschrift: Freie Demokraten - FDP

Die FDP sucht ihr Profil - die Jungen Liberalen starten schon mal mit Vorstandswahlen.

Quelle: dpa | Daniel Karmann

Die Jungen Liberalen wurden vor 45 Jahren gegründet. Damals versammelten sich 97 junge Menschen in Bonn, um als offizielle Jugendorganisation der FDP zu fungieren. Aktuell haben die Julis etwa 16.000 Mitglieder. Und auf die muss die Partei bauen.

Drei Kandidaten hatten sich auf dem Bundeskongress der Julis in Esslingen um den Vorsitz beworben. Geworden ist es der 29-Jährige Finn Flebbe. Einer anderer Kandidat war Alexander Steffen - er reibt die Parteispitze auf mit seinen Online-Videos. Provokant fragt er:

Eine Partei, die niemandem auf die Füße tritt, macht sich überflüssig. Die FDP muss aufwachen - oder sie wird nicht mehr gebraucht.

Alexander Steffen, Kandidat für Vorsitz Junge Liberale

Aufwachen - Kritik auch an der neuen Führungsriege. Die neue Generalsekretärin Nicole Büttner hat bei den Julis gesprochen, ebenso der Parteivorsitzende Christian Dürr. Er kündigte schon zuvor eine inhaltliche und programmatische Neuaufstellung an, um die FDP als "Partei der radikalen Mitte" mit einem Fokus auf marktwirtschaftliche Reformen, Migration und Innovation neu zu positionieren.

76. Ordentlicher FDP-Bundesparteitag

Nach dem Wahldebakel bei der Bundestagswahl gab es einen neuen FDP-Vorsitzenden: Christian Dürr soll die Partei erneuern.

16.05.2025 | 3:01 min

Eher "radikal" oder eher "Mitte"?

Manche in der Partei loben das, andere stören sich an dem Wort radikal, wieder andere an der Mitte. Dürr sieht seine Motivation so: "Die Bundesregierung hat in Windeseile Unmengen an Schulden aufgenommen, bei dringend notwendigen Reformen bleibt sie jedoch bei Ankündigungen.

Die Menschen verlieren immer mehr den Glauben daran, dass die Parteien die riesigen Probleme im Land lösen können, und wenden sich den Rändern zu.

Christian Dürr, Parteivorsitzender FDP

Genau da wolle die FDP ein Angebot machen: "mit radikaler Reformpolitik aus der Mitte." So will der FDP-Chef die Partei aus dem Schlamassel rausnavigieren - aber die Anhänger vermissen einen klaren Kompass.

Die Partei steckt im Bund und in den Ländern in einer Phase tiefer Unsicherheit. Wie kann die FDP wichtig bleiben, ein echtes Profil zeigen, zwischen konservativen und rechtspopulistischen Kräften?

Thomas Kemmerich meint: gar nicht. Der ehemalige FDP-Chef Thüringens, der auch sehr kurz Ministerpräsident war, verließ nun die Partei. Er schloss sich dem "Team Freiheit" der einstigen AfD-Chefin Frauke Petry an. Aus der FDP-Spitze zeigen sich einige erleichtert, Kemmerich stand für diejenigen, die die Partei weiter rechts verorten wollten. Zugleich gehen mit ihm aber auch Anhänger und Wähler - und das gerade im Osten.

Christian Dürr

"Wir öffnen uns auch für Menschen, die direkt aus der Wirtschaft kommen", sagt Christian Dürr.

16.05.2025 | 4:49 min

Kubicki warnt: FDP "im freien Fall"

Wohin steuert die Partei? Kaum ein anderer Spitzenpolitiker beschreibt die Lage so deutlich wie Wolfgang Kubicki. Im Handelsblatt konstatierte der FDP-Vize: "Wir sind im freien Fall." Dass die Partei von vielen Bürgerinnen und Bürgern derzeit schlicht nicht vermisst werde, sei für ihn das alarmierendste Signal.

Hinter dem Stimmenverlust an Union und AfD sieht Kubicki weniger ein Versagen des Liberalismus, sondern vielmehr eine strukturelle Erosion der politischen Mitte. Kubicki kritisiert auch die Debatte um ein neues Grundsatzprogramm. Er beklagt, wie einige andere, zu viel Selbstbeschäftigung der Partei.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann  FDP | Vorsitzende EU-Verteidigungsausschuss

Die FDP-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EU-Verteidigungsausschusses Strack-Zimmermann, erläutert, Putin halte daran fest, die "Ukraine komplett zu vereinnahmen".

20.08.2025 | 5:19 min

Teuteberg drängt auf Programmdebatte

Linda Teuteberg hält das für wichtig. Deutlich stellt sich die FDP-Politikerin gegen eine bloße taktische Anpassung. "Die FDP muss bei innen-, bildungs- und gesellschaftspolitischen Themen ebenso wie zu Wirtschaft und Finanzen ein klares Profil zeigen", sagt sie. Teuteberg sieht bei den Themen, die häufig als "Kulturkampf" etikettiert werden, die "Verantwortung, für die Kultur der Freiheit einzutreten, statt entweder an der Seitenlinie stehenzubleiben oder linke Deutungen dessen, was Fortschritt ist, unkritisch zu übernehmen."

Damit pocht sie auf eine Schärfung und Erweiterung des liberalen Kernprofils. Ihr Appell zeigt, dass es in der Partei weniger um kurzfristige Wahlkampfkniffe, als um eine grundsätzliche programmatische Neuausrichtung geht.

Regionaler Druck: Niederlagen in NRW

Dass die Probleme nicht nur bundespolitisch zu spüren sind, zeigt Nordrhein-Westfalen. Gerade in den Großstädten sind die Wähler weg - selbst in Düsseldorf, der Heimatstadt der bekannten Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, schafft die Partei keine fünf Prozent.

Politik Backstage: Julis und Jusos

Ob die "Julis" von der FDP oder die "Jusos" von der SPD: Die Jugendorganisationen beider Parteien haben schon länger ein kritisches Verhältnis zu ihrer jeweiligen Parteispitze.

29.04.2024 | 4:08 min

Dürr setzt auf Vertrauen - doch wie?

Ex-Fraktionschef Christian Dürr betont die Notwendigkeit, politische Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen:

Wir müssen unsere Botschaften klar und unmissverständlich formulieren. Angesichts der Bilanz von Schwarz-Rot heißt das: eine laute Gegenstimme zur Reformmüdigkeit sein - und zugleich immer konkrete Lösungen anbieten.

Christian Dürr, FDP-Vorsitzender

Unklar, ob sich so verlorenes Vertrauen tatsächlich zurückgewinnen lässt. Seine Worte zeigen die Diskrepanz zwischen dem Anspruch, wieder gestaltende Kraft im Bundestag zu sein, und der Realität sinkender Umfragewerte.

Partei zwischen Selbstzweifel und Neuanfang

Die FDP steht damit vor einer klassischen Zwickmühle: Einerseits ist die Diagnose der Schwäche längst unstrittig. Andererseits widersprechen sich die Lösungsansätze - mehr pragmatische Regierungsarbeit, stärkere programmatische Schärfung oder gar eine strategische Neuaufstellung.

Während die Jungen Liberalen mit neuem Vorsitz Impulse setzen wollen, bleibt zentral die Frage: Gelingt es der Partei, gesellschaftlich wieder Relevanz zu entfalten? Die kommenden Wahlen werden zeigen, ob die Liberalen den "freien Fall" stoppen können. Ein Selbstlauf ist das nicht: Nur mit klarer inhaltlicher Neuverortung, glaubwürdiger Verbindung zur Basis und einer Sprache, die über ökonomische Themen hinausreicht, hat die FDP wohl eine Chance, ihrer Krise zu entkommen.

Britta Buchholz ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.

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