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Analyse
FDP-Parteitag:Die Liberalen im Überlebenskampf
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Die FDP flog hochkant aus dem Bundestag - und nun muss sie sich bei ihrem Parteitag neu erfinden. Unklar, ob das gelingen kann.
Denn sie wollen ein Comeback schaffen. Nun müssen sie dafür aber an diesem Freitag und Sonnabend beim Parteitag die richtigen Weichen stellen.
Das Personal der Liberalen
Die komplette Führungsriege wird regulär neu gewählt. Einige Posten scheinen schon klar: der Parteivorsitzende Christian Lindner wird gehen und der bisherige Fraktionschef Christian Dürr übernimmt. Bislang gibt es keine Gegenkandidaten. Das wurde hinter den Kulissen ausgekämpft.
Der 48-jährige Dürr will nun "ein Team aus neuen Köpfen und bekannten Gesichtern" anführen. Zwei neue Köpfe als neue Stellvertreter sind die 35-jährige Europapolitikerin Svenja Hahn und der 38-jährige Henning Höne aus Nordrhein-Westfalen. Beide wollen Stellvertreter werden. Dritter Vize könnte einer werden, der das Amt schon kennt: Wolfgang Kubicki. Der 73-Jährige ist überzeugt:
Die Partei braucht Kontur, damit sie sichtbar bleibt.
Wolfgang Kubicki, FDP-Politiker
Kubicki ist einer, der polarisiert. Einer, der das politische Geschäft wie kaum ein anderer kennt. Das Comeback sollen noch weitere herbeiführen: Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist als Europapolitikerin dabei. Kandidieren für das Präsidium wird auch Florian Toncar. Er war Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und kommt aus Baden-Württemberg.
Viele hoffen, dass sie im dortigen Stammland der Liberalen ein Ergebnis deutlich über fünf Prozent erreichen - sogar eine Regierungsbeteiligung sei denkbar. Gewählt wird am 8. März 2026 - in Umfragen überspringen sie die Fünf-Prozent-Hürde. Toncar selbst verlässt zum zweiten Mal den Bundestag: Schon zwischen 2005 und 2013 saß er im Parlament und kehrte 2017 zurück. Er glaubt:
Das kann wieder funktionieren, wenn wir uns stark aufstellen und schnell wieder handlungsfähig werden.
Florian Toncar, FDP-Politiker
Christian Lindner oder: die Fehler
Beim Parteitag wird es auch eine Aussprache geben - die könnte zur Aufarbeitung werden. Dabei liegt ein Spagat vor den Anhängern: Sie werden Christian Lindner natürlich gebührend feierlich verabschieden und zugleich müssen auch seine Fehler aufgearbeitet werden.
Er war 2013 der Heilsbringer der FDP, brachte die Partei fulminant 2017 wieder ins Parlament. Lindner sagte dann "besser nicht regieren als falsch regieren" und beendete die Jamaika-Gespräche. 2021 konnte er eben diesen Satz nicht nochmal sagen und steuerte in eine unglückliche Ampel-Koalition. Alte Ideale wie Schuldenbremse, Tempolimit, Verbrennungsmotor wurden zum Zankapfel. Die FDP trug aber die Corona-Maßnahmen letztendlich ebenso wie das Heizungsgesetz mit. Nun hinterlässt Lindner seine Partei im Überlebenskampf - es ist ein tiefer Fall eines hoch geflogenen Parteichefs.
Ein Neuanfang scheint nur mit ehrlicher Analyse möglich. Auch Christian Dürr war mitverantwortlich. Ohne eine kritische Bestandsaufnahme scheint es schwer denkbar, dass die FDP wieder zu alter Stärke zurückfindet.
Toncar: FDP muss sich treu bleiben
Manche in der Partei fordern, die Partei breiter aufzustellen - manche wünschen sich gar ein neues Grundsatzprogramm. Nur: Dann würde sich die Partei über Monate mit sich selbst beschäftigen. Hat die Partei diese Zeit? Eher nicht.
"Programmatisch müssen wir uns weiterentwickeln - aber die FDP muss sich vor allem selbst treu bleiben", meint Florian Toncar. "Wir brauchen keinen Kurswechsel, wir gehen in die richtige Richtung und haben ein freiheitliches Programm."
Es ist wichtig, positiv zu sein und nicht wie andere wie AfD oder BSW auf Angst zu setzen.
Florian Toncar, FDP-Politiker
Mehr polarisieren oder weniger - das ist umstritten in der Partei. Kubicki appelliert, für Sichtbarkeit brauche es klare Worte. Niedersachsens FDP-Chef Konstantin Kuhle warnt seine Partei gar vor einer Radikalisierung:
Ich will, dass die FDP eine Gestaltungspartei der Mitte ist und keine bürgerliche Protestpartei, die jedes Mal zusammenbricht, wenn sie Kontakt mit der Realität hat.
Konstantin Kuhle, Chef der FDP Niedersachsen
Die Chance der FDP: Inhalte
Eine Chance liegt im Inhalt: Die Ampel zerbrach auch an der Haushaltsdisziplin der FDP, so lesen sie es intern. Und genau diese habe Friedrich Merz mit dem neuen gigantischen Schuldenpaket über Bord geworfen. Ein Alleinstellungsmerkmal. Die FDP muss sich abgrenzen von Schwarz-Rot, da liegt eine Chance.
Einst wählten gerade die Jungen die FDP - 2024 machten sie aber bei anderen ihr Kreuz. Liberale wollen die sein, die die Jungen vor einem teuren Sozialstaat und horrenden Schulden zulasten junger Generationen bewahrt. Das Kalkül ist, enttäuschte Unions- und Jungwähler aufzufangen. Ob das tatsächlich klappt, ist unklar. Klar scheint nur: Einfach wird die Rückkehr in den Bundestag nicht.
Britta Buchholz ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.
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