Kabinett reformiert Bürgergeld:AWO kritisiert neue Grundsicherung: "Uns reicht's!"
Die Bundesregierung will die Bürgergeldreform beschließen - im Mittelpunkt stehen mehr Sanktionen bei Arbeitsverweigerung. Die AWO kritisiert die neuen Maßnahmen scharf.
Das Bundeskabinett will die Bürgergeldreform beschließen. Bei der Grundsicherung müssen Leistungsempfänger künftig mit härteren Sanktionen rechnen, wenn sie Termine versäumen.
17.12.2025 | 0:25 minVor dem Kabinettsbeschluss zur Bürgergeldreform wendet sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit deutlichen Worten gegen die Pläne der Bundesregierung. "Uns reicht's", sagte AWO-Präsident Michael Groß.
Es wurde lang genug darüber diskutiert, wie man weiter auf dem Rücken der Ärmsten sparen kann - diese Debatte ist für ein reiches Land wie Deutschland beschämend.
Michael Groß, AWO-Präsident
Die Debatte lenke von den eigentlichen Problemen ab: In den vergangenen fünf Jahren seien die Preise für Lebensmittel um über 36 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg sei für Menschen am Existenzminimum aber nicht ausgeglichen worden. "Während Familien also darum bangen, am Monatsende ein warmes Essen für ihre Kinder auf den Tisch zu bekommen, beschäftigt sich die Regierung damit, verpasste Termine beim Jobcenter mit der Streichung der Wohnkosten zu bestrafen. Das ist eine verheerende Debatte", kritisierte Groß.
Das Bundeskabinett will am Mittwoch grünes Licht für einen Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zur Bürgergeldreform geben.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) kündigt im ZDF eine zügige Reform des Bürgergeldes an. "Möglicherweise gelingt es in den nächsten Tagen, aber in jedem Fall vor Weihnachten."
07.12.2025 | 5:36 minNotwendig sei stattdessen ein konsequenter Einsatz dafür, Menschen in gute Arbeit zu bringen und sozialen Aufstieg zu ermöglichen, so Groß: "Dafür fordern wir den Ausgleich der inflationsbedingten Kostensteigerungen für Bürgergeld-Beziehende und mehr Anstrengungen bei der Arbeitsmarktintegration."
Die Spitzen von Union und SPD haben sich zum letzten Koalitionsausschuss des Jahres getroffen. Im Fokus stehen Reformen beim Bürgergeld, der Schuldenbremse und dem Heizungsgesetz.
10.12.2025 | 3:02 minKoalition will Regeln für Geldbezug verschärfen
Rund drei Jahre nach dem Start der Bürgergeldreform will die Schwarz-rote Koalition die Regeln verschärfen und den Namen wieder streichen. Die Sozialleistung soll laut den Plänen der Koalition künftig Grundsicherung heißen, die Geldleistung künftig "Grundsicherungsgeld".
Ziel der Reform ist es laut einer Übersicht des Arbeitsministeriums, die Leistungen "treffsicherer und gerechter" zu machen, Empfänger schneller in Arbeit zu bringen und deren Zahl zu verringern.
Zugleich setze die Reform auf "mehr Mitwirkung und spürbare Konsequenzen bei Nicht-Mitwirkung". Dies kann in bestimmten Fällen bis zu Streichung aller Zahlungen führen. Derzeit erhalten rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld.
Geflüchtete aus der Ukraine, die nach April 2025 angekommen sind, sollen künftig nur noch Asylleistungen erhalten. Ziel der Politik: mehr Erwerbstätige und bessere Integration.
19.11.2025 | 2:34 minDie Regierung hatte die genaue Formulierung für einen kompletten Wegfall der staatlichen Hilfe nochmals überarbeitet, nachdem das Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche (CDU) und das Innenressort von Alexander Dobrindt (CSU) den Entwurf vergangene Woche zunächst nicht für das Kabinett freigegeben hatten.
Mit der Reform des Bürgergelds (jetzt "Grundsicherung") greifen Sanktionen früher, wenn ein Arbeitsloser nicht mitwirkt bei der Arbeitsvermittlung. Ein Überblick:
Pflichtverletzung: Wer eine zumutbare Arbeit nicht antritt, eine Maßnahme zur Eingliederung abbricht oder sich nicht ausreichend um eine neue Stelle bemüht, dem wird die Leistung um 30 Prozent für drei Monate gekürzt. Bislang gilt eine schrittweise Kürzung von zehn, 20 und 30 Prozent. Die Minderung wird aufgehoben, sobald die Person wieder mitwirkt.
Terminversäumnisse : Ab dem zweiten Terminversäumnis wird eine Leistungsminderung von 30 Prozent für einen Monat verhängt. Wer dreimal in Folge einen Termin verpasst, gilt als nicht erreichbar. Zunächst wird dann der Regelbedarf nicht mehr ausgezahlt, aber die Mietkosten für einen Monat weiter direkt an den Vermieter. Meldet sich die Person in diesem Monat nicht, entfallen Leistungsanspruch und Mietzahlungen komplett. Damit wird die Akte geschlossen. Wer erneut Leistungen beanspruchen will, muss einen neuen Antrag stellen. Meldet sich die Person vor der Einstellung der Mietzahlungen, wird der Regelbedarf nachträglich ausgezahlt, allerdings vermindert.
Arbeitsverweigerung: Personen, die eine zumutbare Arbeit ablehnen, durch die sie ihre Hilfebedürftigkeit beenden könnten, kann der Regelbedarf für maximal zwei Monate entzogen werden. Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden in diesem Fall jedoch weiter direkt an den Vermieter gezahlt.
Persönliche Anhörung: Während eine schriftliche Anhörung vor jeder Sanktion verpflichtend ist, soll in bestimmten Fällen zusätzlich die "Gelegenheit" zu einer persönlichen Anhörung gegeben werden. Dies gilt für alle Betroffenen vor einem Leistungsentzug nach dem dritten Meldeversäumnis sowie generell bei psychischen Erkrankungen oder wenn sich jemand schriftlich nicht äußern kann. (Quelle: Reuters)
Bei Ablehnung von Angeboten Leistungskürzungen
Bereits heute sind Bürgergeld-Sanktionen möglich, wenn Arbeitslose Termine im Jobcenter, zumutbare Jobangebote oder Weiterbildungen nicht wahrnehmen. Heute gelten Stufen von 10, 20 oder 30 Prozent, zudem zeitlich gestaffelt. Mit der nun gefundenen Lösung sind die möglichen Schritte beim Kürzen der Leistungen neu gefasst, wie aus Regierungskreisen verlautete. Schreibt künftig ein Arbeitsloser zum Beispiel keine Bewerbungen oder lehnt er einen Förderkurs ab, soll das neue Grundsicherungsgeld sofort für drei Monate um spürbare 30 Prozent gemindert werden können - rund 150 Euro im Monat.
Bei versäumten Terminen soll gelten: Die 30-Prozent-Kürzung greift für einen Monat bei zwei Versäumnissen. Eine Komplettstreichung soll bei drei Versäumnissen folgen.
Mehr zu Bürgergeld und Grundsicherung
- FAQ
Bürgergeld-Streichung beschlossen:Was Geflüchtete aus der Ukraine künftig bekommen sollen
mit Video2:34 Versicherung von Bürgergeldempfängern:Krankenkassen klagen gegen den Bund
mit Video0:25Union und SPD vor Koalitionsausschuss:Worum Schwarz-Rot vor Weihnachten noch ringt
mit Video2:28