Staatsreform: Initiative legt Bericht mit Forderungen vor

Von Bürokratie bis Sicherheit:Initiative dringt auf umfassende Staatsreform

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Der Staat sei in Teilen "überperfektionistisch": Laut einer Expertengruppe ist Deutschland dringend reformbedüftig - von Bürokratie bis Sicherheit. Sie fordert eine Modernisierung.

Peer Steinbrück (l-r), Ministerpräsident und Bundesminister a.D., Julia Jäkel, Managerin und Aufsichtsrätin, Thomas de Maizière, Bundesminister a.D., und Andreas Voßkuhle, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, halten den Abschlussbericht der «Initiative für einen handlungsfähigen Staat» vor einer Pressekonferenz in der Bundespressekonferenz in den Händen.
Eine Kommission aus Experten hat 35 Vorschläge erarbeitet, wie der Staat handlungsfähiger werden kann. Diese Ideen zur Reform wurden nun vorgestellt.14.07.2025 | 1:32 min

Klare Zuständigkeiten, höhere Effizienz und mehr Bürgerbeteiligung: In 35 Forderungen hat eine Expertengruppe eine umfassende Modernisierung des Staates gefordert.
Am Montag übergaben die Mitglieder der "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" ihren Abschlussbericht an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Angemahnt werden Reformen etwa in den Bereichen Verwaltung, Sozialstaat, Migration, Wirtschaft und Sicherheit.
Shakuntala Banerjee im Gespräch mit Julia Jäkel // "Initiantive für einen Handlungsfähigen Staat"
Die Managerin Julia Jäkel hat mit der "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" auch die schwarz-roten Verhandler vor Schluss des Koalitionsvertrags beraten.18.03.2025 | 4:00 min
Initiatorinnen und Initiatoren des überparteilichen Projekts sind die Verlegerin Julia Jäkel, Ex-Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle sowie die früheren Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD).
Von diesen kam auch die ursprüngliche Idee für die Initiative, Steinmeier übernahm die Schirmherrschaft. Die Gründung war im November, im März hatte die Initiative einen Zwischenbericht vorgelegt.

Initiative: Bund sollte für Abschiebungen zuständig sein

In ihren Abschlussempfehlungen sprechen sich die Autorin und die Autoren nun unter anderem dafür aus, die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern klarer zu fassen. So solle etwa die Zuständigkeit für Abschiebungen von den Ländern auf den Bund übergehen.
Abschiebung um jeden Preis?
In der Migrationsdebatte versucht die Bundesregierung Fakten zu schaffen. Doch dass es bei den steigenden Abschiebungen auch die Richtigen trifft, wird von Kritikern bezweifelt.26.05.2025 | 2:44 min
Zudem werden eine Entbürokratisierung und mehr Effizienz in der öffentlichen Verwaltung gefordert. Nötig sei, dass der Staat "die alltäglichen Bedürfnisse zeitnah und effizient erfüllt und nicht in einem Wust von Vorschriften erstickt".

Wir sind ein perfektionistischer Staat geworden, aber es gibt (...) Kipppunkte, in denen es zu überperfektionistisch ist.

Andreas Voßkuhle, Mitinitiator

Initiative spricht sich für Dienstpflicht in Form von Pflichtjahr aus

Die Initiatoren wollen mehr Beteiligung der Bevölkerung etwa in Form von Bürgerräten. Sie sehen aber auch Verbesserungspotenzial in der Sozial- und Migrationspolitik. Für Einwanderer sollten Aufnahmeverfahren und Integration erleichtert werden.
In der Sozialpolitik wird die Bündelung aller Regelleistungen des Staates über eine zentrale Dienstleistungsplattform angeregt. Gefordert wird auch die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht in Form eines Pflichtjahrs.
Ein Mann mit weißem Bart und Brille steht vor einer Aktenwand. Er hält einen geöffneten Aktenordner in der Hand und blickt ernst in die Kamera.
Paragrafendschungel und Papierberge: Die Verwaltungslast in Deutschland nimmt immer weiter zu. Ehrenamtliche und kleine Unternehmen stoßen zunehmend an ihre Grenzen.20.10.2024 | 29:47 min
Gesetze sollen ebenfalls effizienter und "ausnahmefreundlich" werden. Konkret wird eine "Experimentierklausel" vorgeschlagen - Verwaltungen sollen damit bestimmte Regelungen erst ausprobieren können, um daraus Lehren zu ziehen.

Steinmeier zu Bürokratie: "Manchmal wäre weniger eben mehr"

Schirmherr Steinmeier betonte bei der Übergabe die Relevanz eines funktionierenden Staates für die Gesellschaft:

Je handlungsfähiger unser Staat ist, desto größer das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unser Gemeinwesen - und damit auch in unsere Demokratie.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Daher warb auch Steinmeier für Entbürokratisierung beim Staat. "Manchmal wäre weniger eben mehr - weniger Regeln, die einfacher und dafür klarer sind", sagte Steinmeier. Er lobte Bund und Länder, die eine "Modernisierungsagenda" noch bis Dezember vorlegen wollen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterhält sich während des Sommerinterviews im Schloss Bellevue mit Diana Zimmermann.
Gescheiterte Richterwahlen, Wehrpflicht-Debatte und Eskalation in Nahost: Sehen Sie hier das ZDF-Sommerinterview mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in voller Länge.13.07.2025 | 20:45 min

Reformideen sollen getestet werden

Die Expertenkommission will die Reformansätze in Modellkommunen und -regionen erproben lassen. Diese sollen von Bund und Ländern gemeinsam in den Stand versetzt werden, unter "einer weitgehenden Personalhoheit in eigener Zuständigkeit ihre Verwaltungsprozesse zu reformieren".
Dafür hätten sich bereits Köln und Stralsund beworben, zudem komme ein Standort in Sachsen und einer in Westdeutschland in Frage, schreiben die Autorin und die Autoren.
Explizit loben die Initiatoren den Koalitionsvertrag der schwarz-roten Koalition. Jäkel sagte bei der Veranstaltung in Schloss Bellevue:

Würde nur die Hälfte dieser Vorhaben umgesetzt, wäre dieses Land ein anderes Land.

Julia Jäkel, Mitinitiatorin

Deshalb müsse sich nun alles auf die Umsetzung der Vorhaben konzentrieren.
Quelle: AFP

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