Sozialstaat-Debatte bei "Illner":Spahn: "Wir brauchen wieder Wachstum"
Unionsfraktionschef Spahn sieht Wachstum als Voraussetzung für den Sozialstaat. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Reichinnek spricht von einer "Sündenbock"-Frage beim Bürgergeld.
Zu Gast bei Maybrit Illner sind Unionsfraktionschef Jens Spahn, Linkenfraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek, die Ökonomen Jens Südekum und Veronika Grimm sowie Markus Feldenkirchen vom "Spiegel"
11.09.2025 | 66:48 minErstmals seit zehn Jahren gibt es wieder mehr als drei Millionen Arbeitslose, dazu die Löcher in den Sozialkassen und die anhaltende Wirtschaftsflaute. Was tun? "Wir brauchen wieder Wachstum", sagt Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) in der ZDF-Sendung "maybrit illner". Für ihn steht fest: "Wachstum ist die Voraussetzung für funktionierende Sozialsysteme."
Diese müssten zudem demografiefest gemacht werden. Es gelte, über die Wirkung der Sondervermögen hinaus das Potenzialwachstum zu steigern - durch die Senkung von Arbeits-, Bürokratie-, Energiekosten und Steuern.
Unionsfraktionschef Spahn kritisiert bei Maybrit Illner die ungleiche Vermögensverteilung. Ähnlich hatte sich auch die Linken-Fraktionschefin Reichinnek geäußert.
12.09.2025 | 0:19 minReichinnek: Können uns Ungerechtigkeit nicht mehr leisten
Es stimme nicht, dass wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten können, betont dagegen Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Vielmehr könnten wir uns die Ungerechtigkeit in den Sicherungssystemen nicht mehr leisten.
Zu ihren Kritikpunkten zählen eine "Zwei-Klassen-Medizin", ein "nicht armutsfester" Mindestlohn und "die Vermögensverteilung in diesem Land". Zudem wirft Reichinnek die Frage auf, warum es Spielräume für Aufrüstung gebe, nicht aber im sozialen Bereich.
Krankenkassen verklagen den Bund, weil ihrer Ansicht nach die Finanzierung der Gesundheitskosten für Bürgergeld-Empfänger nicht reiche. Dazu ZDF-Wirtschaftsexperte Frank Bethmann.
11.09.2025 | 1:53 minÖkonom: "Wachstum ist das A und O"
"Wachstum ist das A und O in der jetzigen Situation", sagt der Ökonom Jens Südekum, Beauftragter für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Bundesfinanzministerium. Das Sondervermögen werde man, wenn es nächste Woche verabschiedet wird, schnell bei den Wachstumsraten bemerken.
"Wir müssen dafür sorgen, dass dieses viele Geld vernünftig und schnell ausgegeben wird", fordert Südekum. Dafür brauche es eine dramatische Entbürokratisierung und Beschleunigung.
Grimm: Einschnitte noch verkraftbar
"Noch sind wir nicht am Abgrund, aber die Sozialausgaben steigen seit langem stärker als das Bruttoinlandsprodukt", stellt die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm fest. Das sei lange über die "Friedensdividende" bezahlt worden - und gehe nicht mehr lange gut. Die notwendigen Lösungen für die Sicherungssysteme würden Einschnitte bedeuten, zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch verkraftbare.
Spahn kündigt im ZDF umfangreiche Reformen an, die zu mehr Gerechtigkeit führen sollen, etwa beim Bürgergeld. "Wer arbeiten kann, sollte arbeiten", so der Unionsfraktionschef im Bundestag.
07.09.2025 | 5:03 minKommt nun der angekündigte "Herbst der Reformen"? "Ich hoffe es", sagt der Journalist Markus Feldenkirchen ("Spiegel"). Die letzte große Reform habe es unter Gerhard Schröder gegeben. In den Kanzler-Jahren von Olaf Scholz und davor Angela Merkel sei viel zu wenig in unsere Zukunft investiert worden.
Feldenkirchens Reformvorschlag ist ein Paket aus Stimulierung des Wachstums, Zumutungen für Zukunftsfestigkeit der Sozialsysteme und eine andere steuerliche Behandlung von Vermögen. "Um der AfD den Geifer zu nehmen, müssen Sie auch den sozialen Frieden im Blick haben", sagt der Journalist.
Ökonom: Vermögen und Erbe zu wenig besteuert
Auch Südekum sieht "echten, harten Reformbedarf" in den Sozialsystemen, allein schon wegen der Demografie. "In Deutschland wird Leistung und Arbeit zu hoch besteuert", sagt der Ökonom. Vermögen und "leistungsloses Erben" werde hingegen zu wenig belastet.
"Unternehmensübergänge müssen ohne Substanzverlust möglich sein", grenzt Spahn ein. Grimm hingegen findet den Zeitpunkt für Diskussionen über Steuererhöhungen falsch, so lange sie nicht mit gründlichen Reformen hinterlegt sind.
Die Wirtschaft in Deutschland ist auf Talfahrt. Ein Herbst der Reformen soll nun für den nötigen Befreiungsschlag sorgen. Doch sind wir wirklich bereit, dafür gravierende Einschnitte hinzunehmen?
09.09.2025 | 5:32 minGrimm: "Im Bürgergeld wird man nicht viel Geld einsammeln"
Beim Bürgergeld müssten diejenigen, die arbeiten könnten, aber nicht wollen, mit anderen Anreizen bedacht werden. Für Reichinnek ist das eine "Sündenbock"-Frage. "Im Bürgergeld wird man nicht viel Geld einsammeln", sagt Grimm, "aber es ist wichtig, dass es sich wieder lohnt zu arbeiten." Dazu gehörten Fragen wie Kinder-Betreuung, Sanktionen und Anrechnung.
Nennenswert einsparen könne man, so Südekum, indem viele Empfänger auskömmlich arbeiten. Der Ökonom sieht auch hier einen großen Reformbedarf. Für Spahn ist es auch eine Frage des Gerechtigkeitsempfindens, wenn ein großer Anteil Zuwanderer, ohne je eingezahlt zu haben, Bürgergeld erhält.
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