Veggie-Regel der EU: Zwischen "Unsinn" und Verbraucherschutz

EU-Parlament für neue Produktnamen:Veggie-Regel der EU: Zwischen "Unsinn" und Verbraucherschutz

von Paul Schubert
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Das EU-Parlament will für Fleischersatzprodukte nicht länger mit Namen wie Burger, Schnitzel oder Wurst zulassen - trotz starker Kritik von Unternehmen und Politikern.

Veggie Würste in einer Verpackung

Die geplante Gesetzänderung soll den Verbraucherschutz stärken, Verwechslungen sollen so in Zukunft vermieden werden. Die 27-EU-Länder müssen dem Vorhaben noch zustimmen.

08.10.2025 | 0:29 min

Céline Imart blickt kurz auf, fast so, als könne sie es selbst kaum glauben: Mit 355 zu 247 Stimmen bei 30 Enthaltungen nimmt das Europaparlament am Mittwochmittag ihren Änderungsantrag 113 an. Der Ausgang war bis zuletzt unklar - in den Tagen zuvor hatte ihr Vorstoß, für pflanzliche Ersatzprodukte Begriffe wie "Burger" oder "Wurst" zu verbieten, für viel Wirbel gesorgt.

Unterstützung kam vor allem aus konservativen und rechten Fraktionen. In anderen Lagern überwiegen Frust, Kopfschütteln und der Vorwurf, hier werde Symbolpolitik auf Kosten der Verbraucher gemacht.

Befürworter wollen Transparenz und Schutz der Bauern

Die französische EVP-Abgeordnete Imart verteidigte ihren Antrag mit dem Hinweis auf Transparenz und Verbraucherschutz:

Der Verbraucher hat das Recht zu wissen, was er isst und zu wählen.

Céline Imart (EVP), EU-Abgeordnete

Imart ergänzt, es sei nicht angemessen, "eine Zubereitung aus Tofu einfach Steak zu nennen". Zudem gehe es darum, die Arbeit der Landwirte stärker wertzuschätzen - jener Menschen, die "das Fleisch, den Burger, den Schinken und die Wurst produzieren".

Veganer Grillabend

Das EU-Parlament diskutiert über die Bezeichnung von Veggie-Produkten: Verbraucherschützer bestreiten, dass Begriffe wie "Wurst" oder "Schnitzel" Verbraucher verwirren könnten.

07.10.2025 | 1:42 min

Auch der Verband der Fleischwirtschaft begrüßt den Vorstoß. Fleisch müsse "als wertvolles tierisches Lebensmittel mit seiner spezifischen Nährstoffzusammensetzung klar von anderen Artikeln unterschieden werden können".

Starker Widerspruch aus dem Parlament

Der Vorschlag aus dem konservativen Lager stößt bei vielen EU-Parlamentariern auf deutliche Ablehnung. Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, nennt ihn "eine wirklich schlechte Idee" und fügt hinzu:

Das ist so eine populistische Debatte, die irgendwas verbieten will, was eigentlich gar kein Problem ist.

Anna Cavazzini (Grüne), EU-Abgeordnete

Auch der Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen (FDP) findet klare Worte: "Wir können es den Menschen nicht verkaufen, wieso das Europäische Parlament für einen solchen Unsinn stimmt." Die Menschen seien nicht dumm und wüssten genau, ob sie eine Wurst aus Fleisch oder eine Veggie-Wurst kaufen. Der Vorschlag sei Symbolpolitik und schade der Glaubwürdigkeit des gesamten EU-Parlaments.

Firmen haben wirtschaftliche Bedenken

Burger King, Lidl und Aldi sind nur einige große Namen auf der Liste der Unternehmen, die das geplante Verbot kritisch sehen. Claudia Hauschild, Leiterin der Kommunikation beim Lebensmittelhersteller Rügenwalder Mühle, rechnet aus:

Bei uns wären 70 Prozent unseres Portfolios betroffen. Das sind knapp 60 Produkte - für die müssten wir neue Namen finden, neue Verpackungen.

Claudia Hauschild, Rügenwalder Mühle

Ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag wäre allein für die operative Umstellung fällig. Langfristig wären die Einbußen noch gravierender. Auch Maria Noichl, agrarpolitische Sprecherin der Europa-SPD, warnt vor den wirtschaftlichen Folgen: "Deutschland ist der größte Markt Europas für pflanzenbasierte Alternativprodukte. Eine ganze Branche wird dadurch verunsichert."

Sollte sich die konservative Position letztlich durchsetzen, schade das dem deutschen und europäischen Wirtschaftsstandort - gerade mit Blick auf alternative Proteine.

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Uneinigkeit unter deutschen EVP-Abgeordneten

Vor der Abstimmung wurde klar: das Thema spaltet - selbst die EVP-Fraktion, die den Vorschlag eingebracht hatte: EVP-Chef Manfred Weber stellte sich öffentlich gegen die Position seiner Fraktionskollegin Imart und sagte:

Die Verbraucher sind nicht dumm, wenn sie in den Supermarkt gehen und ihre Produkte kaufen.

Manfred Weber, EVP-Chef

Viele deutsche EVP-Abgeordnete aus CDU und CSU lehnten den Antrag daraufhin ab oder enthielten sich, während einzelne das Verbot weiter unterstützten. Dennoch fand der Antrag im Europaparlament mit klarer Mehrheit Zustimmung - auch, weil vor allem Abgeordnete aus Frankreich aus fast allen Fraktionen dafür stimmten.

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Mitgliedsländer müssen final entscheiden

Entscheidend für die anstehenden Verhandlungen mit den 27 EU-Staaten ist nun die Haltung der Mitgliedsländer, insbesondere Deutschlands als größtem Mitgliedstaat. Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatten im Vorfeld Zustimmung zum Verbot signalisiert.

Ob das Bezeichnungsverbot für pflanzliche Ersatzprodukte tatsächlich kommt, wird sich in den Verhandlungen zwischen Europaparlament und Mitgliedstaaten zeigen. Die dänische Ratspräsidentschaft strebt eine schnelle Einigung an.

Paul Schubert arbeitet im ZDF-Studio Brüssel.

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