Experte zu Dobrindt & Cannabis-Gesetz: Richtige "Scheiß-Aussage"

Interview

Cannabis-Gesetz und Drogenkonsum:Experte zu Dobrindt: "Das ist eine richtige Scheiß-Aussage"

|

Alexander Dobrindt nennt das Cannabis-Gesetz ein "richtiges Scheiß-Gesetz". Experte Bernd Werse widerspricht und erklärt, wie sich Drogenkonsum in Deutschland entwickelt.

Drogen- und Suchtexperte Prof. Bernd Werse

Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) nennt die Cannabis-Legalisierung ein "Scheiß-Gesetz". Dem widerspricht Sucht-Forscher Bernd Werse deutlich bei ZDFheute-live.

24.10.2025 | 19:07 min

Wie groß ist das Drogenproblem in Deutschland? Und welche Auswirkungen ergeben sich durch die Cannabis-Legalisierung? Unter anderem um diese Fragen ging es am Freitag in Wiesbaden.

Bei der Vorstellung der beiden Bundeslagebilder Rauschgiftkriminalität und Organisierte Kriminalität 2024 sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) unter anderem: "Politik hat die Aufgabe,  hier nicht fördernd zu wirken, sondern verhindernd zu wirken."

Das Cannabis-Gesetz tut aber das Gegenteil. Ein richtiges Scheiß-Gesetz, wenn Sie mich fragen.

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister

Und der Bundesdrogenbeauftragten Hendrik Streeck (CDU) erklärte: "Wir haben einen Anstieg in den letzten fünf Jahren von 45 Prozent im sichergestellten Kokain gesehen, sodass man eigentlich konstatieren muss, dass uns ein bisschen in den letzten Jahren auch die Drogenpolitik oder der Drogenmarkt entglitten ist."

Man sieht Hendrik Streeck, Alexander Dobrindt und Holger Münch stehen nebeneinander und halten den Bericht über die Bundeslage zur Organisierte Kriminalität in den Händen.

Das BKA warnt vor steigender Bedrohung durch organisierte Kriminalität. Innenminister Dobrindt sieht ein "massives Drogenproblem" – und kritisiert das Cannabis-Gesetz scharf.

24.10.2025 | 2:47 min

Wie sind diese Aussagen einzuordnen? Fragen an Suchtforscher Bernd Werse vom Institut für Suchtforschung in Frankfurt.

Sehen Sie oben das gesamte Interview und lesen Sie es hier in Auszügen:

Sind Drogenpolitik und Drogenmarkt entglitten, wie Streeck sagt?

"Das kann ich ganz klar verneinen", sagt Bernd Werse. In den vergangenen Jahren habe es keinen besonderen Schub gegeben.

Das Einzige, wo er da vielleicht einen Punkt hat, das betrifft Kokain.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

Es komme so viel Kokain in so guter Qualität wie noch nie ins Land und damit hänge auch ein gewisser Anstieg beim Konsum von Kokain zusammen. Der habe sich aber anscheinend auch schon wieder abgebremst. Mit Blick auf harte, illegale Drogen, "sehen wir eigentlich keine Entwicklung in den letzten Jahren", so Werse.

Gerade unter sehr jungen Leuten sehen wir doch eine sehr deutliche Abwärtstendenz, nicht nur beim Cannabis-Konsum, sondern auch bei anderen Substanzen.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

Daniel Brombach, Leiter der Europäischen Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität

In Europa boome besonders das Kokain. Das Vorgehen der USA werde den Drogenhandel nicht bremsen, so der Leiter der Europäischen Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität.

24.10.2025 | 12:22 min

Wie ist Dobrindts "Scheiß-Gesetz"-Aussage zu bewerten?

Werse widerspricht Dobrindts Aussage, dass das Cannabis-Gesetz der Vorgänger-Regierungein "richtiges Scheiß-Gesetz" sei, deutlich;

Wenn er schon solche Sprache verwendet, kann ich entgegnen, das ist eine richtige Scheiß-Aussage, weil sie einfach überhaupt keine Hand und Fuß hat.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

Bei der Evaluation des Cannabis-Gesetzes sei zuletzt festgestellt geworden, dass es bei Erwachsenen zwar einen leichten Anstieg gebe, diese Tendenz aber schon seit Jahren zu beobachten sei.

Was den Konsum angeht, da hat das Gesetz nicht viel dran geändert. Bei den Jugendlichen gibt es seit Jahren einen tendenziellen Rückgang, auch der hat sich fortgesetzt.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

Werse spricht mit Blick auf das Cannabis-Gesetz von vielen positiven Entwicklungen, "zum Beispiel, dass tatsächlich die Fälle, was die Kriminalität angeht, ziemlich deutlich zurückgegangen sind". Das bedeute, dass Menschen viel weniger belangt würden, dass sie einfach nur Cannabis konsumieren.

Pressekonferenz Bundeslagebilder Organisierte Kriminalität und Rauschgift im Bundeskriminalamt in Wiesbaden

Organisierte Kriminalität stellt in Deutschland weiter eine große Herausforderung dar. Zunehmend werden Jugendliche in Straftaten eingebunden, besonders im Drogenhandel.

24.10.2025 | 1:34 min

Werse widerspricht auch Dobrindts Aussage, dass das Gesetz dem illegalen Handel Tür und Tor geöffnet habe. "Das Gegenteil ist der Fall", so Werse. Erste Untersuchungen würden zeigen, dass insbesondere Leute, die regelmäßig Cannabis konsumieren, sich mittlerweile schon legal versorgten.

Das heißt, im Schwarzmarkt wurde schon ein sehr großer Teil entzogen. Allerdings eben nicht alles. Das ist auch richtig.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

Wie ist die steigende Zahl von Drogentoten zu bewerten?

"Die Zahl der Drogentoten als Maßstab dafür zu nehmen, ob mehr konsumiert wird, halte ich für sehr gewagt", lautet Werses Urteil.

In der Zahl der Drogentoten spiegeln sich natürlich vor allen Dingen diejenigen wider, die besonders problematische Konsummuster haben, die auch besonders problematische Vorgeschichten haben.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

US-Präsident Donald Trump vor einer Karte globalen des Drogenschmuggels

Nach dem harten Vorgehen der US-Regierung gegen Drogenrouten in der Karibik könnten sich Schmuggelrouten in Richtung Europa verlagern, warnt das BKA. Die Analyse bei ZDFheute live.

24.10.2025 | 34:28 min

Mit diesen Konsumierenden und der offenen Drogenszene in Städten gäbe es durchaus größere Probleme, so Werse, "auch mit öffentlich sichtbaren Drogenszenen und insbesondere mit Crack-Konsum".

Aber das kann man beim besten Willen jetzt nicht auf die Gesamtheit derer, die irgendwie illegale Drogen konsumieren, also dafür stellvertretend nehmen.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

Wie umgehen mit der offenen Drogenszene in Städten?

Eines der drängendsten Probleme seien die offenen Szenen, in der Menschen mehr verelenden, in denen Probleme wie Obdachlosigkeit größer geworden seien und die sich auch in mehr Städten manifestieren, sagt Werse. Diesen Menschen müssen man helfen, statt sie zu bestrafen.

Es bringt einfach relativ wenig, da immer noch weiter mit Repressionen zu arbeiten und die Leute immer wieder von der Polizei durchsuchen zu lassen und ins Gefängnis zu schicken.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

Symbolbild: Mann in weißem Arztkittel und Stethoskop hält OXN-Tablette in der Hand

Droht auch hierzulande eine Opioid-Krise – und welche Rolle spielt dabei die US-Familie Sackler? Denn was kaum jemand weiß: Ihre Geschäfte reichen bis nach Deutschland.

17.09.2024 | 44:25 min

Es brauche mehr Angebote, um diese Leute von der Straße zu bekommen - etwa indem man Wohnraum schafft oder durch noch intensivere soziale Arbeit. "Es gibt viele Menschen, die man mit einer vernünftigen und umfassenden Betreuung Stück für Stück da runterbringen kann."

Aber man muss eben auch akzeptieren, dass es Leute gibt, die wahrscheinlich nie von so einem intensiven Drogenkonsum runterkommen werden.

Prof. Bernd Werse, Institut für Suchtforschung Frankfurt

Gleichzeitig sagt Werse, dass das, was auf den Straßen stattfinde, wo man noch relativ viel bestrafe und Leute rausziehe, nur ein relativ kleiner Teil des ganzen Phänomens sei. "Das meiste findet im privaten Rahmen statt", erklärt Werse.

Das Interview führte Alicia Jung. Zusammengefasst hat es Katja Belousova.

Quelle: ZDF

Mehr zum Thema Drogen

  1. hendrick-streeck

    Nachrichten | ZDF-Mittagsmagazin:"Haben Kokain- und Crack-Problematik"

    4:38 min

  2. Ein Mann raucht einen Joint.

    Nach der Teillegalisierung:Zahl der Verfahren bei Cannabis-Verstößen sinkt

    mit Video

  3. Ein Mann rollt einen Joint aus einer Mischung aus Tabak und Cannabis. Das Verbot von Cannabis hat nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes Bestand.

    Zwischenbericht zu neuem Gesetz:Cannabis-Legalisierung verändert Konsum kaum

    von Dorthe Ferber
    mit Video

  4. Montage | rechts: Junger Mann mit Vape beim Dampfen und von Qualm eingehüllt, davor zwei chemische Formeln von synthetischen Opioiden ; links: Einkaufswagen-Symbol für Online-Shoppen

    Politik | frontal:Synthetische Opioide: Online leicht verfügbar

    von Maximilian Hübner und Julian Schmidt-Farrent
    17:20 min