Holocaust-Leugnung strafbar: Wo Meinungsfreiheit endet

"Auschwitz-Lüge" ist strafbar:Holocaust-Leugnung: Wo Meinungsfreiheit endet

von Daniel Heymann
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Vor 40 Jahren verschärfte der Deutsche Bundestag das Gesetz gegen die sogenannte Auschwitz-Lüge. Wer darf was wie sagen? Eine damals wie heute umstrittene Frage.

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Mit dem "Marsch der Lebenden", angeführt von den Staatspräsidenten Polens und Israels, wurde in Auschwitz an die Opfer des Holocaust erinnert.24.04.2025 | 2:03 min
Mit klaren Worten machte das Bundesverfassungsgericht 2018 zum wiederholten Male deutlich: Wer den Holocaust leugnet, kann sich auf die Meinungsfreiheit nicht berufen:

Die Verbreitung erwiesen unwahrer und bewusst falscher Tatsachenbehauptungen kann nicht zur Meinungsbildung beitragen und ist als solche nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Bundesverfassungsgericht Urteil 2018

Die inzwischen verstorbene Rechtsextremistin Ursula Haverbeck scheiterte daher folgerichtig mit ihrer Verfassungsbeschwerde.
So klar wie heute war die Rechtslage mit Blick auf die Leugnung von NS-Verbrechen aber nicht immer. Und die Frage, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen, ist aktueller denn je.

Holocaust-Leugnung: Jahrelanger Weg bis zur aktuellen Strafregelung

Am Ende stand am 25. April 1985 ein Kompromiss im Deutschen Bundestag: Wer die Verbrechen der Nationalsozialisten leugnet, sollte automatisch von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden - einen Antrag, etwa eines Holocaust-Überlebenden, brauchte es dafür fortan nicht mehr.
Shoes at the Auschwitz museum are pictured on the sidelines of commemorations on the 80th anniversary of the liberation of the German Nazi concentration and extermination camp Auschwitz-Birkenau by the Red Army, in Oswiecim, Poland on January 27, 2025. (Photo by Victoria JONES / POOL / AFP)
Die Gedenkstätte Auschwitz macht das unfassbare Ausmaß des nationalsozialistischen Massenmords sichtbar.27.01.2025 | 4:07 min
Darauf konnte sich die damalige Koalition aus Union und FDP unter Bundeskanzler Helmut Kohl verständigen. Auf mehr nicht, insbesondere blieb die Holocaust-Leugnung danach "nur" eine Beleidigung und fiel nicht unter den Tatbestand der Volksverhetzung nach Paragraf 130 Strafgesetzbuch (StGB).
Das kritisierte seinerzeit vor allem die SPD und bekam dafür unter anderem Unterstützung von der FDP-Abgeordneten Hildegard Hamm-Brücher, die gegen ihre eigene Partei stimmte. Neun Jahre später, im Mai 1994, setzte der Bundestag die Forderung um und schuf für die Holocaust-Leugnung eine eigene Regelung in Paragraf 130 Absatz 3 StGB, wo sie bis heute steht.

Lügen sind nicht geschützt, Meinungen schon

Wer den Massenmord an den Juden durch die Nazis abstreitet, leugnet historische Fakten - und äußert damit schon gar keine Meinung. Die Auschwitz-Lüge kann deshalb durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt sein. Das Bundesverfassungsgericht stellte dazu in der oben zitierten Entscheidung fest:

Diese Äußerungen sind, wie sich aus ungezählten Augenzeugenberichten und Dokumenten, den Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft und den Feststellungen der Gerichte in zahlreichen Strafverfahren ergibt, erwiesen unwahr.

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 673/18 (zur sogenannten Auschwitz-Lüge)

Falsche Tatsachen schützt die Meinungsfreiheit also nicht. Meinungen im Sinne von Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) sind Wertungen, Beurteilungen, Stellungnahmen - Aussagen, die sich nicht als wahr oder falsch beweisen lassen.
Auschwitz Birkenau  Gleise, die in den Tod führten.
Es gibt immer weniger Holocaust-Überlebende, die über die Gräueltaten der Nationalsozialisten berichten können.29.01.2020 | 43:31 min
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, greift der Schutz von Artikel 5 GG. Aber: Auch Artikel 5 GG hat Grenzen. Dazu gehören unter anderem Strafvorschriften, die die persönliche Ehre des Einzelnen schützen sollen.

Kein allgemeines "Lügenverbot" in Deutschland

Lügen fallen zwar nicht unter die Meinungsfreiheit - strafbar sind sie aber dennoch nur in Ausnahmefällen. Die Holocaust-Leugnung ist einer davon, begründet durch die deutsche Geschichte und die daraus erwachsene Verantwortung auch für nachfolgende Generationen.
Ansonsten sind falsche beziehungsweise nicht erwiesene Tatsachenäußerungen als Verleumdung oder üble Nachrede nur dann strafbar, wenn sie eine Einzelperson negativ betreffen. Wer hingegen etwa verbreitet, dass "Eliten" in unterirdischen Bunkern angeblich Kinder foltern, muss keine Strafe befürchten.



Schwarz-rote Koalition will Desinformation einhegen

Desinformation ist damit in weiten Teilen legal - was vor allem im Internet ausgenutzt wird. So sollen nach Angaben des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) zum Beispiel russische Desinformationskampagnen vor der Bundestagswahl millionenfach auf Social Media ausgespielt worden sein.
Typical: Cyberangriff, Hacker, Darknet
Gezielte Angriffe auf Krankenhäuser, Verkehrsunternehmen und die öffentliche Meinung nehmen zu. Das Ziel: die Destabilisierung des demokratischen Systems. 12.12.2024 | 1:52 min
Union und SPD wollen das nicht länger hinnehmen und widmen dem Thema Desinformation einen eigenen Abschnitt im Koalitionsvertrag. Darin heißt es unter anderem:

Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.

Auszug aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD

Die künftige Koalition fordert: "Systematisch eingesetzte manipulative Verbreitungstechniken wie der massenhafte und koordinierte Einsatz von Bots und Fake Accounts müssen verboten werden." Wie das Vorgehen konkret aussehen soll, bleibt vage. Online-Plattformen will die neue Bundesregierung stärker in die Pflicht nehmen und eine verschärfte Haftung für Inhalte "prüfen".
Daniel Heymann arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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