Holocaust-Leugnung strafbar: Wo Meinungsfreiheit endet
"Auschwitz-Lüge" ist strafbar:Holocaust-Leugnung: Wo Meinungsfreiheit endet
von Daniel Heymann
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Vor 40 Jahren verschärfte der Deutsche Bundestag das Gesetz gegen die sogenannte Auschwitz-Lüge. Wer darf was wie sagen? Eine damals wie heute umstrittene Frage.
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Mit klaren Worten machte das Bundesverfassungsgericht 2018 zum wiederholten Male deutlich: Wer den Holocaust leugnet, kann sich auf die Meinungsfreiheit nicht berufen:
Die Verbreitung erwiesen unwahrer und bewusst falscher Tatsachenbehauptungen kann nicht zur Meinungsbildung beitragen und ist als solche nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
So klar wie heute war die Rechtslage mit Blick auf die Leugnung von NS-Verbrechen aber nicht immer. Und die Frage, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen, ist aktueller denn je.
Holocaust-Leugnung: Jahrelanger Weg bis zur aktuellen Strafregelung
Am Ende stand am 25. April 1985 ein Kompromiss im Deutschen Bundestag: Wer die Verbrechen der Nationalsozialisten leugnet, sollte automatisch von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden - einen Antrag, etwa eines Holocaust-Überlebenden, brauchte es dafür fortan nicht mehr.
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Darauf konnte sich die damalige Koalition aus Union und FDP unter Bundeskanzler Helmut Kohl verständigen. Auf mehr nicht, insbesondere blieb die Holocaust-Leugnung danach "nur" eine Beleidigung und fiel nicht unter den Tatbestand der Volksverhetzung nach Paragraf 130 Strafgesetzbuch (StGB).
Das kritisierte seinerzeit vor allem die SPD und bekam dafür unter anderem Unterstützung von der FDP-Abgeordneten Hildegard Hamm-Brücher, die gegen ihre eigene Partei stimmte. Neun Jahre später, im Mai 1994, setzte der Bundestag die Forderung um und schuf für die Holocaust-Leugnung eine eigene Regelung in Paragraf 130 Absatz 3 StGB, wo sie bis heute steht.
Lügen sind nicht geschützt, Meinungen schon
Wer den Massenmord an den Juden durch die Nazis abstreitet, leugnet historische Fakten - und äußert damit schon gar keine Meinung. Die Auschwitz-Lüge kann deshalb durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt sein. Das Bundesverfassungsgericht stellte dazu in der oben zitierten Entscheidung fest:
Diese Äußerungen sind, wie sich aus ungezählten Augenzeugenberichten und Dokumenten, den Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft und den Feststellungen der Gerichte in zahlreichen Strafverfahren ergibt, erwiesen unwahr.
Falsche Tatsachen schützt die Meinungsfreiheit also nicht. Meinungen im Sinne von Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) sind Wertungen, Beurteilungen, Stellungnahmen - Aussagen, die sich nicht als wahr oder falsch beweisen lassen.
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Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, greift der Schutz von Artikel 5 GG. Aber: Auch Artikel 5 GG hat Grenzen. Dazu gehören unter anderem Strafvorschriften, die die persönliche Ehre des Einzelnen schützen sollen.
Kein allgemeines "Lügenverbot" in Deutschland
Lügen fallen zwar nicht unter die Meinungsfreiheit - strafbar sind sie aber dennoch nur in Ausnahmefällen. Die Holocaust-Leugnung ist einer davon, begründet durch die deutsche Geschichte und die daraus erwachsene Verantwortung auch für nachfolgende Generationen.
Ansonsten sind falsche beziehungsweise nicht erwiesene Tatsachenäußerungen als Verleumdung oder üble Nachrede nur dann strafbar, wenn sie eine Einzelperson negativ betreffen. Wer hingegen etwa verbreitet, dass "Eliten" in unterirdischen Bunkern angeblich Kinder foltern, muss keine Strafe befürchten.
Beleidigung und Verleumdung, aber auch Kinderpornografie oder verfassungsfeindliche Kennzeichen: Es gibt eine Reihe an Äußerungen oder Inhalten, die das deutsche Recht unter Strafe stellt.
Die Paragrafen 185 bis 200 im StGB enthalten beispielsweise verschiedene Tatbestände, um die persönliche Ehre des Einzelnen zu schützen. Die Beleidigung ist das wohl bekannteste Delikt. Außerdem sind auch üble Nachrede und Verleumdung strafbar. Hier verbreitet der Täter ohne Nachweis (üble Nachrede) oder sogar wider besseres Wissen (Verleumdung) falsche Tatsachen über eine andere Person.
Daneben verbietet das StGB unter anderem bestimmte Inhalte, etwa um die öffentliche Ordnung in Deutschland zu schützen. Darum geht es beispielsweise bei der Volksverhetzung gemäß Paragraf 130 StGB. Zum Schutz des demokratischen Rechtsstaats soll außerdem Paragraf 86a StGB beitragen, der die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verbietet. Beispiele für solche Kennzeichen sind der Hitlergruß oder die Flagge der Hamas.
In der Regel werden Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung mit Geldstrafen geahndet. Freiheitsstrafen sind aber ebenso möglich, vor allem in schweren Fällen: zum Beispiel wenn die Taten öffentlich begangen werden oder sich gegen Personen des politischen Lebens richten.
Schwarz-rote Koalition will Desinformation einhegen
Desinformation ist damit in weiten Teilen legal - was vor allem im Internet ausgenutzt wird. So sollen nach Angaben des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) zum Beispiel russische Desinformationskampagnen vor der Bundestagswahl millionenfach auf Social Media ausgespielt worden sein.
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Union und SPD wollen das nicht länger hinnehmen und widmen dem Thema Desinformation einen eigenen Abschnitt im Koalitionsvertrag. Darin heißt es unter anderem:
Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.
„
Auszug aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD
Die künftige Koalition fordert: "Systematisch eingesetzte manipulative Verbreitungstechniken wie der massenhafte und koordinierte Einsatz von Bots und Fake Accounts müssen verboten werden." Wie das Vorgehen konkret aussehen soll, bleibt vage. Online-Plattformen will die neue Bundesregierung stärker in die Pflicht nehmen und eine verschärfte Haftung für Inhalte "prüfen".
Daniel Heymann arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.