Verfassungsschutzbericht: Extremismus in NRW wird immer digitaler

Verfassungsschutzbericht NRW:Extremismus in NRW wird immer digitaler

Redakteur Peter Böhmer, ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.
von Peter Böhmer
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Rund 11.000 politisch motivierte Straftaten gab es 2024 in NRW, satte 42 Prozent mehr - der jüngste Verfassungsschutzbericht gibt Anlass zur Sorge. Was ist da los in NRW?

Ein Mann am Laptop versucht auf illegale Weise Passwörter und Seiten im Internet zu hacken.
Der Verfassungsschutzbericht von NRW zeigt: Die meisten Straftaten finden mittlerweile online statt. (Symbolbild)
Quelle: picture alliance/APA/picturedesk.com

Das Spektrum ist klar: Rechts- und Linksextremismus, Islamismus, Antisemitismus - auf allen Feldern stiegen 2024 laut Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen die Kennziffern. Doch eine Antwort nach dem "Warum" ist nicht so einfach. Wird genauer hingeschaut? Sind die Ermittlungen effizienter?
Das Innenministerium sieht in der drastischen Zunahme den ...

... Ausdruck einer zunehmenden gesellschaftlichen Radikalisierung. Globale Krisen, eine angespannte Migrationsdebatte sowie eine wachsende gesellschaftliche Polarisierung wirken dabei verstärkend.

Innenministerium NRW

Die meisten Straftaten wurden dabei im Internet begangen: Hasskriminalität, Propagandadelikte, Volksverhetzung - besonders der Anteil und die Zunahme bei rechtsextremistischen Straftaten sind dabei alarmierend.
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Behörden warnen zunehmend vor der islamistischen Szene. Eine hohe Gefahr geht dabei von Einzeltätern aus.08.08.2024 | 1:32 min

Rechtsextremismus im neuen Look

Über die Hälfte der Taten und eine Zunahme von fast 60 Prozent: "Rechtsextremisten halten sich durch Hass und Hetze am Leben", sagt Innenminister Reul: "Wir sehen, dass sich der Rechtsextremismus modernisiert hat, heute weniger Glatze und Springerstiefel, dafür Sneaker und Active Clubs." Also Kampfsportclubs, um attraktiv für Jugendliche zu sein.
Und der islamistische Terror? Drei Tote, mehrere Verletzte - der Anschlag von Solingen im August hat in NRW tiefe Spuren hinterlassen. Die Hintergründe sind derzeit Teil eines Untersuchungsausschusses:
Klar ist: Radikalisierung findet mehr und mehr im Internet statt. Tiktok, Instagram, Facebook und Co. ziehen auch die Drahtzieher des politischen Extremismus an.
Anschläge
Mannheim, Solingen, Magdeburg, München - seit etwas mehr als einem halben Jahr scheinen sich die Terroranschläge in Deutschland zu mehren. Was steckt dahinter?17.02.2025 | 2:48 min

Kampagne, Workshops und Spiele gegen Extremismus

Das Land versucht, dem Phänomen auf mehreren Ebenen zu begegnen. Einerseits durch eigene Auftritte im Netz. Es gibt etwa die Video-Kampagne "Jihadi fool" auf YouTube, Instagram oder Facebook, die dem Thema Salafismus mit 75 Videos satirisch begegnet. Die Abrufzahlen sind allerdings überschaubar.
Es gibt ein Computerspiel, "Leons Identität", das über Rechtsextremismus aufklärt. Der Verfassungsschutz geht auf die Spielemesse Gamescom, um junge Menschen direkt anzusprechen. Es gibt Workshops in Schulen oder das Projekt "Wegweiser" gegen islamistischen Extremismus - rund um die Uhr sind die Behörden über einen Chat erreichbar, seit Herbst 2023 wurden 540 Gespräche geführt, sagt das Innenministerium.
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Die Radikalisierung des Täters, so Matthias Quent, sei seit einigen Jahren bekannt gewesen, mit einem extremen antimuslimischen Bild. 21.12.2024 | 3:52 min

Arabischsprachige Nutzer setzen auf Social Media und TV

Die Frage ist: Erreichen die Behörden so die wirklichen Gefährder? Eine Befragung der Landesanstalt für Medien aus dem Februar 2025 ergab, dass sich 40 Prozent der arabischsprachigen Nutzerinnen und Nutzer im Internet ausschließlich (11 Prozent) oder überwiegend (29 Prozent) über arabischsprachige Medien informieren.
Als wichtigste Informationsquelle wurde dabei (78 Prozent) Social Media genannt. 55 Prozent gaben zudem TV-Sender als wichtige Quelle an, mit Abstand vorn liegt Al Jazeera (81 Prozent).
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"Die Bekämpfung von islamistischem Terrorismus muss wieder eine Priorität werden", rät Extremismus-Experte Prof. Peter Neumann. Dabei sollten auch Dynamiken von sozialen Medien berücksichtigt werden.13.02.2025 | 1:38 min

KIVI prüft Inhalte: 23 Prozent Erfolgsquote

Um strafbare Inhalte im Netz auszuspüren, hat die Landesanstalt für Medien die Software KIVI programmiert, die mittlerweile von 14 Bundesländern verwendet wird. Der Name setzt sich zusammen aus Künstlicher Intelligenz und lateinisch vigilare - überwachen.
Ab Mai soll die Software auch englisch- und arabischsprachige Inhalte im Netz untersuchen. Der Fokus liegt dabei etwa auf verfassungswidriger Propaganda, auf Volksverhetzung, Leugnung des Holocausts oder gewaltverherrlichenden Inhalten.
Die Erfolgsquote durch KIVI gibt das Landesamt mit 23 Prozent an. Die Einschätzung, ob ein Inhalt wirklich rechtswidrig ist, wird letztlich in jedem Einzelfall von Juristen geprüft. Dann werden solche Fälle ans Bundeskriminalamt weitergeleitet. Die Landesanstalt dagegen kontaktiert die Plattformen und dringt auf eine Löschung der Inhalte.
Auch das aber ist manchmal schwierig: Facebook und Instagram können von KIVI nicht untersucht werden, da der Meta-Konzern den Einsatz technisch unterbindet und Anfragen ablehnt. Da muss die Landesanstalt dann eigenes Personal einsetzen, das entweder selbst im Netz sucht oder etwa auf Beschwerden von außen reagiert.
Peter Böhmer arbeitet im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.

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Quelle: dpa

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