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Analyse
Misstrauensvotum im EU-Parlament:Wie isoliert ist Ursula von der Leyen?
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Mit 175 Stimmen hat das Misstrauensvotum gegen Ursula von der Leyen die nötige Mehrheit weit verfehlt. Aber es zeigt, wie tief die Gräben im EU-Parlament verlaufen.
Zwar hat Ursula von der Leyen das Misstrauensvotum überstanden - 175 Abgeordnete haben dem Antrag zugestimmt. Trotzdem ist es sehr bitter für die Kommissionspräsidentin, wenn man es mal genau auffächert: Der Misstrauensantrag, der im EU-Parlament gegen die Kommissionspräsidentin gestellt wurde, kommt von der Rechtsaußen-Fraktion EKR, den "Europäischen Konservativen und Reformern".
Die EKR ist genau die Fraktion, zu der auch die italienische Partei "Fratelli d’Italia" gehört - und mit ihr der EU-Kommissar Raffaele Fitto. Fitto ist nicht nur Vizepräsident der Kommission, sondern wacht auch über einen milliardenschweren Fördertopf der EU-Gelder.
Erfolg des Misstrauensvotums gegen von der Leyen hätte EU-Kommission gestürzt
Es war ein Kraftakt, ihn damals zum Vizepräsidenten der Kommission zu ernennen, bei den Parteien links der Mitte sorgte das für großen Frust. Hätte der Antrag seiner EKR jetzt Erfolg gehabt, hätte nicht nur von der Leyen, sondern auch ihre gesamte Kommission zurücktreten müssen.
Für einen Erfolg des Misstrauensvotums gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wäre die Mehrheit von zwei Dritteln aller abgegebenen Stimmen notwendig gewesen - und gleichzeitig die Mehrheit der Mitglieder des EU-Parlaments. Also mindestens 360 Stimmen, wenn alle Abgeordneten anwesend sind und ihre Stimmen abgeben, sogar 480 Stimmen.
In diesem Fall haben vor allem Abgeordnete Rechtsaußen für den Misstrauensantrag gestimmt, zum Beispiel die Fraktion ESN, zu der auch die deutsche AfD gehört, die "Patrioten für Europa" von Victor Orban und eben die EKR. Wobei die EKR nicht geschlossen für den Antrag stimmte.
Quelle: ZDF
In diesem Fall haben vor allem Abgeordnete Rechtsaußen für den Misstrauensantrag gestimmt, zum Beispiel die Fraktion ESN, zu der auch die deutsche AfD gehört, die "Patrioten für Europa" von Victor Orban und eben die EKR. Wobei die EKR nicht geschlossen für den Antrag stimmte.
Quelle: ZDF
Dabei fing die Legislaturperiode des EU-Parlaments - und die zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin - anders an: Im Sommer 2024 wurde sie mit einer deutlichen Mehrheit wiedergewählt.
Die Abstimmung lief geheim, doch gestützt wurde von der Leyen von einer Koalition der Mitte-Links-Parteien: Neben ihrer EVP haben auch Abgeordnete der Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen für von der Leyen gestimmt. Doch kaum war von der Leyen gewählt, bröckelte diese Koalition. Sehr zum Missfallen derer, die ihre zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin unterstützt haben.
Grüne: EVP macht Rechtsextreme stark
"Die EVP hat sich für taktische Siege zu oft mit denen gemein gemacht, die die EU-Kommission und Europa untergraben wollen", so die Vorsitzende der Liberalen Fraktion, Valérie Hayer, "und zwar mit genau denen, die sie jetzt zu Fall bringen wollen". Die Vorsitzende der Grünen, Terry Reintke, wird noch deutlicher:
Die EVP selbst macht die Rechtsextremen stark.
Terry Reintke, Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament
Es ist vor allem der Wechsel in der politischen Kultur, der für diesen Frust bei vielen Abgeordneten links der Mitte sorgt: Die Zusammenarbeit mit der EVP sei nicht mehr von ehrlichen Verhandlungen geprägt, beklagen viele Abgeordnete. Als größte Fraktion kann die EVP eine Mehrheit für ihre Projekte links - oder eben rechts - der Mitte suchen. Frei nach dem Motto: Wenn ihr nicht wollt, fragen wir die anderen.
"Echte Gefahr der Isolierung im Parlament"
Doch die Frustration der Mitte-Links-Parteien, so hofft es zumindest der SPD-Europaabgeordnete René Repasi, ist bis zu von der Leyen durchgedrungen:
Frau von der Leyen konnte erkennen, dass die echte Gefahr der Isolierung im Parlament steht. Dass, wenn es hart auf hart kommt, sie keine Mehrheit im Parlament bekommt.
René Repasi, SPD-Europaabgeordneter
Parallel zum Misstrauensvotum laufen die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen in der EU. Es wird darum gehen, welche Projekte unterstützt werden, zum Beispiel wie viel Geld in die Förderung der Landwirtschaft fließt, den Grenzschutz oder Verteidigung.
Von der Leyen macht Zugeständnisse
Obwohl das Misstrauensvotum keine Chance auf eine Mehrheit hatte, hat Frau von der Leyen hier Zugeständnisse an die Liberalen und Sozialdemokraten gemacht - dabei wäre das nicht nötig gewesen, so Repasi. Dass der Antrag chancenlos ist, stand früh fest, denn keine Partei links der Mitte wollte mit den Rechten gemeinsam arbeiten:
Selbst wenn die Frustration mit Frau von der Leyen groß ist: Derartigen Antragstellern reicht man nicht die Hand, um Erfolge zu erzielen.
René Repasi, SPD-Europaabgeordneter
Ein Satz, der vielleicht auch ein kleiner Seitenhieb gegen die EVP ist, die ja durchaus auf die EKR zurückgreift, um eine Mehrheit für ihre Anliegen zu sichern. Was das jetzt für die Zukunft bedeutet, bleibt abzuwarten, so Repasi: "Wird dieser Kurswechsel von grundsätzlicher Art sein oder Kosmetik für diese Woche, das muss die Zeit zeigen." Er sei aber von Natur aus Optimist.
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