Rüstungsindustrie in der Türkei: Vakuum-Bombe "Gazap" vorgestellt
Rüstungsindustrie in der Türkei:Neue Bombe namens "Zorn" vorgestellt
von Alexander Poel
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Die Türkei stellt die Vakuum-Bombe "Gazap" vor. Sie hat wesentlich mehr Zerstörungskraft als vorherige Modelle - und unterstreicht das Selbstverständnis als regionale Mittelmacht.
Die türkische Rüstungsindustrie stellt verschiedenste Verteidigungsgüter her und exportiert sie zunehmend. Nun stellte das türkische Verteidigungsministerium die Luftbombe Gazap vor.05.08.2025 | 2:19 min
Es ist eine Leistungsschau der türkischen Rüstungsindustrie: Die International Defense Industry Fair (IDEF) präsentiert Besuchern aus dem In- und Ausland die modernsten Panzer, Haubitzen, Drohnen und Schnellfeuergewehre in Istanbul - alles "Made in Turkey" versteht sich. Die IDEF ist mittlerweile eine globale Marke unter den Rüstungsmessen.
Der ganz besondere Stolz der Verteidigungsindustrie sieht auf den ersten Blick nicht wie eine Hightech-Entwicklung aus. Doch ihre Zerstörungskraft ist um ein Vielfaches höher. Mit der Vakuum-Bombe Gazap, zu Deutsch "Zorn", hat die Türkei ihre "Mutter aller Bomben" entwickelt. Ihr Sprengkopf wiegt fast eine Tonne, ihre Sprengkraft liegt bei über acht Tonnen. Damit ist Gazap dreimal stärker als die früheren, sogenannten "Freifallbomben".
Name: MK 84 "Gazap"
Gewicht: rund 900 kg
Sprengkraft: 8,5 Tonnen
Es werden zwei Sprengladungen gezündet. Bei der ersten Zündung verteilt sich ein Brennstoff in der Luft. Dieser wird durch die zweite Sprengladung entzündet und entwickelt die eigentliche Kraft der Bombe. Die "Gazap" ist außerdem mit Tausenden kleinen Metallteilchen bestückt, die bei der Detonation alles im Umkreis von zwei Kilometern zerstören.
Selbstfahrende Kampfwagen, Roboterpanzer und Drohnen werden überall entwickelt und auch schon eingesetzt. Mensch oder Maschine: Wer bestimmt künftige Schlachtfelder?17.05.2025 | 1:30 min
Türkei produziert 80 Prozent ihrer eigenen Waffen
Nilüfer Kuzulu leitet das Forschungs- und Entwicklungszentrum der türkischen Streitkräfte. Detailliert erläutert sie die Wirkung der tödlichen Waffe.
Was "Gazap" von anderen Bomben unterscheidet, ist ihre Struktur.
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Nilüfer Kuzulu, Leiterin Forschungs- und Entwicklungszentrum der türkischen Streitkräfte
"Bei der Explosion werden 10.000 Kleinstteilchen freigesetzt, die sich über eine Fläche von zwei Kilometern verteilen. Alles, was sich in diesem Radius befindet, wird zerstört", erklärt Kuzulu weiter.
80 Prozent seiner Waffen bezieht das Mitglied der Nato aus eigener Produktion. Wenn man so will, ist dies eine Lektion, die das Land aus der Geschichte gelernt hat. "In den vergangenen Jahrzehnten wurden Rüstungsexporte in die Türkei oft sanktioniert", erklärt Özgür Eksi, Verteidigungsexperte und Herausgeber der "Global Defense News".
Fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts wollen die Nato-Staaten künftig in Verteidigung und Sicherheit investieren. Beim Gipfel in Den Haag wurde deutlich, wer den Takt angibt.25.06.2025 | 2:51 min
Lehren aus der Vergangenheit
So zum Beispiel nach der Besetzung Nordzyperns, während des Konflikts mit der PKK oder nach der Beschaffung des russischen Flugabwehrsystems S-400. Immer wieder wurden die türkischen Streitkräfte von Rüstungsimporten abgeschnitten. "Daraus haben wir unsere Lehren gezogen", so Özgür Eksi.
Die Bedeutung unserer Rüstungsindustrie, die wir heute sehen, ist ein Ergebnis dieser Entwicklung.
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Özgür Eksi, Verteidigungsexperte und Herausgeber der "Global Defense News"
Der rein finanzielle Gewinn, den die Türkei dadurch einfährt, lässt sich ziemlich genau beziffern: So exportierte das Land im vergangenen Jahr Waffen und Waffensysteme im Wert von 7,2 Milliarden Dollar - 30 Prozent mehr als in 2023. Doch viel wichtiger für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist die daraus entstehende Unabhängigkeit.
In der Türkei gehen Tausende junge Menschen auf die Straße - sie protestieren für ihre Überzeugungen und gegen Präsident Erdogan. Dafür drohen ihnen Verhaftungen und Repression.02.04.2025 | 6:37 min
Verteidigungsfähig auch ohne Nato-Beistand
Denn trotz Nato-Mitgliedschaft will die Türkei in der Lage sein, auch ohne Beistand auf Konflikte zu reagieren. Und Potential dafür gibt es in der Region viel. Das zeigen nicht zuletzt die israelischen Angriffe auf iranische Atomanlagen oder die andauernden Kämpfe in Syrien. Die Türkei will ein unverzichtbarer Machtfaktor im Nahen Osten sein.
Als Erdogan die diesjährige IDEF eröffnete, erläuterte er den anwesenden Gästen aus dem In- und Ausland, warum:
Wir befinden uns in einer Zeit, in der Kräfteverhältnisse neu bestimmt werden und globale Machtzentren sich verlagern.
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Recep Tayyip Erdogan, türkischer Präsident
"Wie Sie wissen, wachen wir jeden Tag mit einer neuen Krise auf", so Erdogan.
Seit 1951 ist das Land Mitglied des Militärbündnisses. An seiner Südostflanke, dem Schwarzen Meer, spielt die Türkei eine unverzichtbare Rolle.04.04.2024 | 2:19 min
Gazap, die neue zerstörerische Bombe der Türkei, soll diesem Selbstverständnis Nachdruck verleihen. Und dennoch: Die Zusammenarbeit im Nato-Bündnis bleibt nach Ansicht von Experten eine wichtige Säule der türkischen Verteidigungspolitik.
Nato sollte ihren Einfluss geltend machen
Einen Einfluss, den die Nato nutzen sollte. "Sie sollte die Türkei verpflichten, bestimmte Konditionen einzuhalten", erläutert Jens Bastian, Verteidigungsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Also zum Beispiel, wie eine solche Massenvernichtungswaffe entwickelt wird, wohin sie auch exportiert wird und wo sie nicht angewendet werden darf."
Große Erleichterung nach dem Gipfel des Bündnisses in Den Haag. Die Nato einigt sich auf fünf Prozent Verteidigungsausgaben und Donald Trump nennt den Gipfel einen "großen Sieg".