Machtwechsel möglich:Tschechien wählt eine neue Regierung
Bei der Wahl geht es um ein neues Parlament - und auch um die politische Ausrichtung des Landes: Bleibt es beim proeuropäischen Kurs oder wird daraus ein prorussischer?
In Tschechien geht die zweitägige Parlamentswahl zu Ende. Laut Umfragen hat der Rechtspopulist Babis nach vier Jahren Opposition gute Chancen, an die Macht zurückzukehren.
04.10.2025 | 0:19 minÜber eines kann sich Prag nicht beklagen: zu wenige Besucher. Doch mittlerweile sind es viel zu viele Touristen. Sie dominieren als Masse Mensch nicht nur das Bild der Altstadt, sie haben es nachhaltig verändert. Souvenir- und Ramschläden, wohin man blickt.
Die meisten Geschäfte brauchen nicht mal Touristen wirklich. Und die Einheimischen schon gar nicht.
Tourismus verknappt Wohnraum
Petr Městecký vom Verein "Bezahlbarer Wohnraum in Prag" schimpft, die Touristen gäben ihr Geld für lauter unnütze Dinge aus. Die Prager Bürger bräuchten ganz andere Geschäfte, aber die Ladenbetreiber würden sich den Touristen anpassen. Es gebe keine Grundversorgung, keine Bäckereien, keine Metzgereien.
Und selbst wenn man eine Glühbirne für einen Lampe kaufen will, muss man zu einem Supermarkt am Stadtrand fahren.
Petr Městecký, Verein "Bezahlbarer Wohnraum in Prag"
Zugleich wird Wohnraum immer knapper und teurer. Hausbesitzer vermieten Apartments und Zimmer tageweise an Touristen, wie Městecký auf einem Webportal nachweist. Wohnraum, der den Einheimischen fehlt.
Premier Fiala muss um seine Mehrheit bangen. Ex-Premier Babis lockt mit populistischen Versprechungen und liegt in Umfragen vorn. Das Ergebnis wird am Samstagnachmittag erwartet.
03.10.2025 | 2:28 minSchwarzarbeit drückt auf die Löhne
Doch der Overtourism macht nur einen Bruchteil des tschechischen Wohnproblems aus. Das heißt schlicht und einfach: es gibt viel zu wenig Wohnraum und der verfügbare ist zu teuer für Durchschnittsverdiener.
Dazu kommt, dass in Tschechien traditionell zu etwa 80 Prozent Wohneigentum gekauft wird. Grundsätzlich ist die Wirtschaftslage gut, Tschechien weist etwa zwei Prozent Wirtschaftswachstum auf, die Arbeitslosenquote liegt bei rund vier Prozent. Das gilt in einer Volkswirtschaft als Vollbeschäftigung.
Doch der Verdienst ist bei vielen zu niedrig und Schwarzarbeit ist ein großes Problem. Die Billigkonkurrenz drückt auf die Löhne. Hinzu kommen hohe Lebensmittel- und Energiepreise. Eine große Herausforderung für die Politik.
Soll Tschechien bekannter machen: Seit dem Erscheinen des zweiten Teils eines Computer-Rollenspiels besuchen vor allem junge Touristen aus aller Welt tschechische Handlungsorte wie die Burg Trosky, Suchdol und Malesov.
21.08.2025 | 2:12 minUmfragen deuten Wechsel an
Die sortiert sich nach der Wahl womöglich neu. Tschechiens amtierender Ministerpräsident Petr Fiala hat mit der Koalition seiner liberal-konservativen Partei ODS mit Christdemokraten, Liberalen und der kommunalen Bürgermeisterpartei nach den letzten Umfragen keine Mehrheit mehr.
Fialas Regierung stand bisher für einen klar prowestlichen Kurs, pro Nato und für die massive Unterstützung der Ukraine.
Dagegen führt Andrej Babiš, sein Kontrahent und ehemaliger Ministerpräsident, die Umfragen mit seiner wirtschaftsliberalen ANO-Partei und gut einem Drittel der Stimmen an. Und das, obwohl ein Verfahren wegen Subventionsbetrug gegen ihn noch nicht abgeschlossen ist.
Allianzen mit pro-russischen Parteien?
Babiš schlägt zunehmend europakritische und nationalistische Töne an. Möglicherweise wäre er für eine Mehrheit auf Stimmen der linksnationalen Stacilo und der rechtsnationalen SPD angewiesen. Beide lehnen EU und Nato ab, geben sich prorussisch.
Tomio Okamura, der Anführer der - nicht mit Sozialdemokratie zu verwechselnden - SPD, greift auch gerne zu rassistischen Parolen. Ein besonders hetzerisches Plakat der SPD wurde deshalb gerichtlich verboten.
Miloš Brunclík von der Prager Karls-Universität schließt ein solch extremes Bündnis nicht aus. Denn obwohl sie von der äußersten linken und der äußersten rechten Seite kommen, seien die beiden Parteien Stacilo und SPD vereint in ihrem Populismus und ihrem Nationalismus.
Beide sind strikt gegen die EU und gegen die NATO. Deshalb machen sie Politik gegen die Ukraine und gegen die Hilfen Tschechiens für die Ukraine.
Miloš Brunclík, Karls-Universität Prag
Auswirkungen auf EU-Politik
Aus europäischer Sicht könnte ein Regierungswechsel den Keil vergrößern, den Ungarns Viktor Orban und Robert Fico, Ministerpräsident der Slowakei, schon jetzt in die Eindämmungspolitik der EU gegen Russland treiben.
Schon vor der EU-Wahl 2024 nahm das autokratisch regierte Ungarn Einfluss: Ein Netzwerk aus Firmen und Stiftungen betreibt massiv Stimmungsmache gegen die liberalen Demokratien Europas.
29.05.2024 | 28:44 minZünglein an der Waage könnten bei der Wahl in Tschechien Kleinparteien wie die Piraten werden, die für mehr Digitalisierung eintreten. Oder die Motoristen. Die stemmen sich gegen ein Aus des Verbrenner-Motors.
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