Ukraine-Krieg: Warum Kreml nach US-Druck verstärkt angreifen wird
Analyse
Trumps verkürztes Ultimatum:Darum wird Russland seine Angriffe verstärken
von Christian Mölling, András Rácz
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Donald Trump verkürzt die Frist für einen Waffenstillstand, doch Moskau ignoriert das. Der Kreml geht von einem US-Bluff aus. Kiew aber muss nun mit intensiven Angriffen rechnen.
Trotz des gekürzten Ultimatums von US-Präsident Trump bombardiert Russland weiterhin ukrainische Städte. 22 Menschen wurden dabei in den vergangenen 24 Stunden getötet.29.07.2025 | 2:03 min
US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf Wladimir Putin: Er kündigte am 28. Juli an, dass er die Frist für das Erreichen einer Waffenruhe oder einer Friedensvereinbarung im Ukraine-Krieg einseitig auf "zehn bis zwölf Tage" verkürzen werde, bevor die USA ernsthafte Sanktionen verhängen würden, sofern Russland der Forderung nicht nachkomme.
Die ursprüngliche Frist von 50 Tagen liefe am 2. September aus. Viele Analysten spekulierten, dass die USA mit dieser langen, großzügigen Frist Russland im Grunde "grünes Licht" gegeben hätten, seine laufende Sommeroffensive zu beenden, bevor Moskau ernsthafte Waffenstillstandsverhandlungen aufnehmen würde.
Frieden in 50 Tagen oder 100 Prozent Strafzölle für Russlands Handelspartner, damit drohte US-Präsident Trump. ZDFheute live analysiert.14.07.2025 | 31:14 min
Die Kreml-Reaktion: Typische Antworten
Der Kreml reagierte auf die Trumps Ankündigung wie schon so oft bei solchen Entwicklungen: Recht zurückhaltend nahm man Botschaft im Wesentlichen zur Kenntnis, machte jedoch keine Zugeständnisse. Tatsächlich antwortete Dmitri Peskow, der Sprecher Putins, dass "die spezielle Militäroperation andauert und wir uns weiterhin dem Friedensprozess zur Lösung des Konflikts um die Ukraine und zur Wahrung unserer Interessen im Rahmen dieser Beilegung verpflichtet fühlen".
Donald Trump hat lange gedroht, die Unterstützung für die Ukraine zu beenden. Dann kam der U-Turn: Die USA wollen Waffen liefern. Was bedeutet das für die Ukraine und auch Europas Sicherheit?17.07.2025 | 42:37 min
Zudem veröffentlichte der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew eine weitere seiner üblichen Online-Tiraden, in der er drohte, dass jeder solche Schritt eine Annäherung an einen Krieg bedeute.
Medwedew Rolle seit Beginn der groß angelegten Invasion besteht darin, den Angstmacher zu spielen, der die radikalsten Botschaften sendet, ohne jedoch wirkliches politisches Gewicht zu haben. Er bedient nach innen hin vor allem für die nationalistischen Teile der russischen Bevölkerung, aber selbst in diesen Kreisen wird er wegen seiner leeren Drohungen häufig ziemlich respektlos verspottet.
Laut ukrainischen Angaben starben bei dem Drohnenangriff in der Nacht mindestens sieben Menschen. Das russische Militär verkündete zudem die Einnahme eines lange umkämpften Orts.31.07.2025 | 1:28 min
Russland rechnet wohl nicht mit Folgen
Wichtiger ist die Botschaft des Kreml über die Fortsetzung des Krieges. Diese Ankündigung kommt de facto einer offenen Missachtung der Forderungen Trumps gleich.
Dies bedeutet höchstwahrscheinlich, dass Russland davon ausgeht, dass Trump blufft, und bereit ist, den Bluff aufzudecken. Der Kreml geht offenbar davon aus, dass Trump entweder gar nichts unternehmen wird oder dass die "knallharten Sanktionen", wie Senator Lindsay Graham sie einmal nannte, in Wirklichkeit so mild ausfallen werden, dass Russland leicht damit leben kann.
Quelle: DGAP
... ist Senior Advisor beim European Policy Centre. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Darüber hinaus ist der Kreml aufgrund der letzten sieben Monate seit Trumps Amtsantritt wahrscheinlich auch davon überzeugt, dass es durch erneute Signale seiner Bereitschaft zu sinnvollen Verhandlungen erneut möglich sein wird, mehr Zeit zu gewinnen und damit den Krieg gegen die Ukraine fortzusetzen.
In der Ukraine gehen die Kämpfe mit unverminderter Härte weiter. Mima-Reporter Torge Bode hat im Osten des Landes an der Grenze zu Russland Soldaten einer ukrainischen Brigade begleitet.29.07.2025 | 2:47 min
Putin konnte keine Schwäche zeigen
Daher hat der Kreml den Ball zurück an Trump gespielt, und nun ist es an der US-Regierung, Maßnahmen zu ergreifen.
Tatsächlich war dies jedoch ziemlich vorhersehbar. Niemand konnte ernsthaft davon ausgehen, dass Putin einer solchen einseitigen Änderung der Bedingungen einfach nachgeben würde. Dies gilt umso mehr, als Trump sich mit der Angabe "zehn bis zwölf Tage" anstelle einer einzigen Frist sogar unklar ausdrückte. Der russische Präsident hatte keine andere Wahl, als diesen Druck zurückzuweisen, da er sonst schwach und den USA unterwürfig erschienen wäre.
Auswirkungen für die Ukraine
Für die Ukraine und für die ukrainischen Soldaten und Zivilisten bedeutet dies intensivere Luft- und Raketenangriffe auf das Hinterland, während die russischen Streitkräfte versuchen werden, insbesondere in Richtung Pokrowsk aggressiver vorzustoßen.
Russlands Armee rückt in der Ukraine weiter vor. Bilder sollen russische Soldaten im strategisch wichtigen Pokrowsk zeigen. ZDFheute live mit Militärexperte Gressel.24.07.2025 | 37:37 min
Zwar ist es ausgeschlossen, dass die russischen Streitkräfte an irgendeinem Abschnitt der Front einen bedeutenden Durchbruch erzielen könnten - es sei denn, die Ukraine begeht einen katastrophalen Fehler. Doch für den Kreml ist es wichtig, dass sie, sollten sie aufgrund des Drucks der USA echte Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufnehmen müssen, eine möglichst vorteilhafte Position vor Ort haben.
Daher wird die Ukraine wahrscheinlich zwei sehr schwierige Wochen vor sich haben.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.