Selenskyj verspricht Gegenangriffe auf russische Kraftwerke

Analyse

Gegenangriffe auf russische Kraftwerke:Kann die Ukraine Selenskyjs Versprechen halten?

von Christian Mölling, András Rácz
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Wenn Russland das nächste Mal die ukrainische Stromversorgung angreift, will die Ukraine mit Vergeltung reagieren. Die Mittel der Ukraine dazu sind allerdings begrenzt.

Nach russischen Angriffen auf Kiew sind große Teile der Stadt ohne Strom. Aufgenommen am 10.10.2025.

Russland zielt immer wieder auf die Energieversorgung der Ukraine ab. Nun will Kiew zurückschlagen.

Quelle: AFP

Kiew ist in der Lage und bereit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sollte Russland ukrainische Kraftwerke angreifen - das erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 8. Oktober.

Selenskyj erwähnte dabei insbesondere Kraftwerke in den russischen Regionen Kursk und Belgorod. Der ukrainische Präsident drohte Belgorod und sagte, da die meisten Raketen und Gleitbomben gegen Charkiw aus der Region Belgorod abgefeuert werden:

Vielleicht sollten sie sich in Belgorod nicht mehr wohlfühlen, wenn sie so handeln.

Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Präsident

UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-WAR

Die Wasserversorgung ist immer wieder ein Ziel für die russische Armee. Nahe der Stadt Mykolajiw im Süden der Ukraine ist es gelungen, eine sicherere Wasserversorgung aufzubauen.

11.10.2025 | 1:27 min

Erste ukrainische Schläge bereits ausgeführt

Tatsächlich hat dieser Prozess bereits begonnen. Vergangene Woche führte Russland mehrere intensive Angriffe auf die Gasinfrastruktur der Ukraine durch, darunter Produktionsanlagen in der Region Poltawa und Speicheranlagen in der Region Lemberg.

Auch die Stromerzeugungskapazitäten wurden bereits getroffen, beispielsweise Kraftwerke in der Region Tschernihiw, in der Nähe von Charkiw, in Dnipro sowie in Kiew.

Raketenangriffe auf Kiew

Russland hat erneut die Ukraine angegriffen. Ziel war das Zentrum von Kiew. Raketen trafen Wohnhäuser und Energieanlagen, mindestens neun Menschen seien verletzt worden.

10.10.2025 | 0:17 min

Als Reaktion darauf begann die Ukraine mit Angriffen auf russische thermische und kombinierte (thermische und elektrische) Kraftwerke.

Am 28. September trafen HIMARS-Raketen ein Kraftwerk in der Nähe von Belgorod. Drohnen trafen ein Kraftwerk in der Region Kursk, parallel zu den anhaltenden Angriffen auf die Ölinfrastruktur. Am 6. Oktober wurde ein Kraftwerk in Belgorod erneut getroffen und schwer beschädigt. Stromausfälle werden in Belgorod immer häufiger und dauern immer länger an.

Russland kann Angriffe auf Ziele in der ganzen Ukraine konzentrieren

Die Äußerung von Selenskyj ist jedoch eher ein politischer Schachzug, da die Ukraine - zumindest derzeit - kaum in der Lage ist, russische Kraftwerke in ähnlicher Weise zu schwächen, wie Moskau dies in der Ukraine tut.

Russland ist in der Lage, konzentrierte Angriffe in der gesamten Ukraine durchzuführen, indem es etwa eine Vielzahl von Geran-Drohnen oder Marschflugkörpern einsetzt.



In der Region Tschernihiw wurde beispielsweise ein Kraftwerk von mehr als einem Dutzend (!) Geran-Drohnen getroffen, die innerhalb kürzester Zeit auf dasselbe Ziel fielen. Am 14. September wurde das Wärmekraftwerk Trypillia in der Region Kiew (das bereits im April 2024 schwer beschädigt worden war) von 19 (!) Geran-Drohnen getroffen, wodurch alle dort seit letztem Jahr durchgeführten Reparaturarbeiten praktisch zunichte gemacht wurden.

Ukraine fehlen die Mittel für diese Strategie

Die meisten der von Kiew eingesetzten Langstreckenwaffen sind leichte Drohnen. Diese sind zwar gegen Ölraffinerien, die extrem leicht entflammbar sind, sehr wirksam, Kraftwerke stellen jedoch eine andere Art von Infrastruktur dar.

Ein Soldat startet eine Drohne.

Im Krieg spielen Drohnen eine Schlüsselrolle. Ukrainische und europäische Hersteller wollen nun enger bei der Entwicklung neuer Modelle kooperieren.

19.09.2025 | 1:30 min

Kraftwerke sind viel robuster und stabiler gebaut als Raffinerien. Darüber hinaus stammen die meisten von ihnen noch aus der Sowjetzeit und sind daher sehr massive, überdimensionierte Bauwerke.

Die Ukraine verfügt noch nicht über eine ausreichende Anzahl solcher Langstreckenwaffen, die genug Sprengstoff transportieren könnten, um ein Kraftwerk massiv zu beschädigen. Sobald die Flamengo-Marschflugkörper in Serie gehen oder die Massenproduktion der neuen ballistischen Raketen beginnt, könnte sich dies ändern - aber so weit ist es noch nicht.

Die grenznahen Regionen können mit konventioneller Langstreckenartillerie erreicht werden, aber um die Kraftwerke in weiter entfernten Regionen zu treffen, benötigt die Ukraine viel mehr und weitaus zerstörerischere Waffen.

Militär- und Sicherheitsexperte Nico Lange vor der Grafik einer Karte der Ukraine.

Die Ukraine hofft auf weitreichende Marschflugkörper aus den USA, Russland droht mit Konsequenzen. ZDFheute live analysiert die Lage mit Militärexperte Nico Lange.

09.10.2025 | 34:20 min

Appell an den Wunsch nach Gerechtigkeit und Vergeltung

Indem er die Bereitschaft der Ukraine betont, symmetrische Antworten auf Russlands Angriffe auf die Energieinfrastruktur zu geben, spricht Selenskyj daher eher seine eigene Bevölkerung an und versucht, ihr angesichts immer längerer Stromausfälle ein Gefühl der Vergeltung zu vermitteln.

Der bevorstehende Winter dürfte für die Zivilbevölkerung der Ukraine erneut ziemlich hart werden.

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