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Interview
Trotz angeschlagener Wirtschaft:Warum Sanktionen Russland nur bedingt treffen
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Obwohl die russische Wirtschaft schwächelt, treffen westliche Sanktionen den Kreml nicht so hart wie erhofft. Warum, erklärt Experte Alexander Kolyandr.
Wladimir Putin deklarierte die russische Wirtschaft Ende 2024 als "stabil". Wirtschaftlich sei insgesamt alles gut in Russland. In der Realität steigt die Inflation, etwa die Lebensmittelpreise, die Wirtschaftsleistung im Land sinkt.
Doch nicht so sehr wie vom Westen erhofft, erklärt Alexander Kolyandr. Er ist Experte für russische Politik und Wirtschaft. Kolyandr meint: Westliche Sanktionen treffen Russland nur mäßig und haben keinen Einfluss auf ein Ende des Ukraine-Krieges.
ZDFheute: Herr Kolyandr, funktionieren die Sanktionen gegen Russland?
Alexander Kolyandr: Es hängt alles davon ab, was wir von den Sanktionen erwarten. 2022 versprachen uns die Politiker, dass die Sanktionen Russlands Aggression gegen die Ukraine verhindern und den Krieg beenden würden.
So gesehen funktionieren die Sanktionen natürlich nicht.
Denn trotz 17 beschlossenen Sanktionspaketen der Europäischen Union, das 18. ist in der Pipeline, wütet der Krieg immer noch. Wenn das Ziel der Sanktionen jedoch ist, Russland ein wenig abzuschrecken und die russische Wirtschaft zu bremsen, dann funktionieren sie ein Stück weit.
ZDFheute: Sie sagen "ein Stück weit" - inwiefern?
Kolyandr: Das Problem sind nicht die Sanktionen an sich, sondern wie sie umgesetzt werden, vor allem von der EU. Wir sehen, dass trotz aller Verbote für europäische Exporte von Ersatzteilen und technologischem Material Russland immer noch in der Lage ist, all das über Drittländer zu beschaffen.
Es ist immer noch möglich, mehr oder weniger alles zu kaufen (…).
Natürlich kostet das viel mehr. Es schmälert die Unternehmensgewinne, es heizt die Inflation an, aber es verursacht nicht den Schaden, der uns vor drei Jahren (Anm. d. Red: zu Kriegsbeginn) versprochen wurde.
Quelle: Privat
Alexander Kolyandr ist Experte des Center for European Policy Analysis (CEPA). Unter anderem hat Kolyandr die russische Politik und Wirtschaft als Stratege der Credit Suisse Bank in London und Moskau beobachtet und analysiert.
Zudem war er Chefkorrespondent der internationalen Tageszeitung Wall Street Journal in Moskau sowie russischer Wirtschaftsreporter für die britische BBC. Kolyandr wurde in der Ukraine geboren und hat sowohl die ukrainische als auch die britische Staatsbürgerschaft.
Zudem war er Chefkorrespondent der internationalen Tageszeitung Wall Street Journal in Moskau sowie russischer Wirtschaftsreporter für die britische BBC. Kolyandr wurde in der Ukraine geboren und hat sowohl die ukrainische als auch die britische Staatsbürgerschaft.
ZDFheute: Wladimir Putin vermittelt das Bild, die russische Wirtschaft sei stabil, doch in der Realität steigen etwa die Lebensmittelpreise deutlich. Wie bewerten Sie die wirtschaftliche Situation in Russland?
Kolyandr: Im Großen und Ganzen ist es Russland gelungen, mit den Sanktionen zu leben und seine Infrastruktur und Entwicklung aufrechtzuerhalten. Die Probleme sind meist hausgemacht.
Nach zwei Jahren fiskalischer Stimulierung (Anm. d. Red: meint: Haushaltsausgaben, die das Wachstum anheizen) und überhitzter Wirtschaft hat die russische Wirtschaft begonnen, sich zu verlangsamen, während die Inflation hoch bleibt. Die größte Gefahr kommt für die russische Wirtschaft also von systematischen Herausforderungen, seien es hohe Ölpreise, der ständige Arbeitskräftemangel, die mangelnde Rechtsstaatlichkeit und dergleichen.
Die Sanktionen verschärfen die Lage, aber die Probleme an sich sind davon getrennt.
ZDFheute: Wie lang kann Russland das durchhalten?
Kolyandr: Die Frage ist unmöglich zu beantworten, denn sie hängt von mehreren Unbekannten ab: von Ölpreisen, der Politik im Kreml und seinem Haushalt für Sozialprogramme sowie dem Krieg. Und: Wie die derzeitigen Sanktionen von den westlichen Ländern weiter durchgesetzt werden können.
ZDFheute: Was meinen Sie, wie wird sich die russische Wirtschaft entwickeln?
Kolyandr: Es wird erwartet, dass das Wachstum in diesem Jahr bei etwa einem Prozent liegen wird. Aber:
Die Wirtschaft kollabiert nicht, weil sie flexibel ist.
Sie ist groß und kann sich auf die globalen Märkte verlassen - und auf den fehlenden Willen, sowohl in Europa als auch in den USA, die Sanktionen mit Nachdruck durchzusetzen und eine Konfrontation zu riskieren.
ZDFheute: Was bringen die bisherigen Sanktionen des Westens denn dann überhaupt?
Kolyandr: Es ist nicht möglich, eine Aggression, einen Krieg oder eine bestimmte Politik allein durch Wirtschaftssanktionen zu stoppen, vor allem dann nicht, wenn sie nicht richtig durchgesetzt werden.
Aber diese Sanktionen haben ihren Preis und müssen fortgeführt werden. Sie machen der russischen Wirtschaft das Leben schwer. Sie haben eine Wirkung, aber sie sind nicht in der Lage, den Krieg zu beenden. Dafür ist ihre Wirkung nicht groß genug.
Das Interview führte Oleg Prokhorov für das ZDF-Studio Moskau.
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