Nato-Stützpunkt auf Gotland: Militärübungen in der Ostsee

Der Schutz der Ostsee:Gotland - wo die Nato verwundbar ist

von Isabelle Schaefers und Paul Schubert, Brüssel
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Fallschirmjäger und Kriegsschiffe - auf Gotland in Schweden zeigt die Nato, wie ernst sie den Schutz der Ostsee nimmt. Die Insel ist strategisch entscheidend für die ganze Region.

Hubschrauber-Übung
Die schwedische Insel Gotland wird als neue Mitte der Ostsee bezeichnet. Die Nato-Truppen sollen dort ausgebaut werden, denn: Wer sie kontrolliert, kann die Nato-Länder vom Meer aus bedrohen.18.06.2025 | 5:59 min
Wie kleine Stecknadeln fallen die britischen Fallschirmjäger vom Himmel auf die schwedische Ostseeinsel Gotland. Nur wenige Stunden zuvor sind sie in Großbritannien gestartet. Ihr Trainingsziel: im Ernstfall schnellstmöglich hier zu sein. "In 48 Stunden sind wir hier - aber im Zweifel auch schneller", sagt einer der britischen Fallschirmspringer.

Militärübungen auf der Ostsee-Insel Gotland

Die Übung soll so realitätsnah wie möglich ablaufen. Doch bevor die Soldaten im Wald verschwinden, um zum Zielort zu laufen, werden sie aufgehalten: Eine mobile Passkontrolle wurde eingerichtet. Die britischen Soldaten müssen ihre säuberlich abgehefteten Reisepässe aus den riesigen Fallschirmspringerrucksäcken kramen und sich in die Schlange vor dem Wagen einreihen. Brexit sei Dank. Der britische Kommandeur Chris Hitchins nimmt es gelassen: "Ich mache eine kleine mentale Pause, zeige meinen Pass - dann geht’s zurück ins Übungsszenario."
NATO-Soldaten springen bei einer Übung mit Fallschirmen ab
Der Ukrainekrieg zeigt die Spannungen im westlichen Militärbündnis. Die USA verschieben die Aufmerksamkeit in den Indo-Pazifik und fordern von Europa mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit.19.06.2025 | 44:33 min

Schweden braucht die Nato-Partner

Gotland liegt zentral in der Ostsee - und damit in einer sicherheitspolitisch sensiblen Lage. Wer die Insel kontrolliert, hat Einfluss auf die Seewege, auch zu den baltischen Staaten. Russland könnte im Falle einer Eroberung von hier aus das Baltikum vom Rest der Nato abschneiden. Die Gefahr ist den schwedischen Streitkräften bewusst. Im vergangenen Jahr trat Schweden der Nato bei. Denn ohne Partner geht es nicht.

Unsere Alliierten haben Dinge, die wir noch nicht haben: Hubschrauber, Artillerie, Kampfflugzeuge.

Johan Hellborg, Major schwedische Armee

NATO-Operation Baltic Sentry in der Ostsee
Seit Oktober 2023 wurden mehrere Unterseekabel in der Ostsee beschädigt. Schweden und Lettland untersuchen die Vorfälle - die Nato verstärkt ihre Patrouillen. ZDF-Reporter Henner Hebestreit hat im Januar eine Nato-Mission begleitet. 29.01.2025 | 4:19 min
Nach Jahren der Demilitarisierung wird auf Gotland wieder aufgerüstet - auch das 2005 aufgelöste Gotland-Regiment wird Schritt für Schritt neu aufgebaut. "Natürlich ist es immer einfach, auf die Geschichte zurückzublicken und zu urteilen. Aber in dem Moment damals haben die Politiker die Entscheidung getroffen. Sie hofften wohl auf eine friedliche Entwicklung im Ostseeraum, die nicht eingetreten ist", stellt Oberst Dan Rasmussen, Kommandeur des Gotland-Regiments, nüchtern fest.

Nato reagiert auf russische "Schattenflotte"

Immer wieder wird die Nato daran erinnert, wie angreifbar sie auf der Ostsee ist. Als Ende 2024 der russische Tanker "Eagle S" mit seinem Anker mutmaßlich ein Stromkabel beschädigt, ist das mehr als ein Einzelfall. Kritische Unterwasserinfrastruktur wie Pipelines oder Stromkabel sind immer öfter Ziel mutmaßlicher Sabotage durch die sogenannte russische Schattenflotte.
Ende Mai schickte Russland erstmals einen Kampfjet, um ein Schiff der Schattenflotte zu schützen. "Russland hat sich dadurch jetzt ganz offiziell mit der Schattenflotte in Verbindung gebracht", sagte Estlands Außenminister Margus Tsahkna.
Die Korvetten "Magdeburg" (l-r) und "Braunschweig" liegen am Kai des Marinestützpunktes Hohe Düne in Warnemünde startklar zum Großmanöver Baltops in der Ostsee.
Im Juni begann die Nato mit ihrem jährlichen Manöver in der Ostsee. An der Übung beteiligen sich 50 Schiffe, 25 Flugzeuge und 9.000 Soldaten aus 17 Ländern.08.06.2025 | 1:30 min
Die Nato hat bereits Anfang des Jahres reagiert, die Mission "Baltic Sentry" ins Leben gerufen und ihre Präsenz auf der Ostsee verschärft - unter anderem durch den ständigen Minenabwehrverband 1. Ihm gehören derzeit sieben Schiffe aus fünf Nationen an. Ihre Ziele: Minen suchen - und Abschreckung. Im kleinen Hafen von Visby in Gotland machen sie über das Wochenende Pause.

Nato-Schiffe als "Sicherheitskameras der Ostsee"

"Natürlich ist man angespannter als früher", sagt Fregattenkapitän Marcus Fiene, Kommandant des deutschen Minenjagdboots "Datteln". "Aber die Mannschaft weiß, worauf sie sich eingelassen hat - und sie ist gut vorbereitet." Neben Minen sucht die "Datteln" inzwischen auch gezielt nach Sabotagespuren an Pipelines oder Stromkabeln. "Unsere Geräte sind eigentlich für Minenjagd gebaut", sagt Fiene. "Aber sie helfen uns auch, Anomalien auf dem Meeresboden zu erkennen."
Erik Kockx, belgischer Kommandeur des Nato-Verbands, formuliert es schärfer: "Wir sind hier, um als Sicherheitskameras der Ostseeregion zu fungieren. Und jeder, der die Absicht hat, der für uns wichtigen Unterwasserinfrastruktur Schaden zuzufügen, sollte wissen, dass das gesehen wird, dass das gemeldet wird und dass das nicht ohne Folgen bleiben wird."
Die Ostsee ist zur sicherheitspolitischen Herausforderung für die Nato geworden - und Gotland liegt mittendrin.

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