Konferenz vor UN-Generaldebatte:Palästina-Frage in NY: Wer sich wie positioniert
Kurz vor der UN-Generaldebatte erkennt auch Frankreich einen Staat Palästina formell an. Worum es bei der Staatsanerkennung geht - und wie Deutschland sich positioniert.
Der Nahost-Konflikt begleitet die Vereinten Nationen seit ihrer Gründung. In der Geschichte gab es bereits Bemühungen, den Konflikt durch eine Zweistaatenlösung beizulegen.
03.09.2025 | 1:19 minNeue Dynamik - oder weitere Eskalation? Die Anerkennung Palästinas als Staat durch eine Reihe von Ländern in New York ist ein Versuch, die Zweistaatenlösung am Leben zu halten.
Eine von Frankreich und Saudi-Arabien initiierte Konferenz zur Zweistaatenlösung begann am Montagabend. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gab dabei bekannt, künftig einen Staat Palästina anzuerkennen.
Der diplomatische Druck auf Israel vor der am Dienstag geplanten UN-Generaldebatte mit etwa 150 Staats- und Regierungschefs wächst somit weiter. Diplomaten befürchten jedoch, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahus Reaktion harsch ausfallen könnte.
ZDFheute Infografik
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Was soll bei der Konferenz in New York passieren?
Nach dem Willen der Veranstalter soll das hochrangige Treffen zur Zweistaatenlösung am Montag den Ton für die am Folgetag startende Generaldebatte der UN-Vollversammlung bilden. Die Botschaft: Die Weltgemeinschaft verlangt ein Ende des Gaza-Krieges und eine Rückkehr an den Verhandlungstisch - unverzüglich.
Den Anfang machten am Wochenende bereits Großbritannien, Kanada und Australien, die Palästina als erste große westliche Wirtschaftsnationen anerkannten. Der britische Ministerpräsident Keir Starmer und sein kanadischer Amtskollege Mark Carney werden ebenfalls auf der Konferenz sprechen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vollzog am Montag den zunächst vor allem symbolischen Schritt der Anerkennung Palästinas. Auch Belgien, Neuseeland und weitere kleinere Staaten haben eine Anerkennung angekündigt oder angedeutet.
Orientalist Daniel Gerlach erklärt, was man unter Palästina versteht, wer die Palästinenser sind, und warum die Konflikte dieser Region vielen so unüberwindbar scheinen.
21.01.2024 | 14:05 minWas soll das bringen?
Obwohl bereits etwa 150 der 193 UN-Mitgliedsstaaten Palästina anerkannt haben, wiegt die Entscheidung mehrerer zentraler Weltmächte, die traditionell zu Israels engsten Partnern zählen, besonders schwer. Noch entscheidender ist, dass diese Anerkennung die bedrohte Zweistaatenlösung stützen soll - sie ist gefährdet durch Israels Siedlungsausbau im Westjordanland, Annexionspläne und die Schwächung der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah.
Für die Palästinenser bedeutet der Schritt zusätzliche Legitimität im Streben nach einem eigenen Staat - er könnte den Weg zur vollen UN-Mitgliedschaft ebnen. Die Zweistaatenlösung sieht das gleichberechtigte Nebeneinander eines israelischen und eines palästinensischen Staates vor.
Vor der internationalen Konferenz zur Zweistaatenlösung haben mehrere Länder einen palästinensischen Staat anerkannt. ZDF-Korrespondentin Nicola Albrecht zu den Hintergründen.
22.09.2025 | 1:11 minWie groß ist das Risiko?
Ministerpräsident Netanjahu gibt sich im Gaza-Krieg unbeirrt und könnte die Situation dafür nutzen, den Konflikt weiter zu eskalieren. Beobachter halten es sogar für möglich, dass er die staatliche Anerkennung Palästinas damit kontern könnte, die Annexion von Palästinensergebieten zu verkünden, um eine Zweistaatenlösung damit faktisch zu begraben. Netanjahu wird die Vollversammlung am Freitag adressieren.
Frankreich, Großbritannien und Kanada riskieren mit ihrer Entscheidung zudem auch die Unzufriedenheit von Israels engstem Partner USA. Präsident Donald Trump - berüchtigt für sein unberechenbares Verhalten - könnte die Entwicklung als Affront betrachten.
Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal wollen offiziell einen Palästinenserstaat anerkannt. Frankreich will heute folgen. „Frankreich sieht sich in einer führenden Rolle“, so ZDF-Korrespondent Thomas Walde.
22.09.2025 | 2:16 minWarum lehnt Israel die Anerkennung Palästinas ab?
Die israelische Regierung sieht die Zweistaatenlösung als existenzielle Gefahr und wirft der Palästinensischen Autonomiebehörde vor, Terror zu fördern; eine Anerkennung Palästinas jetzt gelte zudem als "Belohnung für die Hamas", die Israels Zerstörung anstrebt und für das beispiellose Massaker vom 7. Oktober 2023 verantwortlich ist. Zuletzt hatten sich allerdings 142 Staaten unter französischer und saudischer Führung für eine Entmachtung der Hamas ausgesprochen.
Unterdessen baut die rechtsreligiöse Regierung Netanjahus die Siedlungen im 1967 eroberten Westjordanland und in Ost-Jerusalem weiter aus, wo inzwischen über 700.000 Siedler neben rund drei Millionen Palästinensern leben - übrig bleibt aus Sicht vieler nur ein "Flickenteppich" für einen möglichen Staat.
Nach dem Ersten Weltkrieg stand Palästina unter britischer Verwaltung. London versprach sowohl Juden eine "nationale Heimstätte" als auch Arabern Unterstützung, was zu wachsenden Spannungen führte. Nach dem Holocaust und der Ermordung von rund sechs Millionen Juden durch Nazi-Deutschland beschlossen die UN 1947 die Teilung: ein Staat Israel für Juden, ein Staat Palästina für Araber. Während die Araber ablehnten, riefen die Juden 1948 Israel aus.
Der folgende Krieg gegen mehrere Nachbarstaaten endete mit Israels Sieg und der Flucht von mehr als 700.000 Palästinensern ("Nakba"). Weitere Hunderttausende flohen 1967 im Sechstagekrieg ("Naksa"). In den 1990er Jahren brachte der Friedensprozess zunächst Hoffnung, doch zentrale Fragen wie Grenzen, der Status Jerusalems, Flüchtlinge und Siedlungen blieben ungelöst. Gewaltakte von Extremisten sowie die Spaltung der größten Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah schwächten die Chancen auf einen eigenen palästinensischen Staat zusätzlich.
Quelle: dpa
Wie verhält sich Deutschland?
Für die deutsche Bundesregierung um Kanzler Friedrich Merz (CDU) ist es ein Drahtseilakt, die Krise in Nahost zwischen Solidarität mit Israel und Druck der europäischen Verbündeten sowie der Stimmung der deutschen Bevölkerung zu navigieren. Zuletzt hatte die Bundesregierung das israelische Vorgehen im Nahost-Konflikt kritisiert und den Export von Waffen an Israel eingeschränkt. Doch eine Anerkennung des Staates Palästina lehnt Deutschland gegenwärtig trotz allem ab. Dies komme erst am Ende eines Friedensprozesses infrage, betont Berlin immer wieder.
Am 29. November 1947 sprach sich die UN-Vollversammlung dafür aus, das damals britisch kontrollierte Mandatsgebiet Palästina in jeweils einen unabhängigen jüdischen und arabischen Staat aufzuteilen. Jerusalem sollte unter internationale Kontrolle gestellt werden. Der Plan scheiterte jedoch an der Ablehnung der arabischen Staaten.
Als Reaktion darauf erklärte eine Koalition mehrerer arabischer Länder Israel einen Tag nach seiner Staatsgründung am 14. Mai 1948 den Krieg. Der Krieg ging mit einer massiven Flucht und Vertreibung der palästinensisch-arabischen Bevölkerung einher, betroffen waren rund 760.000 Menschen. Zugleich wurden mehr als 800.000 Juden aus den arabischen Ländern vertrieben oder flüchteten. Der Krieg infolge der Staatsgründung Israels mitsamt der Massenflucht wird von den Palästinensern als "Nakba" (Katastrophe) bezeichnet.
Der damalige Palästinenserchef Jassir Arafat rief in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung zu einem multikonfessionellen Staat in ganz Palästina auf - und sprach damit Israel das Existenzrecht ab. Er sei "mit einem Olivenzweig in der einen und dem Gewehr des Freiheitskämpfers in der anderen Hand" gekommen, sagte er.
Dennoch war sein Auftritt ein diplomatischer Erfolg: Wenige Wochen später erkannte die UN-Vollversammlung das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und nationale Unabhängigkeit an. Die Palästinenserorganisation PLO erhielt Beobachterstatus.
Während der ersten Intifada (arabisch für Aufstand) rief Arafat 1988 in Algier einseitig einen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt aus. In der Unabhängigkeitserklärung fehlte die Definition des Staatsgebiets. Der Palästinensische Nationalrat präzisierte später, dass das von Israel besetzte Westjordanland mit Ostjerusalem und der Gazastreifen gemeint seien. Damit wurde indirekt das Existenzrecht Israels anerkannt.
Wenige Minuten nach der Ausrufung erkannte Algerien als erstes Land einen palästinensischen Staat an. Ein Großteil der arabischen Welt, China, Indien und die Türkei folgten. Auch die meisten Länder Afrikas und des Ostblocks erkannten Palästina an. Der Schritt hatte allerdings nur symbolische Bedeutung.
In langwierigen, zunächst geheimen Verhandlungen einigten sich Israel und die PLO auf die Einrichtung von palästinensischen Autonomiegebieten und einer Autonomiebehörde. Die Vereinbarung zwischen Israels damaligem Regierungschef Jizchak Rabin und PLO-Chef Arafat galt als Meilenstein. Letztlich scheiterte der Prozess aber und ging in die zweite Intifada über, die von palästinensischen Anschlägen in Israel geprägt war.
Weitere Verhandlungsversuche zur Zweistaatenlösung 2000 und 2001 führten Arafat und Israels Ministerpräsident Ehud Barak unter direkter Vermittlung des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton Verhandlungen in Camp David und Taba, um eine endgültige Friedenslösung zu erreichen. Es kam aber keine Einigung zustande. Die Gewalt der zweiten Intifada führte schließlich zu einem tiefen Misstrauen auf beiden Seiten. Ernsthafte Friedensverhandlungen gab es seitdem nur noch 2008 unter Israels Regierungschef Ehud Olmert.
Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete im März 2002 die UN-Resolution 1397, in der er erstmals einen palästinensischen Staat erwähnt. Die Rede ist von der "Vision einer Region, in der zwei Staaten, Israel und Palästina, Seite an Seite innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen existieren".
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas beantragte 2011 die UN-Vollmitgliedschaft für die Autonomiegebiete. Dies scheiterte an der ablehnenden Haltung der USA. Doch 2012 wurde erstmals die palästinensische Flagge am UN-Hauptquartier gehisst: Die UN-Vollversammlung verlieh den Palästinensern den offiziellen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen.
2014 wurde Schweden der erste europäische Staat, der als EU-Mitglied einen Palästinenserstaat anerkannte. Bulgarien, Zypern, Tschechien, Ungarn, Polen und Rumänien hatten dies allerdings bereits vor ihrem EU-Beitritt getan. Die USA legten im April 2024 im UN-Sicherheitsrat erneut ihr Veto gegen eine UN-Vollmitgliedschaft der Palästinenser ein. Einen Monat später stimmte dann die UN-Vollversammlung mit großer Mehrheit für zusätzliche Rechte der Palästinenser bei den Vereinten Nationen. Norwegen, Spanien und Irland kündigten wenig später die Anerkennung eines Palästinenserstaats an.
Bis zum Wochenende hatten bereits mehr als 140 Länder einen palästinensischen Staat anerkannt, am Sonntag nun folgten Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal. Frankreich plant die Anerkennung für Montag, nach Angaben aus Paris denken auch Andorra, Belgien, Luxemburg, Malta und San Marino über diesen Schritt nach. Deutschland plädiert dagegen nach wie vor für eine verhandelte Zweistaatenlösung und will einen Palästinenserstaat erst anerkennen, wenn auch Israel dazu bereit ist.
Quelle: AFP
"Für Deutschland steht die Anerkennung eines palästinensischen Staats eher am Ende des Prozesses", betonte Außenminister Johann Wadephul zwar vor dem Abflug zur UN-Generaldebatte nach New York. Allerdings verlangt der CDU-Politiker den Start eines Zweistaaten-Prozesses mit den Palästinensern:
Ein solcher Prozess muss jetzt beginnen.
Außenminister Johann Wadephul
Eine "verhandelte Zweistaatenlösung" sei "der Weg, der Israelis wie Palästinensern ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde ermöglichen" könne, sagte Wadephul weiter.
Deutschland weist die Anerkennung eines Palästinenserstaates derzeit zurück. Eine Zwei-Staaten-Lösung müsse am Ende eines Friedensprozesses stehen, so Außenminister Wadephul.
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