Analyse zum Krieg in Ostukraine:Was der Kampf um Donezk für die Ukraine bedeutet
Die Region Donezk ist seit Jahren Brennpunkt des Kriegs - sie zeigt, wie sehr der Konflikt das Land verändert. Warum ist gerade dieser Teil der Ukraine so umkämpft?
Wohnhaus nach einem russischen Luftangriff in Kostjantyniwka in der ukrainischen Region Donezk (Archivfoto)
Quelle: dpaDie 33-jährige Soldatin in einem Bunker in der Ostukraine bittet ihren Kameraden, eine Aufklärungsdrohne über ihr Elternhaus zu fliegen. Sie hofft, es noch einmal sehen zu können, bevor die ganze Stadt - wie so manche andere in der Gegend - nach Jahren von Kämpfen zu einer Trümmerhalde geworden ist.
Die Frau griff vor einem Jahrzehnt zu den Waffen, um ihre Heimatregion Donezk zu verteidigen, in der Ukrainer seit 2014 mit russisch unterstützten Kräften konfrontiert sind. Seit die Russen 2022 ihre Großinvasion in die Ukraine starteten, ist dieses Gebiet zu einem Synonym für den Überlebenskampf des Landes geworden. In den mehr als zehn Jahren des Konfliktes hat die Ukraine die Kontrolle über etwa 70 Prozent der Region verloren.
Russland hat die Ukraine erneut mit hunderten Drohnen und Raketen angegriffen. Mindestens fünf Menschen starben, landesweit gab es Luftalarm. Eine Reportage von Dara Hassanzadeh.
05.10.2025 | 1:30 minFast ein Viertel aller Geflüchteten stammt aus der Region
Vor 2014 war die Region Donezk mit ihren mehr als vier Millionen Einwohnern eines der am dichtesten bevölkerten Gebiete der Ukraine und ein wichtiger industrieller, politischer und wirtschaftlicher Knotenpunkt. Aber sie wurde Hauptleidtragender der finanziellen Verluste, die das Land seit Beginn des russischen Angriffskrieges 2022 erlitten hat.
Die Kyiv School of Economics, eine private Hochschule in Kiew, errechnete im vergangenen Jahr, dass fast die Hälfte der umgerechnet 12,3 Milliarden Euro an bis dahin entstandenen Schäden für ukrainische Unternehmen auf diese Gegend entfielen.
Seit mehr als drei Jahren beherrschen russische Angriffe den Alltag von Kindern und Jugendlichen in der Ukraine. Ein UNESCO-Projekt schafft für einige nun eine Auszeit vom Krieg.
28.09.2025 | 1:42 minDie Einwohner dort machen zudem fast ein Viertel der innerhalb des Landes vertriebenen Bevölkerung aus, wie die Internationale Organisation für Migration berichtet. Und da ein großer Teil dieses einst mächtigen industriellen Kerngebietes der Ukraine in Ruinen liegt, ein aktives Schlachtfeld oder russisch besetzt ist, haben sie wenig Hoffnung, dass sie jemals zurückkehren können.
Beide Seiten wollen Erfolge vor dem Winter
Die Region ist der aktivste Abschnitt der 1.250 Kilometer langen Frontlinie, beide Seiten versuchen hier, Fortschritte zu erzielen, bevor der Winter beginnt und das Tempo der Kämpfe drosselt. Russland kontrolliert bereits den größten Teil des Donbass, zudem zwei südliche Regionen, die es vor drei Jahren illegal annektierte.
Russlands Präsident Putin hat vor einer "völlig neuen Eskalation" der Beziehungen zu den USA gewarnt. Dies könne bei einer Tomahawk-Lieferung an die Ukraine eintreffen.
03.10.2025 | 0:20 minKremlchef Wladimir Putin will, dass Kiew Russland den Rest des Donbass überlässt, was Analysten zufolge Moskau eine permanente Startrampe geben würde, von der aus es andere Teile der Ukraine bedrohen könnte. Da es um so viel geht, ist die Ukraine entschlossen, um jeden Preis Widerstand zu leisten, jeden Zentimeter des Terrains zu verteidigen, das es noch kontrolliert.
Kampf um Kontrolle - und um Verhandlungspositionen
Um in der Region Cherson Fortschritte zu machen, müssten die Russen den Fluss Dnipro überqueren, und im benachbarten Gebiet Saporischschja gibt es logistische Herausforderungen, weil das Land flach und offen ist, wie Taras Tschmut, ein Militäranalyst und Direktor der Come Back Alive Foundation sagt. Das ist eine Denkfabrik und Wohlfahrtsorganisation, die Geld für die Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte sammelt.
In der Ukraine sterben dreimal mehr Menschen als geboren werden. Seit Kriegsbeginn hat der Stress für Schwangere zugenommen, oft entscheiden sich Paare gegen Kinder.
30.09.2025 | 2:09 minDas russische Vorgehen in Sumy und Charkiw - Regionen im Nordosten, in denen Moskau einen Fuß in der Tür behalten hat - stuft der Experte nicht als ernsten Landraub ein, sondern hauptsächlich als einen Versuch, sich ein Faustpfand für etwaige künftige Verhandlungen zu sichern.
Nach Jahren der Kämpfe um die Kontrolle der Region fürchten Ukrainer, dass ihr Niedergang nicht nur den Verlust Tausender Menschen bedeutungslos machen, sondern das Land auch zur Instabilität verurteilen würde. Und wenige an der Front glauben, dass Russlands Ambitionen in Donezk enden würden. "Wenn wir drei weitere Jahre um 30 Kilometer kämpfen müssen", sagt Jurtschuk, "dann werden wir drei weitere Jahre um 30 Kilometer kämpfen."
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