Femizid in Italien: Grausamer Mord an 14-Jähriger kein Einzelfall
Femizid kein Einzelfall:Mord an 14-Jähriger erschüttert Italien
von Bernadette Bier, Rom
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Eine Jugendliche ermordet von ihrem Ex-Freund: Femizide wie dieser sind in Italien kein Einzelfall. Bald sollen Morde an Frauen in einem eigenen Straftatbestand geregelt werden.
Martina war 14, als sie von ihrem Ex-Freund ermordet wurde. Leider kein Einzelfall. Im Jahr 2024 wurden 113 Frauen in Italien getötet, 61 von ihnen durch den Partner oder Ex-Partner.24.06.2025 | 2:03 min
Martina Carbonaro ist 14 Jahre alt, als sie von ihrem Ex-Freund in der Nähe von Neapel ermordet wird. Erschlagen mit einem Stein, weil die Jugendliche sich von ihm getrennt hatte. Der Femizid an Martina vor wenigen Wochen hat Italien aufgewühlt, hat für einen Aufschrei im Land gesorgt. So sehr, dass auch Premierministerin Giorgia Meloni auf X von "blinder und besitzergreifender Gewalt gegen Frauen" schreibt und einen kulturellen und sozialen Wandel fordert.
Der Mord an Martina ist kein Einzelfall, sondern spiegelt ein tief verwurzeltes Problem: 2024 wurden im Land 113 Frauen getötet, über die Hälfte davon durch ihren Partner oder Ex-Partner.
Soziologin über Morde an Frauen: Motive ähnlich
"Martina ist wie all die anderen gestorben, als sie eine Beziehung beendete, die sie nicht mehr leben wollte, und als sie sich ihr Leben, ihre Freiheit zurückholen wollte", sagt die italienische Soziologin Lella Palladino, die selbst die feministische Organisation EVA betreibt, um Gewalt von Männern gegen Frauen in Italien zu bekämpfen.
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Italien plant Straftatbestand für Femizid
Femizide sind kein rein italienisches Problem, sondern ein Problem patriarchaler Strukturen. Doch Italien ist eines der ersten Länder, das Femizide als eigenen Straftatbestand einführen will. Zum internationalen Frauentag am 8. März hat die italienische Regierung öffentlichkeitswirksam einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Die Strafe auf Femizid soll demnach grundsätzlich lebenslang sein.
Als Femizid gilt eine Straftat laut Innenministerium dann, wenn der Tod einer Frau "aus Gründen der Diskriminierung, des Geschlechterhasses oder zur Behinderung der Ausübung ihrer Rechte und der Entfaltung ihrer Persönlichkeit" verursacht wird.
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Italienisches Parlament muss zustimmen
Zur endgültigen Verabschiedung des Gesetzes fehlt noch die Zustimmung des Parlaments. Kritiker beanstanden jedoch, dass dieser Gesetzesentwurf vor allem einen symbolischen Wert habe und lediglich als Aushängeschild diene. Die bisher bestehenden Gesetze ermöglichen demnach bereits die Anwendung der lebenslangen Freiheitsstrafe, auch auf Femizide.
Gewalt gegen Frauen: Expertin pocht auf Prävention
Die Soziologin Palladino bekräftigt als Lösungsansatz insbesondere die Prävention. "Man sollte frühzeitig in die Bildung auf allen Ebenen eingreifen, vom Kindergarten an, und unser Bildungs- und Ausbildungssystem überarbeiten", so die Expertin. Man müsse besonders versuchen, Geschlechterstereotypen zu überdenken.
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Das Motiv von Tätern sei immer ähnlich: Für die Männer gehe es um den Verlust von Macht und Kontrolle über das Leben der Partnerin, erklärt Palladino. Italien sei immer noch ein zutiefst männlich-chauvinistisches Land, so Palladino. Demnach erkennen Täter nicht an, dass Frauen selbst über ihr Leben bestimmen können.
Gewalt gegen Frauen, insbesondere durch (Ex-)Partner, ist in Italien - wie auch in Deutschland - keine Seltenheit. 21.464 Frauen wurden 2024 Opfer häuslicher Gewalt in Italien. Gesetzesverschärfungen wie der geplante Straftatbestand des Femizids setzen ein symbolisches Zeichen, doch langfristige Veränderungen erfordern laut Expertinnen und Experten Investitionen in einen kulturellen Wandel.
Einen Wandel, der in Klassenzimmern stattfindet, in Medien weitergeführt und in jedem familiären und politischen Raum ernst genommen werden müsse.
Quelle: dpa
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