Asyldebatte in Großbritannien:Eine britische Kleinstadt demonstriert gegen Asylbewerber
von Alexander Glodzinski
Bürger einer englischen Kleinstadt sind unzufrieden mit der Migrationspolitik und demonstrieren dagegen. Ein Beispiel, das zeigt, warum Rechtspopulisten immer stärker werden.
Die Regierung plant, Hunderte Asylsuchende in einem bisherigen Trainingscamp der Armee in der Kleinstadt Crowborough unterzubringen. Dagegen protestieren die Einwohner. Rechtsextreme Politiker nutzen die Stimmung.
28.11.2025 | 2:05 minEingewickelt in britische Fahnen marschieren rund 1.000 Menschen durch die engen Straßen im südenglischen Crowborough, darunter viele Familien mit Kindern. Auf ihren Plakaten steht "Stoppt diesen Wahnsinn" oder "Schützt unsere Familien".
Angeführt wird der Protest von 600 Männern in weißen T-Shirts. "Wir wollen zeigen, wie es wirkt, wenn 600 Einwanderer hier in der Stadt sein werden", erzählt David, der selbst in Crowborough lebt.
Die britische Innenministerin Mahmood kündigte an, die Hürden für eine Einbürgerung zu erhöhen und Abschiebungen zu erleichtern.
16.11.2025 | 0:23 minPläne für Aufnahmeeinrichtung in Crowborough
Aufgebrachte Bürger wollen verhindern, dass ein bisheriges Trainingscamp der britischen Armee am Stadtrand zu einem Heim für Asylbewerber wird. "Ich kann doch nicht die ganze Zeit auf meine kleinen Kinder und meine Frau aufpassen", sagt einer der T-Shirt-Träger. Seine Frau neben ihm hat Tränen in den Augen. Er ist sichtbar wütend und ärgert sich über die Pläne der Regierung.
Mitte Oktober haben die Menschen in Crowborough aus einem Zeitungsartikel erfahren, dass ihre Kleinstadt eines von zwei Pilotprojekten werden soll, Asylbewerber in Militäreinrichtungen unterzubringen - keine Vorabsprache, keine Debatte im Stadtrat.
Kim Bailey ist frustriert und hat deshalb die Gruppe "Crowborough Shield" gegründet. Seit Wochen organisiert sie die Proteste.
Die Regierung weiß gar nicht, was die Folgen in dieser Stadt sein werden.
Kim Bailey, Organisatorin der "Crowborough Shield"-Proteste
In London gingen im September mehr als 100.000 Menschen auf die Straße, um für eine schärfere Asylpolitik zu demonstrieren. Auch der Tod von US-Aktivist Charlie Kirk hatte mobilisiert.
13.09.2025 | 2:37 minBritische Regierung plant radikale Asylreform
Die Unzufriedenheit im Land wächst, während die Labour-Regierung versucht, mit schärferen Asylgesetzen zu punkten. Innenministerin Shabana Mahmood hat gerade ihre Pläne für eine radikale Reform der Einwanderungspolitik präsentiert.
Wer nicht bleiben darf, soll schneller abgeschoben werden. Staatliche Unterstützung soll auf ein Minimum reduziert werden. Dauerhafter Aufenthalt und Familiennachzug werden erschwert. Großbritannien setzt auf Abschreckung.
Die Zahl der Asylanträge ist derweil auf einem Rekordhoch. In den letzten zwölf Monaten bis September waren es 110.051, so viele wie noch nie. Rund 50.000 der Asylbewerber sind auf illegalen Wegen nach Großbritannien eingereist, 89 Prozent davon auf kleinen Booten über den Ärmelkanal, zeigen aktuelle Zahlen des Office for National Statistics.
Großbritanniens sozialdemokratische Regierung will die Asylgesetze drastisch verschärfen - als klares Signal der Abschreckung.
17.11.2025 | 2:10 minDie britische Regierung sucht seit Jahren Wege, die Grenzen besser zu schützen. Der Plan der Vorgängerregierung, Ausreisepflichtige nach Ruanda abzuschieben, ist vor dem Obersten Gerichtshof gescheitert. Ein bilaterales Abkommen mit Frankreich läuft nur schleppend an, auch wenn Schleuserboote auf der französischen Seite jetzt schärfer kontrolliert werden sollen.
Flüchtlingsorganisationen kritisieren Regierungspläne
Flüchtlingsorganisationen kritisieren die Reformpläne der Regierung scharf und warnen vor noch schlimmeren Folgen.
Diese Politik könnte den Aufstieg der rechten Parteien beschleunigen.
Seema Syeda, Vorsitzende des "Gemeinsamen Rates für das Wohlergehen von Einwanderern"
Die Vorurteile gegen Migranten würden dadurch nur verstärkt, sagt Seema Syeda, Vorsitzende des Gemeinsamen Rats für das Wohlergehen von Einwanderern.
Rechtspopulisten in Großbritannien reiben sich die Hände
Von der aufgeheizten Stimmung im Land profitiert vor allem der Rechtspopulist Nigel Farage mit seiner Partei Reform UK. Er liegt in Umfragen meilenweit vorn und setzt die Regierung von Premierminister Keir Starmer massiv unter Druck. In Crowborough zweifeln sie dran, dass sich durch die Reformpläne etwas ändern werde. "Sie müssen die Boote und die illegale Einwanderung stoppen", sagt Kim Bailey.
Christine und Phillip Straker wohnen direkt neben dem Trainingscamp der Armee. Beide sind im Ruhestand und Phillip sagt, er würde Flüchtlingen sofort helfen, wo er könnte. Aber 600 Männer direkt auf der anderen Seite seines Zauns bereiten ihm und seiner Frau Sorgen.
Ich habe Angst, mich alleine nicht mehr sicher zu fühlen.
Christine Straker, Anwohnerin
Nigel Farage stand schon auf dem Abstellgleis, war Gast im Dschungelcamp, ein politischer Außenseiter. Heute könnte Mr. Brexit sogar Regierungschef werden. Was ist passiert?
07.11.2025 | 14:59 minChristine verbringt viel Zeit im Garten. Sie hat ihr Gewächshaus und ihre Bienen direkt neben dem Zaun. "Wahrscheinlich sind die allermeisten in Ordnung", sagt Phillip, aber ohne Dokumente wisse ja niemand, wer sie wirklich sind. Phillip und seine Frau sind bislang bei allen Protestmärschen mitgelaufen.
Rechtsextreme haben sich Protest angeschlossen
In Crowborough wächst das Unbehagen. Schon jetzt ist zu sehen, wie immer radikalere Stimmen den Alltag durchdringen. In der sonst so ruhigen Kleinstadt hallen bei der Demonstration unwidersprochen Aufrufe zu Massendeportation durch die Straßen. Bekannte Rechtsextreme haben sich dem Marsch angeschlossen. Und zum Abschluss des Protests wird von rechten Politikern offen gegen Einwanderung und den Islam gehetzt.
Alexander Glodzinski berichtet aus dem ZDF-Studio London.
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