Rechtspopulismus in Großbritannien: Farage spaltet den Parteitag

Fehlende Antwort auf Populismus:Großbritannien: Wer stoppt Farage?

ZDF-Korrespondent Wolf-Christian Ulrich
von Wolf-Christian Ulrich, London
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Es ist die Frage in der Parteitags-Saison: Wie kontert man Rechtspopulist Nigel Farage, der mit seinem Anti-Ausländer-Kurs die Umfragen anführt. Anbiedern, nacheifern oder kontern?

Nigel Farage steht hinter einem Rednerpult.

Gibt auf Parteitagen den Ton an: Nigel Farage

Quelle: AFP

Der Parteitag der Liberaldemokraten hätte wirklich spannend werden können. Schafft es Parteichef Ed Davey, genervten Briten aus der politischen Mitte eine Alternative zu den schrillen Rechtspopulisten, den zerstrittenen Konservativen und der chaotisch organisierten Labour Partei zu bieten? Und kann er dem geschickten Rechtspopulisten Nigel Farage kontern?

 Der Vorsitzende von Reform UK, Nigel Farage, gestikuliert während seiner Rede am ersten Tag der Jahreskonferenz von Reform UK in Birmingham, Großbritannien.

Die britische Partei "Reform UK" bekommt in Großbritannien immer mehr Zuwachs. Auf dem Parteitag wird deutlich, ihr Anführer, Nigel Farage, strebt nach der Macht.

06.09.2025 | 2:02 min

Die sozialliberalen Lib Dems profitierten 2024 vom Zusammenbruch der Konservativen: Mit einem optimistischen Wahlkampf, der sich auf lokale Sachpolitik konzentrierte, gewannen sie viele Sitze hinzu und wurden drittstärkste Kraft im Unterhaus. Sie sind die einzige Partei, die offen für eine enge Partnerschaft mit der EU wirbt.

Verspielen die Lib Dems ihre Chance?

Auf diese Strategie müsse die Partei aufbauen, so Parteichef Ed Davey: Vom Vertrauensverlust in Tories und Labour profitieren und so vielleicht zur Regierungspartei zu werden.

Protestierende auf Trafalgar Square in London

Zehntausende Wutbriten demonstrierten in London gegen Migration. Die ehemalige Brexit-Partei „Reform UK“ von Nigel Farage befeuert die Debatte nach dem Vorbild von Donald Trump.

17.09.2025 | 6:23 min

Davey hatte genau jetzt die Chance, den Briten ein Aktionsprogramm für das Vereinigte Königreich zu präsentieren und die anderen damit vor sich herzutreiben. Doch das tat er nicht. Stattdessen arbeitete er sich an Nigel Farage ab. Etwa an dessen Statement von 2014: "Ich finde das Verbot von Handfeuerwaffen lächerlich." Und: "Farages Brexit habe Großbritannien zerstört."

Lasst Trumps Amerika nicht zu Farages Großbritannien werden!

Ed Davey, Parteichef Liberaldemokraten

Farage sei der verlängerte Arm der MAGA-Bewegung, rief Davey. "Lasst Trumps Amerika nicht zu Farages Großbritannien werden!", wiederholte er immer wieder. Mit diesem Angriff versucht er, die politische Mitte hinter sich zu versammeln.

Farage bestimmt immer wieder den Diskurs

Farage selbst, dessen großes Mobilisierungsthema ist, so viele Ausländer wie möglich aus dem Land zu schaffen, hatte den Beginn der Parteitagssaison mit der Forderung überschattet, Zugewanderten sämtliche Sozialleistungen zu streichen, und allen Ausländern nach fünf Jahren die Möglichkeit einer unbegrenzten Aufenthaltsgenehmigung zu nehmen - auf dass sie sich neu um ein Visum bewerben müssten. Also auch die gut integrierte Pflegekraft, der Facharbeiter, der Universitätsprofessor.

APTOPIX Britain Protest

In London sind mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gegangen, um für eine schärfere Asylpolitik zu demonstrieren. Auch der Tod von US-Aktivist Charlie Kirk hatte mobilisiert.

13.09.2025 | 2:37 min

Aber Farage sucht eher grelle Schlagzeilen als schlüssige Gesetzesvorhaben. Und Schlagzeilen bekam er.

Der Fluch der Aufmerksamkeitsökonomie

"Die Lib Dems erkennen, dass sich die Art Politik zu machen, sehr schnell ändert," meint der BBC-Politik-Reporter Chris Mason. Ed Davey beschwerte sich in der Tat darüber, dass die Lib Dems zu wenig in der Presse vorkämen, während Farage und seine Slogans in den Nachrichten hoch und runter liefen. Doch auch Davey entschied sich dafür, den Großteil seiner Rede auf Farage zu verwenden.

Davey weiß, dass er in der Aufmerksamkeitsökonomie mit seinen Farage-Angriffen punkten kann. Sein Kalkül: So im britischen Mehrheitswahlsystem als Nummer drei Wahlchancen zu haben. Doch wer wissen wollte, wie die Lib Dems etwa die finanzielle Malaise in Großbritannien lösen wollen, erfuhr nichts.

"Es fehlten Argumente dafür, was die Liberaldemokraten in der Wirtschafts-, der Sozial- und der Migrationspolitik wollen," konstatierte Politik-Korrespondent Sam Coates von Sky. Und seine Kollegin Anne McElvoy von Politico fragt, warum sich ausgerechnet die Liberalen nicht dem Thema Meinungsfreiheit angenommen hätten: "Warum sollte sich nur rechts-außen die Meinungsfreiheit auf die Fahne schreiben, wenn es doch in der DNA der Liberalen ist?"

Europaweit suchen Parteien der politische Mitte einen Umgang mit dem Populismus von links und rechts. Die Lib Dems boten auf ihrem Parteitag darauf keine Antwort - und haben damit eine große Chance für ihre Partei vertan.

Wolf-Christian Ulrich ist ZDF-Korrespondent für das Vereinigte Königreich und Irland

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