Migrationspolitik: Französisch-britisches Abkommen ist umstritten

Migration in England und Frankreich:Wie läuft das Abschiebe-Abkommen am Ärmelkanal?

Lukas Nickel
von Lukas Nickel, Paris
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Frankreich und Großbritannien starten gemeinsame Migranten-Rückführungen. Das Vorgehen bleibt umstritten. Abschreckung spüren Hilfsorganisationen bisher nicht.

Ein kleines Boot mit mutmaßlichen Migranten an Bord.

Die Überfahrt von Frankreich nach Großbritannien ist gefährlich. Mit einem Abkommen sollen Migranten am Ärmelkanal abgeschreckt werden.

Quelle: dpa

Wirklich viel wollen weder das französische noch das britische Innenministerium verraten: Am Samstag werden die ersten Migranten von Frankreich nach Großbritannien geschickt, heißt es. In die andere Richtung wurde am Donnerstag der erste Migrant nach Frankreich gebracht.

Anfang Juli haben Frankreich und Großbritannien eine neue Vereinbarung beschlossen. Sie soll die steigende Anzahl an Flüchtlingen reduzieren, die von Nordfrankreich aus über den Ärmelkanal mit Booten nach England kommen.

Migranten besteigen das Schlauchboot eines Schmugglers und versuchen, den Ärmelkanal zu überqueren

Führt Großbritannien einen irregulär eingereisten Migranten nach Frankreich zurück, nehmen sie dafür einen anderen auf, der sich zuvor online beworben und Familie im Königreich hat.

21.08.2025 | 3:01 min

Das Prinzip: einer rein, einer raus

Mehr als 30.000 Personen haben so dieses Jahr die englische Küste erreicht. Das geht aus Zahlen der britischen Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf das Innenministerium in London hervor.

Das Abkommen funktioniert nach dem Prinzip "einer rein, einer raus": Großbritannien schickt einen Migranten nach Frankreich, der über den Ärmelkanal gekommen ist. Im Gegenzug sendet Frankreich dafür einen Migranten nach Großbritannien, welches diesen nach Prüfung einreisen lässt. So soll von der gefährlichen Überreise per Boot abgeschreckt und gleichzeitig ein legaler Weg der Einreise geschaffen werden.

Von einer "neuen Seite" in den französisch-britischen Beziehungen sprach der französische Präsident Emmanuel Macron bei der Unterzeichnung. Auch der britische Premierminister Keir Starmer fand große Worte und sprach von einem "bahnbrechenden" Deal.

Der britische Premierminister Sir Keir Starmer (l) und der französische Präsident Emmanuel Macron schütteln sich die Hände beim Staatsbesuch Macrons im Vereinigten Königreich.

Großbritannien und Frankreich haben das Migrationsabkommen im Juli geschlossen.

11.07.2025 | 0:25 min

Forscher: Einigung ist "Marketing-Coup"

Die französischen Behörden betonen, dass es sich bisher nur um eine Pilotphase handele, die im Juni 2026 enden soll. Zunächst einmal werden also wenige Migranten betroffen sein, schätzt Migrationsforscher Thomas Lacroix von der Pariser Universität Sciences Po.

Damit stelle das Ganze bisher vor allem einen "Marketing-Coup" dar, bei dem es noch einige Fragen gebe. Etwa die Anzahl der so hin- und hergeschickten Menschen und auch, was genau mit den Migranten auf beiden Seiten des Kanals danach genau passiere. Ein weiteres Problem, so der Forscher:

Es gibt keine Gesamtvision.

Thomas Lacroix, Migrationsforscher

Andere europäische Partner etwa seien an der Vereinbarung nicht beteiligt gewesen, obwohl diese potenziell Auswirkungen auf sie haben könnte, etwa wenn Frankreich sich auf Dublin-Regelungen bei der Rückführung von Migranten berufe.

APTOPIX Britain Protest

In London sind mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gegangen, um für eine schärfere Asylpolitik zu demonstrieren. Auch der Tod von US-Aktivist Charlie Kirk hatte mobilisiert.

13.09.2025 | 2:37 min

Bisher keine Abschreckungswirkung festzustellen

Der Traum, nach Großbritannien zu kommen, soll für Flüchtende nunmehr über ein Online-Formular abgewickelt werden. Dieses muss noch in Frankreich ausgefüllt werden. Darin müssen Fragen zum Alter, Herkunftsland und zum gültigen Passdokument beantwortet werden. Danach wollen sich die britischen Behörden per Mail melden.

Hilfsorganisationen kritisieren das. Denn das Formular sei schwierig zu nutzen für Migranten, die nicht immer Zugang zu Strom und Internet haben. Mittlerweile wüssten viele von ihnen zwar, dass es so ein Formular gebe. Bislang sei aber keine Abschreckungswirkung festzustellen. "Sie versuchen trotzdem die Überfahrt per Boot", berichtet Brigitte Duhen Rybczynski, die sich bei der Hilfsorganisation Opal'Exil engagiert. Der Verein kümmert sich nachts um Migranten, die in Frankreich an der Überfahrt gehindert wurden und am Strand zurückgeblieben sind.

Und diese Überfahrt ist sehr gefährlich. Trotzdem wagen sie je nach Wetterlage, mehrere Hundert Menschen pro Nacht auf Boote. Auch wenn die französischen Behörden versuchen, sie daran zu hindern, erklärt Rybczynski. Bisher bleibt von dem Abkommen damit vor allem eines hängen: Unsicherheit, wie es weitergeht.

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