Thema Integration bei "Lanz":Altenburgs OB: "Müssen das System reformieren"
Altenburgs Oberbürgermeister André Neumann fordert für die Kommunen die "Aufgabe der Integration". Mit Blick auf Kriminalität spricht Boris Palmer "zwei unbequeme Wahrheiten" aus.
Altenburgs Oberbürgermeister André Neumann bei "Lanz"
Quelle: ZDF/Markus Hertrich"Dein Nachbar, der Ukrainer zum Beispiel (...), hat sich eingerichtet (...) und ich als Nachbar steige früh in mein Auto, fahre weg, gehe arbeiten und habe einen Teil meiner hohen Abzugsbelastungen, dass er dort zu Hause bleiben kann" - Altenburgs Oberbürgermeister André Neumann (CDU) verdeutlichte am Mittwochabend bei "Lanz" ein Dilemma deutscher Integrationspolitik.
Flüchtlinge aus der Ukraine waren infolge des russischen Angriffskrieges nicht als Asylbewerber, sondern über die Massenzustrom-Richtlinie nach Deutschland gekommen - mit dem Ziel, ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt umgehend zu ermöglichen. Gelingt ihnen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht, haben ukrainische Flüchtlinge Anspruch auf Bürgergeld. Neumann berichtete aus Altenburg in Thüringen:
Ich habe bei uns im Landkreis [über] 3.000 Ukrainer, wovon 182 einer Erwerbstätigkeit nachgehen, nach drei Jahren. Und das versteht niemand.
André Neumann (CDU), Oberbürgermeister in Altenburg
Das sei am Anfang "kein Problem" gewesen, weil die Menschen "in ihrer Hilfsbereitschaft weit, weit mitgehen, aber wir sind jetzt bei drei Jahren".
Geflüchtete aus der Ukraine sollen in Deutschland nur noch Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz erhalten – so will es Ministerpräsident Söder. Das könnte die Integration in den Arbeitsmarkt erschweren.
05.08.2025 | 1:08 minAm ersten Tag arbeiten?
An diesem Punkt stellt sich die Frage des sozialen Friedens. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sagte bei "Lanz": "Das regt die Leute auf und völlig zu Recht. Und deswegen sind sie keine Rassisten oder Nazis." Die Erwerbsquote der Ukrainer sei in Deutschland "immer noch sehr gering" und im europäischen Vergleich "am schlechtesten":
Wir Deutschen schaffen es am wenigsten, die Leute in den Arbeitsmarkt zu bringen. Das hat Gründe in der Bürokratie. Wir stellen zu hohe Anforderungen. Die Papiere müssen stimmen.
Boris Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen
Palmer schlug vor: "Am ersten Tag arbeiten lassen ist die beste Lösung (...) - Integration beim Geschäft, nicht beim Warten auf Bürgergeld." Zwei Erhöhungsschritte des Bürgergeldes, "die innerhalb von nur 14 Monaten ein Viertel mehr bedeutet haben, die jetzt wieder durch Nullrunden zurückgeführt werden müssen", seien ein "schwerer politischer Fehler" gewesen.
Den in der Diskussion stehenden Bürgergeld-Status der Ukrainer habe man im Koalitionsvertrag "klar festgelegt". Verträge müssten "eingehalten werden", so Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte, SPD.
05.08.2025 | 5:37 minPalmer: Deutschland ist nicht unsicherer
Doch die "kritischste Frage" der Integrations- und Migrationspolitik sei die der Kriminalität, so Palmer. Sie sei der "Treibsatz, der die AfD so weit nach oben gebracht hat". Man müsse "zwei unbequeme Wahrheiten" in unserer Gesellschaft "allmählich mal aussprechen":
"Die eine ist unbequem für die AfD: Wir haben heute ein Viertel weniger Tötungsdelikte als noch im Jahr 2000." Die "gleiche amtliche Statistik, die die AfD gewöhnlich heranzieht, um zu beweisen, dass unser Land im Kriminalitäts- und Gewaltchaos versinkt", sage: "Unser Land ist nicht unsicherer geworden."
Palmer: Überrepräsentation von Gewalt bei Geflüchteten
Die zweite unbequeme Wahrheit laute: "Aufgrund ihrer Geschichte, ihrer Disposition, der Kombination verschiedener Risikofaktoren (...), war es von Anfang an klar, dass wir bei der Zusammensetzung der Geflüchteten ein starkes Überrepräsentationsproblem mit Gewalt bekommen werden." Palmer sagte:
Wir haben heute zehn Mal mehr Straftaten im Gewaltbereich, die Syrer, Iraker und Afghanen begehen, als ihrem Bevölkerungsanteil angemessen ist.
Boris Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen
Diese "Doppelbotschaft" müsse die deutsche Politik "endlich mal angehen": "Wir haben viel zu viel Gewalt von Menschen, die zu uns gekommen sind, um Schutz zu suchen."
Tübingens Oberbürgermeister appellierte: "Wir dürfen nicht zulassen, dass das Thema überbetont wird, aber wir dürfen auch nicht mehr zulassen, dass es weggekehrt und verharmlost wird."
Seit 2015 hat Andreas Tölke mehr als 400 Geflüchteten ein Dach über dem Kopf geboten. Er gründete den Verein "Be an Angel e.V.", der Menschen mit Fluchterfahrung unterstützt.
29.08.2025 | 9:22 minNeumann fordert "freies Geld" für Kommunen
Auch Zuständigkeitsregelungen erschweren die Integration. André Neumann forderte daher: "Wir [Kommunen] bräuchten die Aufgabe der Integration." Die Verantwortung für Integrationsmaßnahmen liegt momentan beim Bund. Altenburgs Oberbürgermeister ging noch weiter:
Wir müssen tatsächlich das System reformieren (...) und die Dinge alleinverantwortlich dort ansiedeln, wo sie hingehören.
André Neumann (CDU), Oberbürgermeister in Altenburg
Neumann will "freies Geld" für Kommunen - frei von Bundesrichtlinien: "Der Stadtrat ist vor Ort die stattfindende Demokratie, die Gesellschaft und die handelt in unseren Kommunen nach Zwang und Richtlinie und nicht nach dem, wo es wehtut."
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