Geflüchtete in Arbeit:Wenn Integration in der Backstube scheitert
Andreas Bauerfeind im sächsischen Hohndorf wollte - wie so viele - helfen und in seiner Bäckerei Migranten ausbilden. Er hat damit gemischte Erfahrungen gemacht.
Sind die bürokratischen Hürden zu hoch? Welche Erfahrungen haben Geflüchtete wie Ali Gholami und Arbeitgeber wie Bäckermeister Andreas Bauerfeind gemacht?
22.08.2025 | 15:15 minAndreas Bauerfeind ist mit Leib und Seele Bäckermeister. Vor ein paar Jahren hat er die Bäckerei in Hohndorf in Sachsen seinem Sohn übergeben, mit allen Mitarbeitern, unter denen auch zwei vietnamesische Landsleute sind, die er ausgebildet hat und mit denen er sehr zufrieden ist.
Auch Mamadu aus Guinea und Mohammed aus Syrien waren bei ihm und wollten das Bäckerhandwerk lernen, aber es gab große Probleme. "Nochmal würde ich das nicht machen", so Bauerfeind.
Meine Mitarbeiter und ich haben so viel Zeit, Energie und Geld in sie investiert, und geblieben sind sie nicht.
Andreas Bauerfeind, Bäckermeister
Handwerk gut, Sprachkurse Mangelware
2019 kam ein Mitarbeiter aus dem hiesigen Asylbeweberheim zu Andreas Bauerfeind und fragte ihn, ob er Mamadu aus Guinea eine Chance geben würde. Dem würde die Bäcker-Ausbildung gefallen, er wolle bleiben.
Bauerfeind hatte ihm auch schon eine Wohnung organisiert und eingerichtet. Größtes Problem: Er sprach kaum Deutsch. Es gab aber auch keine Deutschkurse; die organisierte der Bäckermeister mit viel Aufwand selbst. Denn seine Mitarbeiter könnten das nicht alles leisten, kämen nicht mehr zu ihrer eigentlichen Arbeit.
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Auch die vielen Amtswege haben sie mit ihm erledigt und sich schon da mehr staatliche Unterstützung gewünscht. Erster Ärger kam während des Ramadan auf.
Da Mamadu wenig aß und trank in dieser Zeit, sei er in der Backstube kaum leistungsfähig gewesen. Das führte zu Ärger unter den Kollegen und war für den Bäckermeister anstrengend zu klären. Aber auch das hätten sie hinbekommen, wie auch alle Amtswege und Bescheide, die Mamadu brauchte.
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Ausreiseaufforderung trotz Ausbildungsplatz
"Und als wir endlich alles im Kasten hatten, kam er weinend aus der Schule und zeigte mir einen Brief. Er sollte ausreisen. Das geht doch so nicht! Ich bin bis zum Landrat gegangen", so Bauerfeind, "aber nichts ist passiert".
Eines Morgens war Mamadu verschwunden. Dave Schmidtke vom sächsischen Flüchtlingsrat erklärt dazu: "Leider schützt Arbeit nicht vor Abschiebung. Werden keine Anträge auf Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung gestellt, können Geflüchtete ohne gesicherten Aufenthaltsstatus jederzeit abgeschoben werden."
Viele schimpfen, dass die Ausländer nicht arbeiten wollen, aber wenn keiner bereit ist, einen anzustellen, brauchen sie auch nicht zu schimpfen.
Andreas Bauerfeind, Bäckermeister
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2021 bekam Bäcker Bauerfeind die nächste Anfrage: Der Betreuer von Mohammed aus Syrien bat um Arbeit für ihn, der Bäcker hatte schon eine Stelle für ihn im Auge.
Eine Mitarbeiterin stand kurz vor der Rente, sie sollte Mohammed anlernen. Doch das ging total schief. "Das Problem war: Da, wo er herkommt, haben Frauen nichts zu sagen. Und so hat er einfach alle Anweisungen seiner Chefin ignoriert."
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14.08.2025 | 1:52 minDer Bäckermeister suchte für ihn einen neuen Job, er sollte Backwaren ausfahren. Doch da gingen die Probleme weiter:
Er kam ewig nicht wieder, da er immer nach Hause zu seiner Frau und den vier Kindern fuhr.
Andreas Bauerfeind, Bäckermeister
Auch Angebote zum Deutschlernen habe er nicht angenommen und sich auch sonst nicht an die Regeln und Arbeitszeiten gehalten, so dass in diesem Fall für Bauerfeind die Kündigung unausweichlich gewesen sei.
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22.08.2025 | 15:12 minDie Reaktion des Syrers darauf machte den Bäckermeister fassungslos: "Da hat er sich gefreut, als wenn er im Lotto gewonnen hätte. Wahrscheinlich konnte er auf dem Amt nachweisen, dass er einen Job hatte." Auch Mohammed hat Hohndorf inzwischen verlassen.
Flüchtlingsrat: Mehrheit will - es braucht Geduld
Solche Vorfälle kämen vor, seien aber nicht die Regel, sagt Osman Oguz vom Flüchtlingsrat Sachsen dazu: "Natürlich kommt es vor, dass Arbeitsverhältnisse nicht funktionieren - wie bei allen Beschäftigten auch." Das seien jedoch Ausnahmen.
"Unsere Erfahrung zeigt: Die große Mehrheit der Geflüchteten möchte arbeiten, sich einbringen und ist für Betriebe eine wertvolle Unterstützung. Entscheidend ist, dass Integration nicht automatisch gelingt, sondern Begleitung, Geduld und gegenseitiges Lernen erfordert", so Oguz.
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Den Satz "Wir schaffen das" mag Bäcker Bauerfeind nicht mehr hören. "Wer ist denn 'wir'? Man kann sich doch als Politiker nicht hinstellen, diesen Satz sagen und sich dann kaum drum kümmern. Wir haben uns wirklich bemüht, aber man muss auch arbeiten wollen. Und von staatlicher Seite hatten wir kaum Unterstützung."
Bei zwei Geflüchteten, so Bauerfeind, habe er also keine guten Erfahrungen gemacht. Nichtsdestotrotz hat er gerade wieder einen ausländischen Lehrling eingestellt.
Steffi Moritz-Möller ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Sachsen.
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