Ukraine-Krieg: Wie Russland seine Angriffe verstärkt
Analyse
Frühjahrsoffensive in der Ukraine:Wie Russland seine Angriffe verstärkt
von Christian Mölling und András Rácz
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Ist Russlands neue Offensive in der Ukraine bereits in vollem Gange? Verstärkte Angriffe und erhöhte Verluste deuten darauf hin. Doch Geländegewinne gibt es bisher kaum.
Auch in Charkiw kam es jüngst wieder zu einem russischen Drohnenangriff.
Quelle: AFP
Die Anzeichen für eine bereits begonnene russische Frühjahrsoffensive mehren sich. Die Zahl der täglichen Gefechte an der ukrainischen Front ist merklich angestiegen. Gleichzeitig intensivieren sich die russischen Artillerie- und Luftangriffe auf Städte nahe der Frontlinie.
Diese Faktoren sprechen für den Beginn einer neuen Phase in Russlands Angriffskrieg:
Russland startet wieder größere Angriffe
Russland hat wieder mit groß angelegten mechanisierten Angriffen begonnen. Die Wetterlage ist bereits günstig: Der Boden ist trocken und die Niederschläge waren minimal. Mehrere Abschnitte der Frontlinie wurden von schweren Panzerkolonnen angegriffen, die sich sowohl aus Panzern als auch aus Schützenpanzern und gepanzerten Mannschaftstransportwagen zusammensetzten.
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Soweit aus öffentlich zugänglichen Quellen rekonstruiert werden kann, hat die Ukraine alle diese Versuche durch den geschickt kombinierten Einsatz von Drohnen und Artillerieangriffen abgewehrt.
Der Höhepunkt dieser Angriffe war der 18. April: An diesem Tag verlor Russland insgesamt 501 Landkriegssysteme (vom Panzer bis zum gepanzerten Fahrzeug). Alle Verluste konnten visuell bestätigt werden. Der Wochendurchschnitt lag in jener Woche bei etwa 300.
Quelle: DGAP
... ist Senior Advisor beim European Policy Centre. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Höhere russische Verluste beim Personal
Der 18. April markierte auch einen Höhepunkt bei den bestätigten Personalverlusten: Russland hat mehr als 1.500 Soldaten verloren, was deutlich über dem 7-Tage-Durchschnitt von 1.250 liegt - letzterer ist im groben Durchschnitt seit Ende März weitgehend gleich geblieben.
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Anzahl der Gefechte steigt
Ein weiterer Indikator ist, dass die Zahl der täglichen Gefechte ebenfalls zugenommen hat. Auch die täglichen russischen Verluste, wie vom ukrainischen Generalstab gemeldet, sind erneut gestiegen.
Der 17. und 18. April markierten auch den Höhepunkt der russischen Artillerie- und Raketenartillerie-Angriffe. Seitdem sind die Angriffe in den letzten Tagen zurückgegangen, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die Landstreitkräfte sich neu formieren müssen. Deshalb schränkt die Artillerie dann ihre Schläge zur Nahunterstützung ein.
Ein weiterer möglicher, langfristiger Grund sind die sehr effizienten ukrainischen Gegenangriffe auf russische Artillerie. Seit Ende März gab es sieben Tage, an denen die Ukraine mehr als 80 (!) russische Artilleriesysteme zerstörte. Diese sind visuell bestätigt. Der bisherige Höhepunkt war der 28. März mit 122 zerstörten Systemen.
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Verschärfung des Luftkrieges
Eine spürbare Verschärfung ist auch im Luftkrieg zu beobachten. Russland setzte seine konzentrierten Raketen- und Drohnenangriffe auf ukrainische Städte fort, die relativ nahe an der Frontlinie liegen. Aufgrund der Bedrohung durch russische Langstreckenraketen kann Kiew kaum Kampfjets zur Luftverteidigung einsetzen.
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Offensive und Verhandlungen
Die Intensivierung der Kämpfe in Richtung einer neuen Offensive weist auch darauf hin, dass Russland noch nicht einmal zu einem Waffenstillstand, geschweige denn, Friedensverhandlungen bereit ist.
Gleichzeitig bleiben die russischen Erfolge bislang aus: Während die Kämpfe immer intensiver werden, sind die russischen Gebietsgewinne trotz der extremen Verluste minimal.
Lediglich in der Region Torezk konnten sie mit der Einnahme von Sukha Balka und Valentynivka sowie in Richtung Swatowe-Kreminna mit der Einnahme des Ruinendorfes Nove nennenswerte Fortschritte erzielen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.