Krise in Frankreich:Premier Lecornu will Rentenreform aussetzen
Kaum zurück im Amt steht Frankreichs Premier Lecornu vor heiklen Aufgaben: Reformen und Finanzen sind die größten Baustellen. Jetzt kündigte er an, die Rentenreform auszusetzen.
Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu spricht in der Nationalversammlung in Paris.
Quelle: AFPFrankreichs Premierminister Sébastien Lecornu hat das Aussetzen der seit 2023 geltenden Rentenreform vorgeschlagen. "Bis zum Januar 2028 soll das Rentenalter nicht weiter hinaufgesetzt werden", sagte Lecornu in seiner Regierungserklärung am Dienstag in Paris. Damit entspricht er einer zentralen Forderung der Sozialisten, von denen das politische Überleben der Regierung abhängt.
Sozialisten wollen Misstrauensantrag zunächst nicht unterstützen
In seiner Rede vor dem Parlament erklärte der Regierungschef am Dienstag, die Reform solle bis zu Präsidentschaftswahlen im Jahr 2027 auf Eis gelegt werden. Der Premier hofft, genügend Abgeordnete aus dem Lager der Sozialisten für sich gewinnen zu können, um eine Niederlage bei einem drohenden Misstrauensvotum abzuwenden. Die Sozialisten hatten von Lecornu gefordert, sich dazu zu verpflichten, die Reform auszusetzen.
Präsident Macron hat Lecornu wieder zum Premierminister ernannt. Bei wichtigen Schlüssel-Positionen hielt Premierminister Lecornu an bisherigen Kandidaten fest.
13.10.2025 | 0:23 minDie in Aussicht gestellte Aussetzung der Rentenreform sei ein "Sieg" und ein "Schritt in die richtige Richtung", sagte der sozialistische Fraktionschef Boris Vallaud am Dienstag in Paris. Seine Partei werde sich auf die Debatte in der Nationalversammlung einlassen, betonte er und schloss damit zunächst aus, einen der bereits eingereichten Misstrauensanträge zu unterstützen. "Wir sind in der Lage, eine Regierung zu stürzen, das haben wir schon zweimal getan", sagte Vallaud.
Nun aber liege es im Interesse des Landes, "eine Wette einzugehen", fügte er mit Blick auf die Debatte über den Haushalt hinzu. Vallaud begrüßte, dass der Haushaltsentwurf eine höhere Besteuerung von Wohlhabenden umfasse, forderte aber zusätzliche Anstrengungen.
Sébastien Lecornu ist der alte und neue französische Premierminister. Was hinter der erneuten Ernennung durch Präsident Macron steckt, erklärt ZDF-Korrespondentin Anna Warsberg.
11.10.2025 | 1:10 minPräsident Emmanuel Macron hatte die Rentenreform 2023 ohne Abstimmung im Parlament mit einem verfassungsrechtlichen Kniff durchgesetzt. Eine der umstrittensten Änderungen war die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Sollte Lecornu diese Woche stürzen, hätte Macron nach Ansicht vieler Experten kaum mehr eine andere Wahl, als das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen.
Erste Kabinettssitzung in Paris
Frankreichs neue Regierung war am Dienstag zu ihrer ersten Kabinettssitzung zusammengekommen. Dabei wollte Premier Lecornu den Haushalt für das finanziell angeschlagene Land auf den Weg bringen. Die Zeit drängt: Werden Fristen nicht eingehalten, könnte Frankreich am Jahresende ohne verabschiedeten Haushalt dastehen und dadurch unter zusätzlichen wirtschaftlichen Druck geraten.
Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die Europäische Union hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet. Im Streit um einen Sparhaushalt scheiterte schon Lecornus Vorgänger François Bayrou. Er verlor Anfang September eine Vertrauensfrage.
Frankreichs Regierung steckt in der Krise.
08.10.2025 | 5:52 minFrankreichs Parlament bei Reformen zerstritten
Die neue Regierung in Paris steht bei ihren Sparbemühungen nicht nur von Seiten der EU unter Druck. Der bisherige Unwille des zerstrittenen Parlaments, sich auf Einschnitte und Reformen zu verständigen, sorgt in Kombination mit der politischen Krise für eine Verunsicherung der Wirtschaft.
Das Land muss Investoren für neue Staatsanleihen immer höhere Zinsen bieten. Zudem bremst die fehlende Aussicht auf politische Reformen die Nachfrage nach französischen Anleihen.
Lecornu war am Freitag von Präsident Emmanuel Macron zurück ins Amt geholt worden. Gegen Lecornu stellten Frankreichs Linkspartei und die nationale Rechte bereits Misstrauensanträge, über die voraussichtlich am Mittwoch in der Nationalversammlung abgestimmt wird.
In Frankreich steckt die Regierungsbildung fest. Macron hat den Parteien eine Frist bis heute Abend gesetzt – möglich sind Neuwahlen oder ein neuer Premier. Thomas Walde berichtet.
08.10.2025 | 1:01 minAuch von der Ausrichtung von Lecornus Regierungserklärung dürfte abhängen, ob die Opposition mit ihren Anträgen Erfolg haben wird und die Regierung bereits wenige Tage nach ihrem Antreten stürzt. Insbesondere die Sozialisten machen eine Duldung der neuen Mitte-Rechts-Regierung von einem deutlichen Kurswechsel des Premiers abhängig.
Votum über Misstrauensanträge am Mittwoch
Die Misstrauensanträge gegen das neue Lecornu-Kabinett zeigen: Frankreich hat zwar wieder eine Regierung. Die Politikkrise bleibt aber ungelöst.
Premier Sébastien Lecornu ist entschlossen, die politische Krise in Frankreich zu überwinden.
Quelle: dpaSeit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 ist die Nationalversammlung in mehrere politische Blöcke geteilt, die jeweils allein keine regierungsfähige Mehrheit besitzen, aber auch keine tragfähigen Bündnisse bilden und sich gegenseitig blockieren. Koalitionen wie etwa in Deutschland sind in Frankreich unüblich. Lecornus neues Kabinett ist bereits die vierte Regierung seit der Wahl.
Lecornu: "Müssen unser Ego beiseitelassen"
"Unsere Aufgabe ist es, diese politische Krise, in der wir uns befinden, zu überwinden", sagte Lecornu am Montagnachmittag vor einer ersten Arbeitssitzung des Kabinetts. "Ich wünsche mir, dass die Regierung die Vielfalt unseres Volkes widerspiegelt. Ich wollte eine Regierung aus freien Persönlichkeiten", sagte der neue Premier. "Wir müssen unser Ego beiseitelassen".
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