Eurofighter sichern Nato-Südostflanke:Leben im Alarmzustand: Bundeswehr-Piloten in Rumänien
von Christian von Rechenberg
Seit August schützt die Bundeswehr mit Eurofightern die Nato-Südostflanke in Rumänien. Ein Einsatz zwischen Abschreckung, Alarmbereitschaft und realer Bedrohung durch Drohnen.
170 Soldaten und fünf Eurofighter überwachen den Nato-Luftraum in Rumänien. Patrouillen, Wartung und Bereitschaft prägen den Einsatz - auch angesichts Drohnen-Zwischenfällen in der Region.
26.11.2025 | 13:08 minWenn die Alarmglocke läutet, muss es schnell gehen. Innerhalb von Minuten haben Oberleutnant "Tim" und sein Teamkollege die Spezialausrüstung angelegt und hasten zu ihren Maschinen.
Die haben die Techniker schon startklar gemacht - sobald "Tim" die Triebwerke anwirft, ziehen sie die Sicherheitsstifte von den Waffen unter den Tragflächen.
Kaum auf die Startbahn gerollt, brüllen die Triebwerke der beiden Eurofighter - Schnellstart mit Nachbrenner. Kurz darauf verschwindet Oberleutnant "Tim" in den Wolken.
Fünf Eurofighter und 170 Soldaten
Tango Scramble nennen das die Piloten, zu Deutsch: Trainingsalarm. Alltag auf der rumänischen Air Base Mihail Kogălniceanu am Schwarzen Meer.
Beim Nato-Treffen in Brüssel ging es unter anderem um milliardenschwere Investitionen in Drohnen und US-Waffentechnik. Deutschland will Eurofighter in Polen stationieren.
15.10.2025 | 1:43 minDie Region ist seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu einem strategischen Drehpunkt geworden. Nur rund 100 Kilometer entfernt tobt der Krieg - die Nato schützt von hier ihre Südostflanke.
Seit August 2025 beteiligt sich auch die Bundeswehr mit fünf Eurofightern und 170 Soldatinnen und Soldaten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 "Richthofen" aus Wittmund an der Mission "enhanced Air Policing South".
Enhanced Air Policing (EAP) ist eine Nato-Mission, die 2014 begann. Sie wurde als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage nach der Annexion der Krim durch Russland eingeführt. Ziel der Mission ist der Schutz des Nato-Luftraums und Abschreckung gegenüber möglichen Eindringlingen. Neben dem Baltikum erstreckt sich die Mission auch über Südosteuropa, insbesondere Rumänien und Bulgarien.
Die Nato-Mitgliedsstaaten stellen Kampfflugzeuge und Personal rotierend, jeweils im Abstand von sechs Monaten. EAP ist kein Kampfeinsatz, sondern zielt auf Luftraumüberwachung, Identifizierung und – falls nötig – Abfangmanöver ab.
Leben im Alarmzustand
"Unser Auftrag hier besteht zum einen aus dem Schutz des rumänischen Luftraums", erklärt Kontingentführer Oberstleutnant Manuel Last.
"Der andere Teil des Auftrages, wir sprechen von Deterrence, besteht im Rahmen der Abschreckung." Rund um die Uhr sind zwei Maschinen im sogenannten QRA-Bereich - der Schnell-Einsatz-Bereitschaft - startklar.
Oberleutnant "Tim", der seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte, hat Erfahrung mit Diensten auf einer QRA in Deutschland. In einem Nato-Einsatz im Ausland ist er das erste Mal.
Er sieht sich gut ausgebildet für den Einsatz, sammelt bei jedem Tango Scramble wertvolle Erfahrungen, und würde seine High-Tech-Waffe, den Eurofighter, auch benutzen, wenn es keine andere Option mehr gäbe: "Dafür wurden wir trainiert, und wenn eine gewisse Bedrohungslage da ist, und die ganzen Verfahren abgearbeitet wurden, ist das das letzte Mittel am Ende der Kette".
Er betont, dass die Herausforderung auch darin liege, sich in einem fremden Land an neue Abläufe zu gewöhnen.
Mehrfach sind zuletzt Putins Kampfjets und Drohnen in den Nato-Luftraum eingedrungen. Wie reagieren auf diese russischen Provokationen? Die Analyse bei ZDFheute live.
22.09.2025 | 25:19 minEurofighter werden vor jedem Abflug überprüft
Die Technik spielt dabei eine zentrale Rolle. Fluggerätemechaniker Oberfeldwebel Julian ist Teil der Bodencrew, die auf der wenige hundert Meter entfernten "Kiloplatte" arbeitet.
Hier stehen die Wartungshallen für die Eurofighter. "Alles, was sich am Flieger bewegt, also Hydraulikanlage, Klimaanlage, Kraftstoffanlage, Fahrwerk - das sind meine Bereiche."
Auch wenn Material und Personal vor Ort knapper sind als in Deutschland, gilt: "Eine Maschine geht generell nicht ungecheckt hier raus", sagt er.
Wenn wir mit unseren Arbeiten nicht zufrieden sind, dann fliegt hier gar nichts.
Oberfeldwebel Julian
Reale Bedrohung
Anders als bei Nato-Einsätzen im Baltikum, wo die Bundeswehr häufig russische Kampfflugzeuge abfangen muss, sind es hier vor allem Drohnen, die im Grenzgebiet zur Ukraine auftauchen.
Mehr als 60 Angriffe auf die Ukraine wurden seit Kriegsbeginn in der Region offiziell gezählt. Mehr als zwölf Mal drangen russische Drohnen sogar in den rumänischen Luftraum ein.
Für die Bevölkerung im Donaudelta bedeutet das ständige Angst. Tudora Aelenei aus dem Dorf Plauru hält Nacht für Nacht Wache, sagt sie, "mit einer Tasche für den Notfall. Falls etwas passiert, schließe ich die Tür ab und renne. Irgendwo Schutz suchen."
Erneuter Drohnen-Vorfall: Über Rumänien haben zwei F-16-Jets eine russische Drohne verfolgt. Vergangene Woche waren mehrere russische Drohnen über Polen abgeschossen worden.
14.09.2025 | 0:26 minAuch Nachbarin Carmen erzählt von Panikattacken ihrer Kinder bei nächtlichen Explosionen. Von den Nato-Jets fühlen sie sich kaum beschützt. Sie kämen immer erst wenn alles vorbei sei, könnten Drohnen bestenfalls nur beobachten.
Drohnen nur schwer abzuschießen
Verteidigungsexperte Alexandru Grumaz erklärt: "In der Luftfahrt ist es sehr schwierig, solche Drohnen abzuschießen, da die Geschwindigkeiten deutlich geringer sind."
Effektiver sei die Bekämpfung vom Boden aus - doch auch das berge Risiken für die Bevölkerung. Dennoch sei die Nato-Mission wichtig, denn sie stärke die Orientierung der Piloten und bereite sie auf mögliche Konfrontationen mit russischen Kampfflugzeugen auch hier an der Südostflanke vor.
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21.10.2025 | 4:39 minStrategisch wichtige Lage
Russland, so Grumaz, beobachte die Fähigkeiten der Nato in dieser Region sehr genau, sie sei für Putin von strategischer Bedeutung, und war es schon zu Zeiten des Kalten Krieges. Die Präsenz der halbjährlich rotieren Nato-Einheiten sei daher von enormem Wert für die Sicherheit.
Und Rumänien baut darauf: Am Rande der Stützpunkts Mihail Kogălniceanu rollen die Bagger. Er bekommt eine zweite Start- und Landebahn, wird ausgebaut, zu Europas größtem Nato-Stützpunkt, größer als Ramstein.
Zwischen Training, Teamgeist und realer Bedrohung zeigt sich: Der Einsatz in Rumänien ist mehr als Routine. Er ist Teil der Abschreckungspolitik der Nato - und für die Menschen entlang der Donau eine fragile Hoffnung auf Schutz.
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