Migration in die EU:Asyl: Ringen um europäische Solidarität
von Isabelle Schaefers
Im vergangenen Jahr einigte sich die EU auf das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) - inklusive eines Solidaritätsmechanismus. Aber echte Solidarität wird es wohl nicht geben.
Die EU-Kommission stellt Vorschläge für einen neuen Solidaritätsmechanismus zur Migration vor. Deutschland kann sich demnach bisher aufgenommene Asylbewerber anrechnen lassen.
11.11.2025 | 2:39 minEU-Migrationskommissar Magnus Brunner ist Österreicher. Seinen Landsleuten kann er am Dienstag zumindest etwas Entwarnung geben: Österreich kann bei den anderen Mitgliedsstaaten beantragen, zunächst keine Solidarität leisten zu müssen.
Das Land stehe bereits unter hohem Migrationsdruck. Die EU-Kommission habe "faktenbasiert" - wie Brunner mehrfach betont - die Mitgliedstaaten der EU eingeteilt in solche, die Solidarität leisten müssen und solche, die Solidarität empfangen können.
Der "große, richtige Schritt" sei, "einen fairen Verteilungsschlüssel in der Europäischen Union" zu haben, sagt Erik Marquardt (Grüne), Mitglied des Europäischen Parlaments.
12.11.2025 | 5:13 minWer bekommt, wer gibt?
Laut EU-Kommission sind Griechenland, Zypern, Spanien und Italien besonderem Migrationsdruck ausgesetzt - alles Länder an der EU-Außengrenze. Sie sollen Solidarität aus den anderen Mitgliedsstaaten bekommen. Das bedeutet, dass ihnen Asylsuchende abgenommen werden oder sie Geld- oder Sachleistungen bekommen. Über die Art der Solidarität entscheidet das Geber-Land.
Es ist ein Ansatz, der sicherstellt, dass kein Land der Europäischen Union alleine mit dem starken Migrationsdruck konfrontiert wird. Wir arbeiten gemeinsam daran.
Magnus Brunner, EU-Migrationskommissar
Die anderen 23 EU-Länder müssen Solidarität leisten. Wobei in Bulgarien, Tschechien, Estland, Kroatien, Polen und Österreich in den letzten fünf Jahren so viele Asylsuchende angekommen sind, dass diese sechs Länder Ausnahmen für das kommende Jahr beantragen können.
Dann gibt es noch eine größere Gruppe, für die zumindest anerkannt wird, dass sie Risiko laufen, ebenfalls großem Migrationsdruck ausgesetzt zu sein. Dazu gehört auch Deutschland.
Rund 120.000 Menschen sind dieses Jahr schon irregulär nach Europa geflüchtet. Zwar ist die Zahl der Geflüchteten seit 2023 gesunken, doch viele Länder stehen weiter vor großen Herausforderungen.
11.11.2025 | 2:26 minAuch Deutschland muss Solidarität leisten
Aber grundsätzlich gilt: Auch Deutschland muss Solidarität leisten. Allerdings gibt es ein Entgegenkommen an Berlin: sogenannte Dublin-Flüchtlinge, die bereits im Land sind, könnten angerechnet werden. Eigentlich müssten diese Menschen zurück in die Länder, über die sie die EU betreten haben - oft Italien. Doch Italien nimmt diese Menschen bisher nicht zurück.
Außengrenzstaaten müssen entlastet werden, Sekundär-Migrationsstaaten wie Deutschland müssen aber auch Anerkennung für ihre besondere Belastung bekommen.
Lena Düpont, CDU-Europaabgeordnete
Doch es dürfte ein Balanceakt bleiben für die deutsche Bundesregierung, die Migration im eigenen Land begrenzen will.
Ein Solidaritätsmechanismus soll Länder an der EU-Außengrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen entlasten. Von einer Einigung ist man aber noch entfernt, berichtet Ulf Röller.
11.11.2025 | 1:03 minMigrationsforscher Thym zur Rolle Deutschlands
"Die Hoffnung der Kommission ist, dass die Bundesregierung sagt, wir finden das zwar nicht so klasse, dass wir jetzt Leute übernehmen sollen, aber es ist in unserem langfristigen Eigeninteresse", erklärt Migrationsforscher Daniel Thym.
ZDFheute Infografik
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Denn die Idee der Asylreform ist es, dass die Staaten an den Außengrenzen dort schneller abweisen und Grenzverfahren durchführen. Das könnte dazu führen, "dass die Asylmigration in Deutschland, in Europa sehr viel besser geordnet und gesteuert wird und dass dann langfristig auch weniger Leute nach Deutschland kommen", so Thym.
Kaum ein Thema spaltet Europa so sehr wie die Migration. 2015 herrschte Willkommenskultur, seitdem schwenkt die EU zu einem härteren Umgang mit Geflüchteten.
16.05.2024 | 45:19 minMechanismus mit politischem Sprengstoff
Rund 30.000 Asylsuchende sollen über den Solidaritätsmechanismus pro Jahr gerechter verteilt werden. Der Verteilungsschlüssel - also wie viele Flüchtlinge jedes Land aufnehmen oder wie viel Geld als Ausgleich gezahlt werden muss -, wird noch diskutiert.
Klar ist aber: Kaum ein Land will zusätzlich Flüchtlinge aufnehmen. Ungarn hat bereits angekündigt, auch keine Ausgleichszahlungen leisten zu wollen.
Die Kommission wird die Länder der Europäischen Union nicht davon überzeugen, wirklich im großen Stil freiwillig Leute aufzunehmen. Weil alle Länder sind sich inzwischen eigentlich einig. Alle Länder definieren ihr nationales Interesse so, dass man möglichst weniger Menschen aufnehmen will.
Daniel Thym, Migrationsforscher
Die Mitgliedstaaten müssen nun um den konkreten Verteilungsschlüssel ringen. Ein Stresstest für die EU-Asylreform - und die Solidarität in Europa.
Isabelle Schaefers ist Korrespondentin im ZDF-Studio in Brüssel.
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