Deutsch-Polnische Beziehungen:Wie Polens Vertrauen in Deutschland schwindet
Nur ein Drittel der Polen findet die Deutschen sympathisch. Jeder vierte äußert sogar Abneigung. Wie es dazu kam und welchen Einfluss die Politik darauf hat.
Dieser Brief schrieb Geschichte: Am 18.11.1965 schrieben polnische Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“. Die Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg begann.
18.11.2025 | 2:28 minZDFheute: Kurz gefragt: wie sehr mögen sich Deutsche und Polen?
Agnieszka Łada-Konefał: Sie mögen sich, aber es ist keine große Liebe. Vor allem auf polnischer Seite ist in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang des Anteils der Polen zu beobachten, die Sympathie für die Deutschen bekunden. Aber es mögen immer noch mehr Polen die Deutschen, als ihnen ablehnend gegenüberstehen. Die Deutschen hingegen mögen die Polen immer mehr.
ZDFheute: Was sagen Ihre Zahlen zu den gegenseitigen Sympathien?
Łada-Konefał: Nur ein Drittel (32 Prozent) der befragten Polen äußert Sympathie für die Deutschen. Nach einem mehrjährigen Aufwärtstrend stellt dies einen starken Rückgang der positiven Gefühle gegenüber dem westlichen Nachbarn dar. Auch der Anteil der Polen, die Abneigung gegenüber den Deutschen äußern, ist der höchste seit Jahren (jeder vierte Befragte). Auf deutscher Seite äußern 42 Prozent der Befragten Sympathie für die Polen, der Prozentsatz aus dem Jahr 2022 blieb also stabil.
ZDFheute: Welchen Einfluss hat die Politik in den Ländern und welche politischen Kräfte wirken auf das Verhältnis positiv bzw. negativ?
Łada-Konefał: Auf deutscher Seite spielt die Politik im Sinne von politischen Spaltungen im Grunde keine Rolle, wenn es um die Wahrnehmung Polens geht.
Polens neuer Präsident hat im Wahlkampf auch mit Deutschland-Kritik gepunktet. Welche Folgen haben die neue Migrationspolitik in Deutschland und die Wahl des rechtskonservativen Präsidenten in Polen?
12.06.2025 | 5:45 minIn Polen ist die Situation ganz anders. Deutschland und seine Politik sind eines der polarisierendsten Themen in politischen Debatten. Ereignisse in Deutschland und Äußerungen deutscher Politiker - selbst derjenigen aus der dritten Liga - werden kommentiert. Die rechte Seite des politischen Spektrums wirft der derzeitigen Regierung zu große Nachgiebigkeit, ja sogar Unterwürfigkeit gegenüber Deutschland vor und bedient sich ständig anti-deutscher Rhetorik. Und die progressiven Kräfte, anstatt mit konstruktiven Beispielen der Zusammenarbeit mit Deutschland zu antworten, haben die Segel gestrichen und tun nichts, aus Angst vor der Unzufriedenheit der Wählerschaft.
ZDFheute: Welchen Einfluss hat auf polnischer Seite die liberalkonservative Regierung Tusk?
Łada-Konefał: Wie ich bereits erwähnt habe, ist die Regierung untätig. Trotz der hervorragenden Rahmenbedingungen - der realen Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Deutschland und einer Regierung in Deutschland, die Tusk politisch nahesteht - werden keine Maßnahmen ergriffen. Dies bestärkt die Polen in ihrer Überzeugung, dass die Beziehungen nicht die besten sind und man den Deutschen nicht allzu sehr vertrauen sollte.
Ein polnisches Gericht hat die Auslieferung der ukrainischen Verdächtigen der Nord-Stream-Sabotage abgelehnt. Natalie Steger mit einer Einschätzung.
17.10.2025 | 1:39 min... ist eine polnische Politologin. Sie ist Vizedirektorin des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt.
Dieses erhebt seit 2000 das Deutsch-Polnische Barometer über die gegenseitige Wahrnehmung, die deutsch-polnischen Beziehungen und deren aktuelle Herausforderungen. Partner der Studie sind: das Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau, die Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und das Deutsche Polen-Institut.
ZDFheute: Polens nationalkonservativer Präsident Nawrocki spielte im Wahlkampf die anti-deutsche Karte - wie sehr verfängt die in der polnischen Gesellschaft?
Łada-Konefał: Das Deutsch-Polnische Barometer zeigt deutlich, dass die Polen nicht anti-deutsch eingestellt sind. Gleichzeitig sehen wir seit Jahren - Wähler der rechten Seite stehen Deutschland und den Deutschen häufiger skeptisch gegenüber. Und genau dort - an der rechten Seite - findet gerade der Kampf um die Wählerschaft statt. Politiker spielen also die deutsche Karte aus.
Mit Karol Nawrocki hat Polen einen rechtsnationalen Historiker zum neuen Präsidenten gewählt. Er dürfte den pro-europäischen Kurs der Regierung Tusk nun verstärkt blockieren.
02.06.2025 | 2:40 minZDFheute: Welchen Einfluss hat die Debatte über Reparationen auf beide Länder?
Łada-Konefał: Die Debatte über Reparationen oder Entschädigungen hat starken Einfluss auf die Stimmung der Polen. Dies ist eine der schwierigsten Trennlinien im Dialog zwischen unseren Gesellschaften. Dass Deutschland genug getan hat, um Wiedergutmachung für die Verbrechen und die Zerstörung während des Zweiten Weltkriegs zu leisten, meinen 60 Prozent der deutschen Befragten. Diese Ansicht wird lediglich von 17 Prozent der Polen geteilt. 58 Prozent der Polen sind der Meinung, dass Deutschland mehr für die Wiedergutmachung an Polen tun sollte.
Das Interview führte Natalie Steger. Sie leitet das ZDF-Studio in Warschau.
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