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Analyse
Migrationspolitik in Dänemark:Zwischen Abschottung und Personalmangel
von Henner Hebestreit und Jürgen von Heymann
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Dänemark fährt eine strenge Einwanderungspolitik. Die Angst vor Zuwanderung ist groß. Doch auch im Norden herrscht in vielen Branchen Personalmangel. Ein Dilemma.
Auch in Dänemark fehlt es in vielen Branchen an Personal.
Quelle: AFP
Das kleine skandinavische Land bemüht sich schon seit Jahren um einen rigiden Kurs in der Migrationspolitik. Die Sozialdemokratin Mette Frederiksen verdankt nicht zuletzt ihrer migrationsfeindlichen Haltung Wahl und Wiederwahl zur Regierungschefin in Kopenhagen.
Jetzt hat Dänemark bis zum Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Klar, dass dabei auch die eigenen politischen Kernpunkte nicht hinten runter fallen sollen - so vor allem beim Thema Migration, bei dem Dänemark - wie neuerdings Deutschland auch - zu den "Hardlinern" zählt.
Frederiksen will EU-Außengrenze stärken
Mette Frederiksen hatte bereits bei der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft keinen Hehl aus ihrer Entschlossenheit gemacht, die EU-Außengrenzen zu stärken, den Zustrom von Menschen aus Ländern außerhalb der EU besser zu kontrollieren und irreguläre Migrant*innen zurückzuweisen. Ihrer Ansicht nach ist dies eng mit der Sicherheit Europas verknüpft.
Dabei trennt man in Kopenhagen nicht allzu scharf zwischen illegalen Migrant*innen und Arbeitssuchenden aus Staaten außerhalb der EU. Das Credo der dänischen Sozialdemokraten: Jede ausländische Arbeitskraft stelle eine potentielle kulturelle Herausforderung dar.
Doch auch in Dänemark kollidiert diese latent fremdenfeindliche Haltung mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes einer modernen Dienstleistunggesellschaft. Auch Dänemark sieht sich den Folgen des demografischen Wandels ausgesetzt, auch in Dänemark wird die Herausforderung täglich größer, offene Stellen zu besetzen.
Gastronomie: Personal dringend gesucht
Beispiel Gastronomie: Bjarke Just Nielsen ist Direktor des Gastronomie-Unternehmens "Norrlyst", das allein in Kopenhagen 15 Restaurants betreibt. Von rund 250 Angestellten Ende 2024 will Norrlyst auf 450 bis Ende kommende Jahres expandieren. Wie in so vielen Branchen ist das keine leichte Aufgabe, das Personal zu finden: "Es gibt viele Bereiche, die unter einem kritischen Mangel an Mitarbeitern leiden", sagt Unternehmer Nielsen.
Andererseits schottet man sich ab und sagt 'Nein Danke!' zu ausländischen Arbeitskräften, man will die Grenzen dichter machen als je zuvor.
Bjarke Just Nielsen, Gastronom
Betroffen davon ist nicht nur die Gastronomie. Viel kritischer ist der Personalmangel im sozialen Sektor, in den Pflegeheimen, in den Krankenhäusern, im gesamten Gesundheitsbereich.
Inzwischen hat auch die Regierung in Kopenhagen darauf reagiert und vergleichsweise diskret eine 180-Grad-Wende ihrer rigiden Arbeitsmarktpolitik für Nicht-EU-Bürger hingelegt: Die Gehaltsuntergrenze für ausländische Arbeitnehmer aus 16 ausgewählten Staaten wurde von umgerechnet 68.000 Euro pro Jahr auf 40.000 Euro gesenkt.
Wende der Einwanderungspolitik?
Chinesen, Brasilianer oder Albaner zum Beispiel dürfen also in prekären Branchen beschäftigt werden. Die Angst, als Gesellschaft vor kulturelle Herausforderungen gestellt zu werden, scheint also weniger groß als die Sorge, im Sozial- oder Gesundheitswesen oder am Tisch eines Restaurants nicht mehr ordentlich betreut zu werden.
Dänemarks Regierung spielt die Erwartungen herunter: Man erwarte nicht viel mehr als 550 Menschen aus den genannten Staaten, ließ sich Wirtschaftsministerin Stephanie Lose zitieren. Wahrscheinlich aber erst der Anfang einer Wende der strengen dänischen Arbeitsmarkt- und Einwanderungspolitik.
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