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Analyse
EU-Großbritannien-Gipfel:Britisch-europäische Annäherung auf Zehenspitzen
von Yacin Hehrlein, London
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Großbritannien und die EU nähern sich wieder an: Bei Fischfang, Visa und vor allem Verteidigung soll es neue Abkommen geben.
Es lag ein Hauch von Déjà-Vu in der Luft heute in London. Alle jene, die es vermisst haben sollten, das Verhandeln bis in die frühen Morgenstunden und das Geschrei der Brexit-befürwortenden Presse, sind nun - neun Jahre nach dem Referendum zum EU-Austritt und knapp fünf Jahre nach dem offiziellen Inkrafttreten ebendieses Brexit - endlich wieder auf ihre Kosten gekommen.
EU und Großbritannien nähern sich an
Der rote Teppich war ausgerollt worden vor dem Lancaster House, dem schmucken Verhandlungsort gleich um die Ecke des Buckingham Palastes. Ansonsten dominierte die Farbe Blau - auf der Täfelung am Eingang mit der Aufschrift UK-EU Summit 2025, dem Kostüm von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Krawatte des britischen Premiers Keir Starmer.
Starmer und von der Leyen lächelten um die Wette. "Wir blättern die Seite um und schlagen ein neues Kapitel auf", sagte die Kommissionspräsidentin bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Das Vereinigte Königreich und die EU nähern sich wieder an. Die Zeiten haben sich geändert und machten dies zu einer Notwendigkeit.
Schwerpunkt: Verteidigung und Sicherheit
Dies liegt vor allem an zwei Regierungswechseln der jüngeren Vergangenheit - dem im Weißen Haus und in der Downing Street. Donald Trumps erratischer Regierungsstil vor allem in Hinblick auf den Ukraine-Krieg zwingt zu mehr europäischer Zusammenarbeit. Europa braucht Großbritanniens militärische Power und Expertise, die britische Rüstungsindustrie hätte gern ein Stückchen des aktuellen 150 Milliarden schweren Aufrüstungskuchen der EU. Daher ist das Verteidigungs- und Sicherheitspaket das Kernstück des Abkommens. Nicht umsonst fand das gemeinsame Mittagessen des Gipfels auf einem Kriegsschiff der Royal Navy statt.
Deals für britischen Lebensmittelhandel
Keir Starmer, der neue Mann in der Downing Street, war nie ein Freund des Brexit, ist vor allem aber auch Pragmatiker. Er will und muss die britische Wirtschaft ankurbeln. Erleichterungen im Agrar- und Lebensmittelhandel und eine Liberalisierung des Energiemarkts werden dabei hilfreich sein. Doch gleichzeitig will er den Gralshütern des Brexit nicht zu viel Angriffsfläche bieten. Deshalb bleiben die Details über ein Jugendaustauschprogramm auch zunächst einmal im Dunkeln. Offene Grenzen und Einreiserleichterungen sind für viele nach wie vor ein Reizthema.
Trotz Brexit Zugeständnisse an EU-Fischerei
Den Brexit macht das Abkommen selbstverständlich nicht rückgängig, auch wenn das die Vertreter jener Parteien im Land, die den Brexit unterstützten, gerne so skizzieren wollen. In einer Hinsicht musste die britische Regierung allerdings klar nachgeben. Das im nächsten Jahr auslaufende Fischereiabkommen, das im Wesentlichen Booten aus der EU Zugang zu britischen Fischereigründen eröffnet, wurde um den überraschend langen Zeitraum von zwölf Jahren verlängert.
Frankreich und Emmanuel Macron waren hierbei wohl die treibende Kraft. In französischen Küstenorten, wo gefischt wird, wird Marine Le Pens rechtsextremer Rassemblement National gewählt. Mehr Fischen in britischen Gewässern hilft da dem französischen Präsidenten. In Großbritannien spricht Nigel Farage, Urvater der Brexit-Bewegung und mittlerweile Vorsitzender der Partei Reform UK, die Starmers Labour-Partei in den Umfragen schwer im Nacken sitzt, vor allem in Bezug auf das Fischereiabkommen von einem 'Kapitulations-Deal'.
Wie gesagt, das kommt einem alles sehr bekannt vor. Manche Dinge ändern sich eben doch nicht
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