"In die Sonne schauen" im Kino: Oscar-Hoffnung und Cannes-Gewinner

Mascha Schilinskis Kinodebüt:Oscar-Hoffnung "In die Sonne schauen" läuft an

von Gudula Moritz und Carolin Feller
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In Cannes gefeiert, für die Oscars nominiert: Mascha Schilinskis Film "In die Sonne schauen" kommt heute in die Kinos. Der Film spielt regelrecht mit dem Ungreifbaren.

Ein blondes Mädchen steht zwischen Frauen in altertümlich wirkenden langen schwarzen Kleidern und schaut den Betrachter direkt an.

Auf einem Hof in der Altmark wachsen vier Frauen in unterschiedlichen Epochen auf, deren Leben auf unheimliche Weise verwoben sind.

26.08.2025 | 6:21 min

Man kennt dieses Gefühl, wenn ein Geruch, ein Klang oder ein Ort plötzlich eine Erinnerung weckt. Für einen Moment taucht ein Bild auf, das fast verblasst war. Doch je mehr man versucht, es festzuhalten, desto unschärfer wird es. Unsere Erinnerungen sind nur Teil eines Ganzen - sie verändern sich, zersplittern und lassen Leerstellen zurück.

Genau damit spielt Mascha Schilinskis Film "In die Sonne schauen". Er erzählt von vier Mädchen, die jeweils in einer anderen Epoche des 20. und 21. Jahrhunderts auf demselben altmärkischen Gutshof aufwachsen.

Filmtipp

ZDF-Filmexperte Peter Twiehaus empfiehlt die romantische Komödie "Was ist Liebe wert- Materialists", das Western-Drama "Bitter Gold" - und das deutsche Drama "In die Sonne schauen".

20.08.2025 | 7:07 min

"In die Sonne schauen" springt zwischen den Epochen

Dabei springt der Film zwischen den Epochen hin und her, durch rund 100 Jahre Alltagsgeschichte - aus weiblicher Perspektive. Das Generationen-Drama offenbart sich nicht als klassische Handlung, sondern als eine Art Mosaik aus Erinnerungsstücken - dabei gehen Vergangenheit, Gegenwart und Traumsequenzen fließend ineinander über.

Die vier Mädchen bewegen sich jeweils in ihrer Epoche und doch sind ihre Schicksale miteinander verwoben. Alma wächst im deutschen Kaiserreich in einer Kindheit voller Schweigen, Religiosität und Aberglauben auf, der Erste Weltkrieg steht bereits vor der Tür.

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"In die Sonne Schauen" ist kein Historienfilm

Trotz des historischen Settings fokussiert sich der Film weniger auf die großen zeitgeschichtlichen Ereignisse, sondern viel mehr darauf, was diese in den Körpern und Seelen der jungen Frauen hinterlassen: das Schweigen, die Traumata und Verletzungen, die Generationen überdauern.

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In den verschiedenen Zeitebenen tauchen dieselben Themen immer wieder auf - wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise: das Ringen um Freiheit und die Suche nach Identität, aber auch Erfahrungen von Missbrauch und Tod. Die Vergangenheit droht die Gegenwart einzuholen - so verschwimmen nach und nach die Grenzen zwischen den Figuren und Epochen.

Auf Mascha Schilinskis Film muss man sich einlassen

"In die Sonne schauen" lässt bewusst vieles offen. Man muss sich auf Mascha Schilinskis Film einlassen. Dann kann man sich in den Erinnerungen der Figuren verlieren und vielleicht sogar wiederfinden. Er lädt uns dazu ein, mit am Familientisch zu sitzen, das Unausgesprochene zu erleben und mit kindlichem Blick nach Erklärungen zu suchen.

"In die Sonne schauen" ist kein klassischer Unterhaltungsfilm. Er dürfte aber Gesprächsstoff bieten, weil er Fragen aufwirft: Wie wirken sich unausgesprochene Ängste und Geheimnisse, Erinnerungen und Traumata über Generationen hinweg aus? Leben sie vielleicht sogar generationenübergreifend in uns weiter?

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Mit ihrem Film hatte Schilinski bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai für Aufsehen gesorgt und den begehrten Jurypreis gewonnen. Der Preis gilt vor allem jungen Filmemachern als Karrierebooster. Nicht schlecht also für die Regisseurin Schilinski, die mit "In die Sonne schauen" ihren ersten Film nach der Filmhochschule vorgelegt hat.

Und vergangene Woche wurde bekannt, dass ihr Film als deutscher Beitrag für die Oscars 2026 nominiert worden ist. Heute kommt "In die Sonne schauen" in die deutschen Kinos.

Gudula Moritz und Carolin Feller berichten für die "Kulturzeit"-Redaktion bei 3sat.

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Quelle: dpa

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