Reptilienauffangstation München: Wohin mit immer mehr Tieren?

Rettung von Exoten aus dem Wohnzimmer:Reptilien-Auffangstation: Wohin mit Kobras und Waranen?

Filmemacher Andreas Ewels auf der Preisverleihung auf dem Internationalen Greeen Festival in Krakau.

von Andreas Ewels

|

In Usbekistan wird auf der Welt-Artenschutzkonferenz noch diskutiert, in München wird gehandelt: In der Auffangstation drängen sich Tiere, die Opfer menschlicher Exoten-Gier sind.

Zwei kleine Schildkröten liegen auf einer Zeitung und essen an einem Blatt Salat. Die Rücken sind jeweils mit einer Nummer gekennzeichnet.

Schlangen, Chamäleons, Geckos - immer wieder landen Reptilien durch illegalen Handel in Deutschland. Eine Auffangstation in Bayern kämpft gegen die Exporte und die bestehenden Gesetzeslücken.

01.12.2025 | 4:00 min

Schon beim Betreten des Büros von Dr. Markus Baur wird klar: Hier wimmelt es von Leben. Baur ist Leiter der Auffangstation für Reptilien in München. In einem Becken jagt eine Schlammschildkröte einem Fisch hinterher, verfehlt ihn und lässt ihren Frust an einem Stück Holz aus.

Wir haben über 2.000 Tiere hier.

Dr. Markus Baur, Leiter der Auffangstation für Reptilien in München

Die Station, inklusive seines Büros, platzt aus allen Nähten. Nur wenige Tiere stammen aus Zollbeschlagnahmungen wie eine Gruppe winziger Schildkröten aus Libyen, die trickreich am deutschen Zoll vorbeigeschleust werden sollten. Jetzt warten sie auf neue Besitzer - qualifizierte Privatpersonen oder Zoos.

Noch bis zum 5. Dezember 2025 beraten in Samarkand in Usbekistan Delegierte aus 184 Staaten auf der 20. CITES-Konferenz über die Zukunft des internationalen Artenschutzes. CITES steht für das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, ein internationales Abkommen, das den Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten reguliert, um deren Überleben zu sichern.


Exotische Tiere als Statussymbol

Viele Bewohner sind Langzeitgäste. Manche wurden einst als Wildtiere gefangen, lebten jahrelang bei Privatbesitzern und kamen nach deren Tod oder aus Tierschutzgründen hierher. So auch ein Nilkrokodil, das Baur in einem abgeschlossenen Raum zeigt. "Der ist nicht ungefährlich", warnt er. Das Tier sitzt über einem kleinen Wasserbecken, ruhig, aber wachsam. "Er ist eigentlich schon zu groß dafür, aber wir finden keinen Abnehmer", sagt Baur.

Einst gehörte er einem Reptilienfreund, der verstorben ist. Die ursprüngliche Haltung lobt Baur als vorbildlich.

Graphische Darstellung: Mann von hinten trägt Papagei in Käfig

Europa ist ein lukrativer Markt für Vogelschmuggler. Exotische Vögel wie Papageien oder ihre Eier werden aus Ländern wie Brasilien heraus geschmuggelt. Ohne Rücksicht auf bedrohte Arten.

31.08.2025 | 28:44 min

Trotzdem muss man sich als Beobachter fragen: Warum muss man solche Tiere überhaupt privat halten? In bestimmten Rocker-Kreisen gelten besonders exotische Tiere als Statussymbol. Für Baur ist das grundsätzlich in Ordnung, "wenn man über genügend Raum und Mittel verfügt und sachkundig ist".

Haltung von exotischen Tieren

Wie können Exoten im eigenen Zuhause tiergerecht gehalten werden? Reptilienexperte Prof. Michael Lierz klärt wichtige Fragen zur Unterbringung exotischer Tiere.

19.03.2024 | 10:20 min

Eine Million Terrarien in Deutschland

Beim Rundgang durch die Anlage spricht Baur über die Dimension: In Deutschland gibt es schätzungsweise über eine Million solcher Terrarien. Während der Wildtierhandel in Asien boomt, stagniert er hierzulande oder geht leicht zurück, schätzt Baur. Dass Tiere überhaupt der Natur entnommen werden, kann er nur im Rahmen fundierter nachhaltiger Nutzung nachvollziehen.

Gerade bei kleinen Populationen, die nur in einem Wald oder auf einem Hügel vorkommen, hört der Spaß auf. Damit kann man ganze Arten ausrotten.

Dr. Markus Baur, Auffangstation für Reptilien

Doch genau das reizt manche Sammler: Je seltener, desto wertvoller. Nachzuchten wären eine Lösung, sagt Baur, doch oft seien sie nicht von Wildfängen zu unterscheiden: Es fehlen unter anderem umfassende Gen-Datenbanken. Für Baur bleibt CITES das schärfste Schwert gegen den Wildtierhandel, auch wenn er die Bürokratie kritisiert.

Weltgipfel in Samarkand
:Was illegaler Tierhandel mit dem Artenschutz macht

In Usbekistan startet eine Konferenz zum Artenschutz. Experte Mark Auliya ist skeptisch: Kann der illegale Tierhandel gestoppt werden oder "wäscht hier nur eine Hand die andere"?
mit Video1:45
Nahaufnahme eines bunten Nackenstachlers
Interview

Im Keller zeigt er eine riesige Madagaskar-Boa: "Als sie zu uns kam, war sie extrem selten. Heute gibt es viele Nachzuchten, sie ist praktisch wertlos. Aber ohne CITES-Papiere können wir sie nicht abgeben." Der bürokratische Aufwand sei enorm. So bleibt das Tier in seinem künstlichen Habitat - vielleicht für Jahre. Die Kosten für Futter, Wartung und vor allem Strom für die Wärmebeleuchtung für mindestens 2.000 Tiere sind gewaltig.

Massenhafte Verbrennung von Elfenbein

CITES hat viel bewirkt, wird aber durch Korruption und Gesetzeslücken untergraben. Das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) schreibt im World Wildlife Crime Report 2024: „Wildtierkriminalität untergräbt die gute Regierungsführung und die Rechtsstaatlichkeit durch Korruption, Geldwäsche und illegale Finanzströme.“ Außerdem betont der Bericht, dass Korruption eine Schlüsselrolle dabei spielt, Regulierungen und Vollzugsmaßnahmen gegen den illegalen Wildtierhandel zu sabotieren.

"Statt nur zu verbieten, sollte man Märkte konsequent zerstören", fordert Baur. Als Beispiel nennt er die massenhafte Verbrennung von Elfenbein, das bei Wilderern gefunden wurde - ein starkes Signal, aber vielleicht nicht die effektivste Lösung. Solche Bilder gehen immer wieder durch die Medien, dabei hätte man das Elfenbein auch zum Spottpreis auf den Markt werfen können und so den illegalen Händlern die Preise kaputt gemacht.

Nashorn in Afrika

Es ist das größte Massensterben seit 65 Millionen Jahren: Täglich verschwinden auf der Erde rund 150 Arten.

16.01.2025 | 29:48 min

Reptilienmarkt mit Nachzuchten überschwemmen?

"Was wäre, wenn man den Reptilienmarkt mit Nachzuchten überschwemmt?", fragt er provokant und fügt hinzu:

So ließen sich die Märkte für seltene Tiere - besonders in Asien - zerstören.

Dr. Markus Baur, Auffangstation für Reptilien

Eine gewagte These, die ihm nicht nur Freunde unter den Tierschützerinnen und Tierschützern einbringt.

Aktuell gibt es übrigens Hoffnung für die Auffangstation: Die Grundsteinlegung für einen Neubau der in die Jahre gekommenen Einrichtung ist in Planung. Der Bauantrag ist genehmigt, der Freistaat Bayern fördert den Bau.

Für Baur geht der Einsatz weiter. Und er hofft, dass die Konferenz in Usbekistan nicht nur Worte liefert, sondern auch Lösungen, die seinen Alltag erleichtern.

Andreas Ewels ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.

Icon von whatsapp
Quelle: dpa

Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.


Über das Thema berichtete "Volle Kanne" am 01.12.2025 ab 09:05 Uhr.

Mehr zum Thema Reptilien

  1. Ein Chamäleon von O'Shaughnessy sitzt auf einem Ast in Madagaskar.

  2. Eine pazifische grüne Meeresschildkröte schwimmt vor den Galapagos-Inseln.

    Update der Roten Liste:Warum es der "Suppenschildkröte" besser geht

    von Mark Hugo
    mit Video1:33

  3. Eine Ringelnatter kriecht durch das Gras.

    Rettung für bedrohte Arten:Schlangen im Garten: Faszinierende Nützlinge

    von Christian Ehrlich
    mit Video8:04

  4. Bayern, München: Pantherchamäleon Lucifer sitzt in der Reptilienauffangstation in München.