Tierschutz und Lobbyismus: Gipfel berät über illegalen Tierhandel

Interview

Weltgipfel in Samarkand:Was illegaler Tierhandel mit dem Artenschutz macht

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In Usbekistan startet eine Konferenz zum Artenschutz. Experte Mark Auliya ist skeptisch: Kann der illegale Tierhandel gestoppt werden oder "wäscht hier nur eine Hand die andere"?

Nahaufnahme eines bunten Nackenstachlers

Der bunte Nackenstachler stammt aus Südostasien. Immer häufiger finden er und andere exotische Tiere sich in Terrarien in deutschen Wohnzimmern wieder.

Quelle: dpa

Dr. Mark Auliya, Experte für internationalen Artenschutz, erklärt im Gespräch mit ZDFheute, warum diese Konferenz richtungsweisend ist - und warum die "Terrariums-Industrie" dem Tierschutz schadet.

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ZDFheute: Viele sehen in dem CITES-Abkommen, in dem es auf der Konferenz geht, ein zentrales Instrument, um Handel mit bedrohten Arten zu regulieren. Was erhoffen Sie sich von dieser Konferenz?

Dr. Mark Auliya: Ich erhoffe mir, dass die Wissenschaft mehr Gehör findet. Und dass für verschiedene Anträge sogenannte wissenschaftliche Unsicherheiten erkannt werden - um im besten Falle das Vorsorgeprinzip anzuwenden, um die Arten im Handel regulieren zu können.

Vom 24. November bis 5. Dezember beraten in Samarkand, Usbekistan, Delegierte aus 184 Staaten auf der 20. CITES-Konferenz über die Zukunft des internationalen Artenschutzes. CITES steht für das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, ein internationales Abkommen, das den Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten reguliert, um deren Überleben zu sichern.


Ferner wünsche ich mir, dass "nutzende Länder" der Biodiversität, in der Regel Länder des sogenannten globalen Nordens, nicht die Bemühungen der Länder des globalen Südens, oft Länder mit hoher Artenvielfalt, ignorieren, die ihre Arten im Handel reguliert haben wollen.

ZDFheute: Sie sind nicht nur Befürworter solcher Konferenzen, sondern betrachten sie auch kritisch. Was ist Ihr zentraler Kritikpunkt?

Dr. Mark Auliya: CITES ist primär ein Handelsabkommen. Was oft heißt, dass Mitgliedstaaten, in denen ökonomisch wertvolle Arten vorkommen, eine Regulation des Handels eher nicht unterstützen. Oder dass sie eine bereits vorhandene Regulation aufweichen wollen.

Für Abstimmungen werden Vereinbarungen zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten getroffen, eine Hand wäscht hier die andere.

Dr. Mark Auliya, Reptilien-Experte

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Dr. Mark Auliya mit einer Schlange um den Arm.
Quelle: privat

... ist Experte für internationalen Artenschutz am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn. Der Wissenschaftler ist Autor mehrerer Fachbücher und gilt als Experte für den illegalen Reptilienhandel. Dabei forscht er nicht nur aus der Ferne, sondern ist häufig in Asien unterwegs und schaut sich dabei auch die Handelsrouten von illegal gehandelten Tieren genau an.


Eine erhebliche Schwäche ist die Tatsache, dass trotz des Wissens von biologischen und ökologischen Fragen zu Arten, die vom Handel betroffen sind, diese üblicherweise gänzlich in der Entscheidungsfindung für nachfolgende Abstimmungen ignoriert werden. Die Argumentation lautet dann oftmals. Es gibt keinen Hinweis, dass der Handel eine Bedrohung für eine bestimmte Art darstellt.

Für eine CITES-Art wird der Handel in einer sogenannten Handelsdatenbank dokumentiert. Für eine Nicht-CITES Art gibt es demnach keine Dokumentation - viele Nicht-CITES Arten werden weltweit gehandelt, für viele hätte längst der Handel reguliert und dokumentiert werden müssen.

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ZDFheute: In Deutschland gibt es etwa 1,1 bis 1,3 Millionen Terrarien in privaten Haushalten, was ungefähr zwei Prozent aller Haushalte entspricht. Sie haben mehrfach die enge Verbindung zwischen Lobbyisten und Politik kritisiert. Was meinen Sie damit?

Dr. Mark Auliya: Die jahrzehntelange in Deutschland ansässige "Terrariums-Industrie" hat dazu geführt, dass sich landesweit verschiedene Interessengruppen vom Großhändler bis zum Nutzer des Privatsektors etabliert haben. Damit hat sich auch ein kryptisches Netzwerk gebildet, das nicht selten illegale Importe und Einkäufe als legal verschleiert.

Die Lobby des Reptilienhandels infiltriert Behörden. Argumente sind oftmals, es handele sich um Nachzuchten einer Art, damit ist die Welt in Ordnung.

Dr. Mark Auliya, Reptilien-Experte

Tatsächlich fehlt es an Evidenzen für einen nachhaltigen Handel, man ignoriert wissenschaftliche Unsicherheiten und argumentiert mit unglaubwürdigen Nachhaltigkeitsprüfungen. Hier stehen wirtschaftliche Beziehungen mit den Geberländern im Vordergrund.

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ZDFheute: Ein viel diskutiertes Thema ist die Nachzucht bedrohter Arten. Könnten kontrollierte Zuchtprogramme helfen?

Dr. Mark Auliya: Dies ist in der Tat ein Spannungsfeld, immer noch werden Wildentnahmen als Nachzuchten in den internationalen Markt geschleust. Die Möglichkeiten, diese entlang der Handlungskette einwandfrei als Wildfänge zu entlarven, sind gering oder oftmals gar nicht möglich. Bei beliebten Arten weiß man, wann Jungtiere im Freiland unterwegs sein werden. Diese werden dann gefangen und als Nachzuchten in die Konsumländer verschickt.

ZDFheute: Sind solche Konferenzen aus Ihrer Sicht noch der richtige Weg, um den Artenschutz wirksam voranzubringen?

Dr. Mark Auliya: Ein neuer Ansatz hier ist schwierig. Egal welches Land es ist, der Artenschutz bleibt zugunsten ökonomischer Interessen einfach auf der Strecke. Der Schutz der globalen Biodiversität scheint vor allem in den letzten Jahren wieder deutlich gesunken, vielleicht auch bedingt durch die gegenwärtige weltpolitische Lage. Doch jedes Land sollte den nationalen und internationalen Artenschutz als verpflichtende Auflage in das jeweilige Regierungsprogramm miteinbringen.

Das Gespräch führte Andreas Ewels aus der ZDF-Umweltredaktion.

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Quelle: dpa

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