Klimamüdigkeit der Gesellschaft:Ist uns der Klimawandel egal?
Gletscher schmelzen, Wetterextreme häufen sich - und doch verdrängen wir den Klimawandel zunehmend. Warum ist das so?
Noch vor wenigen Jahren war der Klimawandel eines der Top-Themen. Das hat sich inzwischen geändert.
Quelle: dpaNoch vor wenigen Jahren war der Klimawandel ein dominierendes Thema in Nachrichten, Talkshows und Sozialen Medien. Heute hingegen wirkt das Thema oft wie ein Hintergrundrauschen - präsent, aber kaum noch durchdringend.
Dies bestätigt Ismeni Walter. Die Professorin für Umweltjournalismus sieht einen massiven Rückgang des Themas in den Medien: "Wobei meine Wahrnehmung ist, dass dies vor allem auf der Vermutung der Programmmacher und Programmacherinnen beruht, das Publikum wolle von dem Thema nichts mehr hören."
Die globale Erwärmung schreitet voran und das Wetter wird extremer - schneller als bislang angenommen. Auf dem Extremwetterkongress in Hamburg wird diese Entwicklung diskutiert.
24.09.2025 | 2:33 minZusammenhänge beim Klimawandel oft schwer zu erfassen
Auch Neurowissenschaftlerin Maren Urner sieht diesen Trend durch Umfragen bestätigt: "Der Klimawandel wird als weniger dringlich und relevant wahrgenommen. Und das obwohl die Risiken und Auswirkungen immer sichtbarer werden."
Für viele Menschen sind die komplexen und langfristigen Zusammenhänge des Klimawandels nur schwer zu erfassen. Die Folgen sind oft indirekt und nicht unmittelbar spürbar, was zu einem Gefühl der Ohnmacht führt.
Begriff "Klimawandel" im Abwärtstrend
Einer, der sich intensiv mit dem Begriff Klimawandel auseinandersetzt, ist Lutz Kuntzsch von der Gesellschaft für deutsche Sprache:
Bis Anfang der 2000er Jahre war der Begriff Klimawandel in Deutschland praktisch unsichtbar - ein sprachliches Nischenphänomen.
Lutz Kuntzsch, Gesellschaft für deutsche Sprache
Ab 2002 gewann das Wort zunehmend an Bedeutung, und 2023 verzeichneten Sprachwissenschaftler einen Höhepunkt: Klimawandel tauchte in 42.310 unterschiedlichen Texten auf. "2024 hat uns dann alle überrascht", erklärt Lutz Kuntzsch und stellt einen starken Rückgang fest: "Es gab nur noch 29.159 Nennungen. Ein solcher Rückgang ist durchaus ungewöhnlich."
Menschen immer auf der Suche nach neuen Inhalten
Vielleicht liegt der Grund in einer Überfrachtung der Menschen mit globalen Themen. Für Maren Urner liegt eine Ursache zumindest in den Köpfen:
Unser Gehirn ist generell nicht gut darin, die Aufmerksamkeit über lange Zeit auf eine Sache zu richten.
Maren Urner, Neurowissenschaftlerin
Positiv formuliert seien wir aufgrund dessen sehr neugierig und suchten nach neuen Inhalten, erklärt Unger. Die Klimakrise konkurriert eben mit anderen globalen Herausforderungen. Ukraine-Krieg, Energiekrise, die Politik von Donald Trump: All diese Themen beanspruchen Aufmerksamkeit und Ressourcen.
Forscher zu Klima-Subventionen:Fossile Energien: Deutschland hält Ziel nicht ein
Klimabewegung verliert klare Konturen
Selbst Greta Thunberg, einst das Gesicht der globalen Klimabewegung, scheint den Klimawandel nicht mehr als Top-Thema zu haben. Statt "Skolstrejk för klimatet" heißt es nun "Solidarität mit Gaza".
Die Klimabewegung verliert ihre klaren Konturen, wird politisch breiter - und damit auch diffuser. Während viele Aktivisten und Aktivistinnen sich zunehmend mit geopolitischen Konflikten solidarisieren, bleibt die eigentliche Klimakrise medial auf der Strecke. Die Folge: Ein Thema, das einst Millionen mobilisierte, wirkt heute manchmal wie ein alter Hashtag.
Brauchen wir also eine Pause bei diesem Thema? Neurowissenschaftlerin Maren Urner meint dazu: "Pausen sind generell wichtig, damit wir Energie sammeln und vor allem auch neue Perspektiven sowie Herangehensweisen sammeln können. Mit Blick auf die zunehmende Bedrohung und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ist diese besonders wichtig."
Ein Überschreiten der Drei-Grad-Marke bis 2050 sei ein "worst case", sagt Klimaforscher Rahmstorf. Wetterextreme würden dann "eine geregelte Anpassung praktisch unmöglich" machen.
24.09.2025 | 5:18 minKonstruktiv-kritische Berichterstattung gefordert
Dies sieht Ismeni Walter anders. Eine Pause wäre aus ihrer Sicht fatal: "Der Klimawandel macht schließlich auch keine - im Gegenteil."
Aus meiner Sicht hilft nur konstruktiv-kritische Berichterstattung, die zwar die Probleme benennt, aber immer auch Lösungsansätze aufzeigt.
Ismeni Walter, Professorin für Umweltjournalismus
Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping hat den UN seine Klimaziele vorgestellt. Xi kündigte an, dass die Treibhausgasemissionen bis 2035 um bis zu zehn Prozent sinken sollen.
25.09.2025 | 0:30 minVielleicht müssen sich da die Medien auch selbst häufiger hinterfragen, sagen Kommunikationsexperten: Mal werde die Erderwärmung als Weltuntergang inszeniert, mal als Randnotiz abgehandelt. Der größere Zusammenhang? Oft Fehlanzeige und so führe die ständige Konfrontation mit apokalyptischen Szenarien bei vielen Menschen zu einer Abwehrhaltung.
Aktivisten finden neue Wörter
Um nicht mit immer gleichen Begriffen eine reflexartige Reaktion zu erzeugen, versucht besonders die Szene der Klimaaktivisten es mit neuen Begriffen. Gerne auch in englischer Sprache - dies stellt Lutz Kuntzsch fest: "Worte lenken Wahrnehmung - wer 'climate emergency' sagt statt 'Klimawandel', setzt ein Zeichen. Politik und Aktivismus formen unsere Sprache - und damit unser Denken."
Trotz Klimamüdigkeit wird der Klimawandel nicht verschwinden, nur weil er ignoriert wird - im Gegenteil: In den kommenden Jahren entscheidet sich, ob Kipppunkte noch verhindert werden können.
Extremwetterkongress in Hamburg:Ist das Klima noch zu retten?
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