Extremwetterkongress in Hamburg:Ist das Klima noch zu retten?
Deutschland erwärmt sich so schnell wie kaum eine andere Region der Erde. Extremwetter nimmt dadurch rasant zu. Forscher warnen: Städte müssen sich dringend anpassen.
Die globale Erwärmung schreitet voran und das Wetter wird extremer - schneller als bislang angenommen. Auf dem Extremwetterkongress in Hamburg wird diese Entwicklung diskutiert.
24.09.2025 | 2:33 minAron Kaszta klettert die Metallleiter bis nach oben. Vor ihm liegt das Dach von Halle 36 auf dem Campus der Helmholtz-Forschungsgemeinschaft im Westen Hamburgs. Die Halle wächst von den Seiten zu. Auf dem Dach sind Sträucher, Bodendecker und einige Insektenfallen. Die schaut sich Biologe Kaszta genauer an. "Das ist eben die Frage, inwieweit so ein Gründach auch die Biodiversität unterstützen kann", fasst er seine Arbeit zusammen. Es gäbe sehr viele Gründächer in Hamburg und, so fügt der Biologe an, es werden auch in Zukunft immer mehr.
Gemeint ist die Gründachstrategie von Hamburg. Sie ist ein Baustein im Versuch der Metropole, sich dem Klimawandel irgendwie anzupassen. Wie stark der voranschreitet, merken die Norddeutschen an den Pegeln der Nordsee. Teilweise ist das Wasser bereits 25 Zentimeter gestiegen - im Durchschnitt. Für die Halligen und manche Küstenregionen kann das schon heute existenzbedrohend sein.
Ein Überschreiten der Drei-Grad-Marke bis 2050 sei ein "worst case", sagt Klimaforscher Rahmstorf. Wetterextreme würden dann "eine geregelte Anpassung praktisch unmöglich" machen.
24.09.2025 | 5:18 minEin Rekordjahr nach dem anderen
Die Klimaforscher auf dem Extremwetterkongress verzeichnen viele Rekorde. Negative Rekorde. So lagen laut Deutschem Wetterdienst die drei wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturaufzeichnung in den vergangenen vier Jahren. Mit 39,6 Grad ist der heißeste Tag in Deutschland im vergangenen Jahr gewesen und mit einer Durchschnittstemperatur von 2,5 Grad ist Deutschland einsame Spitze weltweit. Die Erwärmung schreitet in Europa deutlich schneller voran als im weltweiten Vergleich.
Tobias Fuchs, Leiter der Abteilung Klima und Umwelt beim Deutscher Wetterdienst, fordert daher auch, dass deutlich mehr in den Klimaschutz investiert werden müsse. Das sei die "langfristige Seite".
Wir müssen uns aber anpassen an die nicht mehr vermeidbare Seite des Extremwetters und uns und die kritische Infrastruktur schützen.
Tobias Fuchs, Leiter der Abteilung Klima und Umwelt beim Deutschen Wetterdienst
Auch dieses Jahr hat Europa wieder schwere Unwetter wie Überflutungen und Brände erlebt. Der Extremwetterkongress in Hamburg tagt am 24. und 25.09. zum Thema Extremwetter und Klimawandel.
24.09.2025 | 3:13 minGeht alles noch schneller?
Ein Schutz, der angesichts der diskutierten Zahlen auf dem Kongress, immer wichtiger scheint. Längst gehen manche Klimaforscher von einem exponentiellen Anstieg aus. Deutlich höhere Durchschnittstemperaturen in den kommenden drei Jahrzehnten, und zwar so viel mehr, dass auch ZDF-Meteorologe Özden Terli nur warnen kann. Ein weiterer, deutlicher Anstieg, so Terli, gehe massiv auf die Natur, auf die Pflanzen und auf die Menschen.
Das wäre ein epochaler Umbruch, den es so noch nie gegeben hat.
Özden Terli, ZDF-Meteorologe
Die Wissenschaft ist sich in der Geschwindigkeit der Erwärmung nicht ganz einig. Wohl aber in der Meinung, dass im schlimmsten Fall jede Messlatte reißt. Und dass momentan der Klimaschutz eher ins Hintertreffen gerät.
Anpassung ist der Schlüssel
Vor allem den Städten bleibt nichts anderes übrig, als sich anzupassen. Denn schon jetzt ist klar: Großstädte wie Hamburg sind von einem Temperaturanstieg viel stärker betroffen als ländliche Regionen. Die Gründachstrategie ist ein Baustein. Einige der begrünten Dächer in der Stadt betreut Marco Schmidt. Der Biologe von der Technischen Universität Berlin misst die Verdunstungseffekte auf den grünen Dächern. Die haben eine so starke Kühlleistung, dass die Mitarbeitenden das drinnen deutlich merken. "Wenn es im Sommer draußen anfängt zu regnen", erläutert der Biologe, "und es ist total heiß im Sommer, dann sind gleich 10 bis 15 Grad weg."
Hamburg will sich mit einer Gründachstrategie an den Klimawandel anpassen.
Diesen Effekt will er auf möglichst viele Dächer übertragen. Dazu, so Schmidt, noch eine sinnvolle Regenwassernutzung und schon wäre einiges erreicht. Die Idee hat zumindest die Hamburger Politik erreicht. Ein Gesetz zur Dachbegrünung ist in der Mache. Wie viel Fläche damit allerdings entsteht, ist schwierig zu sagen. Schräge Dächer lassen sich nicht begrünen.
Die Beschleunigung der globalen Erwärmung bringt auch Deutschland mehr Extremwetter „Wir müssen uns sehr schnell anpassen“, sagt Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
24.09.2025 | 4:16 minFür Mojib Latif sind das alles wichtige Schritte auf dem Weg, um mit dem Klimawandel klarzukommen. "Uns bleibt nichts anderes mehr übrig, als uns anzupassen", erläutert der Klimaforscher und Präsident der Akademie der Wissenschaften. Allerdings bemerkt er, dass die Menschen sich immer weniger für das Klima interessieren.
"Auf der einen Seite nehmen die Extreme immer weiter zu", erklärt er im ZDFheute-Interview.
Wir haben immer intensivere Ereignisse, aber die Wahrnehmung ist genau umgekehrt.
Mojib Latif, Klimaforscher
Nämlich, dass Klimaschutz in der Politik und bei den Menschen immer weiter nach unten auf der Agenda gedrängt werde. Und trotzdem, fügt er noch mit einem Lächeln an, bleibe er optimistisch.
Sven Rieken ist Korrespondent im ZDF-Studio in Hamburg.
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