Eis schmilzt immer schneller:Klimawandel: Warum Grönland so wichtig ist
Grönland ist weit weg. Wegen seiner schieren Masse ist der Eisschild auf der riesigen Insel aber dennoch wichtig. Der Klimawandel taut ihn zunehmend auf - und das immer schneller.
Der Nuuk-Fjord: Das zweitgrößte Fjordsystem Grönlands, das 160 Kilometer ins Landesinnere reicht.
Quelle: epaNoch ist Grönlands Eisschild riesig. So groß, dass das Eis in flüssiger Form die Meere um mehr als sieben Meter ansteigen lassen würde. Dass das in absehbarer Zukunft passiert, ist zwar unwahrscheinlich. Trotzdem: Das Eis schmilzt durch die Erderwärmung stetig - mit Folgen, die auch für die Forschung noch nicht alle abschätzbar sind.
Milliarden Tonnen Eis verloren
Nach Messungen des EU-Klimawandeldienstes Copernicus hat der grönländische Eisschild zwischen 1972 und 2023 schon mehr als 6.000 Milliarden Tonnen Eis verloren. Das allein hat ausgereicht, um die Ozeane weltweit um rund 17,3 Millimeter ansteigen zu lassen. Besonders dramatisch: Die Geschwindigkeit des Schmelzens nimmt zu. In den 1980er-Jahren hat der Schild noch um die 60 Milliarden Tonnen Masse im Jahr verloren, in den 2010er-Jahren waren es bereits mehr als 245 Milliarden.
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28.09.2023 | 0:39 min"Im Zuge der Klimaerwärmung werden die Zeiträume, in denen die Temperaturen über dem Gefrierpunkt liegen, immer länger. Und immer höher gelegene Gebiete des Eisschilds sind davon betroffen", erklärt Dr. Ole Zeising, Glaziologe am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Mehr Eis schmilzt dadurch an der Oberfläche. Aber nicht nur da."
Das Schmelzwasser beeinflusst auch die Eisdynamik, indem es die Eisbasis schmiert und die schwimmenden Eiszungen schneller abschmelzen lässt.
Dr. Ole Zeising, AWI
Diese würden also sowohl von oben als auch von unten schmelzen. "Die Eiszungen stabilisieren jedoch das Inlandeis", so Zeising. "Schmelzen diese ab, können sich die Gletscher beschleunigen und mehr Eis fließt ins Meer."
Drastische Auswirkungen auf Europas Wetter
Dass dieses viele Wasser kein Salz enthält ist, hat weitere Folgen: "Aufgrund der geringen Dichte des Frischwassers kann dieses die Umwälzzirkulation schwächen", sagt Zeising. Diese Umwälzbewegung ist ein System von Strömungen im Atlantik, das die Wettersysteme weltweit beeinflusst. Es sorgt unter anderem für mildere Temperaturen in Europa. Ein deutliches Abschwächen oder ein Zusammenbruch hätte drastische Folgen.
Auch wenn Grönland das altnordische Wort für "Grünland" ist: Wirklich grün war die Insel, die etwa sechsmal so groß ist wie Deutschland, nie. Im Mittelalter gab es dort zwar eine etwas wärmere Phase, in der vereinzelt Wikinger dort siedelten, der schöngefärbte Name sollte aber wohl eher Siedler anlocken. Das Land war auch damals unwirtlich und kalt. 80 Prozent sind von Eis bedeckt. Auf der Insel, die politisch zu Dänemark gehört, wohnen heute nur rund 56.500 Menschen.
In den Jahren 2023 und 2024 war es in Grönland ungewöhnlich kühl und es gab mehr Niederschläge als sonst. Dadurch war der Schwund des Eises unter dem Schnitt der letzten beiden Jahrzehnte. Am Trend ändert das aber nichts: Es schmilzt. Und zwar sehr schnell. Ein Grund: Der so genannte Albedo-Effekt. Je weniger Fläche in der Arktis von Eis und Schnee bedeckt ist, desto dunkler ist sie und umso weniger gut kann sie das Sonnenlicht zurückstrahlen. Die Oberfläche erwärmt sich schneller.
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20.02.2025 | 1:36 minWird Empfindlichkeit des Schildes richtig eingeschätzt?
Grönland und der Eisschild sind dabei ein komplexes System. Eines, dessen weitere Entwicklung schwer vorhersagbar ist. Für AWI-Gletscherforscher Dr. Ingo Sasgen ist die entscheidende übergeordnete Frage deshalb, ob die bisherigen Modelle die Empfindlichkeit des Schildes auch wirklich richtig einschätzen.
Das betreffe zum Beispiel die Frage, welche Folgen einzelne Hitzesommer im Vergleich zu mehreren zu warmen in Folge haben. "Vor Ort beobachten wir immer neue, teils unerwartete Veränderungen, die mit Schmelzen zusammenhängen", berichtet Sasgen.
"Etwa die Ausbreitung von Schmelzwasserseen, aber auch die Veränderungen der physikalischen Eigenschaften des Firns - der obersten Meter verdichteten Schnees." Das hat Einfluss darauf, wie das Schmelzwasser fließt und ob es etwa wieder gefrieren kann.
Eine weitere offene Frage ist: Wo liegen Kipppunkte für einen schnellen Rückzug des Eisschildes?
Dr. Ingo Sasgen, AWI
Kipppunkt bereits überschritten?
Konkreter: Ab welchen Temperaturen verliert der Eisschild seine heutige Stabilität? Das könnte, so Sasgen, nach Modellen schon ab einer Erderwärmung von 0,6 bis 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit sein. Damit wäre der Punkt bereits überschritten.
Auf der arktischen Landmasse war es auch im kühleren 2024 1,34 Grad wärmer als der Durchschnitt aller Jahre seit 1979. Die fünf wärmsten jemals gemessenen Jahre lagen laut Copernicus alle im Zeitraum nach 2016.
Sasgen: "Bei etwa 2,3 Grad Erderwärmung wäre langfristig sogar ein nahezu vollständiger Eisverlust möglich - allerdings über Zeiträume von Jahrhunderten bis Jahrtausenden", warnt der Forscher. Ob der Schild danach unwiederbringlich verloren ist oder bei einer Abkühlung wieder zurückkommen würde, kann wohl kein Modell wirklich zuverlässig vorhersagen.
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion
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