Recycling beim Windrad: Neue Konzepte für Rotorblätter
Rotorblätter schwer verwertbar:Neue Konzepte für Windrad-Recycling
von Manfred Kessler
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Mit dem Ausbau der Windkraft wächst auch das Problem, die Anlagen am Ende zu entsorgen. Vor allem die Rotorblätter sind kritisch. Für sie gibt es immerhin neue Konzepte.
Immer größer und immer stärker: Neue Windkraftanlagen werden gebaut, alte müssen entsorgt werden. Deren Recycling ist aber nach wie vor ein Problem.
Quelle: Rupert Oberhäuser
Gut 30.000 Windkraftanlagen gibt es derzeit in Deutschland auf dem Festland und auf dem Meer. Die meisten stehen "onshore", also auf Landfläche. Die Windräder erzeugen gegenwärtig fast ein Drittel des gesamten deutschen Stroms. Schon in fünf Jahren sollen es 60 Prozent sein.
Windanlagen werden immer größer
Windkraftanlagen werden daher immer höher und riesiger. Kleinere ersetzt man durch größere Anlagen. "Repowering" heißt hier das Stichwort. Nach 20 bis 25 Jahren ist in der Regel Schluss. Die Windräder werden zurückgebaut und im Idealfall recycelt. Das allerdings ist aufwändig und teuer.
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Beton- und Stahl-Recycling kein Problem
Eine Windkraftanlage besteht aus einem Betonfundament, dem Turm, die sogenannte Gondel mit Getriebe, Generator und Steuerungselektronik sowie den Rotorblättern. Für den Beton, die Metallteile wie Stahl, Kupfer und Aluminium ist das Recycling kein Problem.
Alle diese Stoffe können umweltgerecht verwertet werden. Der Beton wird geschreddert und landet in der Regel im Straßenbau. Die Metallteile werden in der Eisen- und Stahlindustrie wiederverwendet. So lassen sich 80 bis 90 Prozent einer Windkraftanlage ohne Probleme wiederverwerten.
Materialien der Rotorblätter zu fester Masse verbacken
Eine Herausforderung bei der Wiederverwertung stellen die riesigen Rotorblätter dar. Sie bestehen aus glas- und carbonfaserverstärkten Verbundwerkstoffen in Kombination mit leichtem Balsaholz und Kunststoffschaum. Zusammen mit Harz werden sie zu einer festen Masse verbacken.
Die Rotoren sind dadurch relativ leicht und sehr stabil, damit sie möglichst 25 Jahre den enormen Belastungen von Wind, Wetter oder großen Stürmen standhalten. Der Nachteil: Die Materialen können nur schwer wieder voneinander getrennt werden.
Tonnenweise Müll aus Rotoren
Fast die Hälfte der bestehenden Anlagen ist älter als 15 Jahre. Allein in Deutschland fallen nach einer Studie des Umweltbundesamtes pro Jahr 20.000 Tonnen Rotorblattmaterial an. In den 2030er Jahren soll sich diese Menge auf jährlich 50.000 Tonnen erhöhen.
Seit 2009 dürfen die Rotorblätter nicht mehr auf Müllhalden deponiert werden. Der größte Teil wird daher zerschreddert und in der Zementindustrie "thermisch verwertet", sprich verfeuert. Kunststoffe und Harze dienen als Energielieferant. Die Asche aus den Glasfasern wird als Füllstoff im Zement eingesetzt. Glas- und Carbonfasern sind aber als Rohstoff somit verloren.
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Neue Ansätze der Wiederverwertung
Voraussetzung für ein erfolgreiches Recycling der Rotorblätter ist, die Materialien zu trennen. Balsaholz und Schäume lassen sich vergleichsweise leicht mechanisch separieren und werden als Bau- oder Isoliermaterial weiter genutzt. Glas- und Karbonfasern werden mit Pyrolyse, also einer Spaltung durch Hitze unter weitgehendem Sauerstoffausschluss, abgespalten.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Ganze mit einer Essigsäure voneinander zu trennen. Das Fraunhofer-Institut für Windernergiesysteme IWES in Bremerhaven beschäftigt sich mit diesem Thema.
Niels Ludwig ist mit diesem Projekt betraut. Er kommt aus der industriellen Rotorblattfertigung und will herausfinden, wie man ein solches Recycling im großen Stil industriell umsetzen kann. Noch rechne es sich nämlich nicht, sagt Senior-Ingenieur Ludwig.
Damit jemand investiert, muss ich letztendlich zeigen, was es kostet. Im Labor kann ich vieles machen, aber ich muss es im industriellen Maßstab zeigen.
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Niels Ludwig Fraunhofer-Institut IWES
Mengen noch zu klein für Investoren
Doch momentan gibt es zu wenig bestehende Anlagen, die ersetzt werden. Die Mengen sind noch zu klein, um Investoren zu locken. Oft würden die Windräder weiter verkauft nach Osteuropa oder Afrika, so Ludwig. Die erwarteten Recyclingmengen werden immer wieder nach unten korrigiert, weil auch mehr und mehr Anlagen weiter betrieben werden.
Es ist aber nur eine Frage der Zeit, wann die relevanten Mengen kommen werden. Dass sie kommen werden, da sind sich die Experten sicher. Niels Ludwig rechnet in drei bis vier Jahren mit einem ersten Recyclingzentrum als Versuchsanlage. Persönlich schätzt er, dass in acht bis zehn Jahren eine Recyclinganlage im industriellen Maßstab kommen werde.
Second Life für Rotorenteile
Auch beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beschäftigt man sich mit dem Problem. Hier verfolgt man aber den Ansatz, die Rotorblätter für andere Zwecke umzuarbeiten. Matthias Albiez von der Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine beim KIT spricht von einem "Second Life" der Teile.
Wir segmentieren und zerschneiden die Rotorblätter in Abschnitte. Wir schneiden umgangssprachlich gesagt Bretter heraus.
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Dr. Ing. Matthias Albiez, KIT
Aus diesen Brettern entstehen dann Lärmschutzwände, Haltestellenüberdachungen oder ähnliches. Der Vorteil sei, dass möglichst großteilige Abschnitte direkt nach der Aufbereitung weiterverwendet werden könnten ohne aufwändigen Schredderprozess, chemische oder thermische Auflösung. Auch hier sind Wirtschaftspartner beteiligt wie RWE oder die bundeseigene Autobahn GmbH, die bereit sei, ein Pilotprojekt zu starten. Bei diesem Forschungsprojekt sei man aber noch "in einem sehr frühen Stadium", so Abliez.
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Das Fazit: Beim Recycling der Rotorblätter von Windkraftanlagen gibt es zwar erste technische Lösungen, doch eine echte Kreislaufwirtschaft ist in diesem Bereich noch nicht erreicht. Die neuen angestrebten Projekte könnten somit die Nachhaltigkeit der Windenergie weiter verbessern.
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