Interview
Zollstreit mit den USA:Warum sich ein Handelsdeal für alle lohnt
von Anne Sophie Feil
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Handelskonflikte kennen keine Gewinner. So ist es auch bei dem Streit zwischen EU und USA. Ein Deal jedoch könnte beide Seiten wirtschaftlich stärken.
Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns stehen im Hafen von Emden zur Verschiffung bereit.
Quelle: dpa
Ein weiter eskalierender Zollkonflikt zwischen der EU und den USA - das würde auf beiden Seiten Wohlstand kosten. Die aktuell hohe Unsicherheit über Zölle und Exportbeschränkungen zeigt sich auch an den Aktienkursen. Sollte der Handelsstreit nicht gelöst werden, drohen weitere Turbulenzen an den Börsen.
Davor warnten Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Bundesbank-Präsident Joachim Nagel am Donnerstag bei einem Treffen der sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) in Kanada. Nagel sprach von einer "Kernschmelze", die sich im April an den Märkten ereignete, ausgelöst durch US-Sonderzölle.
Tagelang machte der deutsche Leitindex Dax Verluste, am 7. April startete er mit einem Minus von zehn Prozent in den Handel. Er gilt als Barometer für die konjunkturelle Entwicklung und das Vertrauen in die 40 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands. Wichtig also auch für Konsumenten und Arbeitnehmer.
Die US-Zölle bedrohen Arbeitsplätze und wirtschaftliche Stärke auf beiden Seiten des Atlantiks.
Lars Klingbeil (SPD), Bundesfinanzminister
Mittlerweile sind viele der US-amerikanischen Zölle gegen China und die EU für 90 Tage ausgesetzt, um Verhandlungen zu ermöglichen.
Studie: So würde die deutsche Wirtschaft leiden
Eine Studie zeigt nun, in welchem Ausmaß die deutsche Wirtschaft unter dem Handelskonflikt leiden könnte. Besonders betroffen wären die Autobranche, der Maschinenbau, sowie Pharma und Logistik. Sie exportieren viel in die USA. Überproportional stark wären demnach auch Regionen mit hoher Industriepräsenz betroffen - Köln, Hamburg und Darmstadt beispielsweise.
Die Berechnungen stammen vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und dem Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen.
Die Stiftung Familienunternehmen wurde 2001 gegründet und sitzt in München. Sie setzt sich für die wirtschaftspolitischen Interessen großer deutscher Familienunternehmen ein und vergibt Studien zu Standortbedingungen, Steuern und Globalisierung. Die Stiftung befürwortet Freihandel und ein regelbasiertes Wirtschaftssystem.
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) wurde 1927 gegründet und hat seinen Sitz in Wien. Es gilt als führendes Wirtschaftsforschungsinstitut Österreichs und erstellt Analysen und Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung im In- und Ausland.
Unsicherheit hemmt Investitionen
Die Unsicherheit ist das größte Risiko. Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump ist unberechenbar - Unternehmen fehlt Planungssicherheit. Viele Firmen zögern daher mit Investitionen und Entscheidungen - etwa, ob Produktionsstandorte verlagert oder Kapazitäten im Inland ausgebaut werden sollten.
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer beschreibt: "Solange die Unternehmen nicht wissen, was auf die zukommt, werden sie sich auch nicht entscheiden, zu investieren, also beispielsweise Produktion in die USA zu verlagern oder hier ihre Produktion auszubauen und wieder zu exportieren."
Aktuell ist vor allen Dingen die US-Zollpolitik etwas, das die deutsche Wirtschaft sehr verunsichert. Denn es ist nicht klar, mit welchen Zöllen wir wirklich rechnen müssen.
Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats Wirtschaft
Deal würde langfristig Wachstum sichern
Die EU-Kommission, die die Handelspolitik in der Europäischen Union koordiniert, sollte daher schnell eine Lösung mit den USA voranbringen. Die EU würde am liebsten alle Industriezölle abbauen und längerfristig zu einem Freihandelsabkommen mit den USA kommen. "Aus meiner Sicht war die Botschaft im April so stark, dass das letztendlich bei allen Beteiligten angekommen ist", sagte Nagel auf dem G7-Treffen.
"Ein Handelsdeal hingegen wäre beiderseitig von Vorteil" - zu diesem Schluss kommt auch die Studie. Grundlage der Berechnung: Der Wegfall aller Zölle und der Abbau bürokratischer Hürden beiderseits.
In diesem Szenario könnte die deutsche Wirtschaftsleistung langfristig um 0,6 Prozent wachsen. In manchen Regionen - etwa Bremen - läge das Plus sogar bei über einem Prozent. Auch die USA würden profitieren. Die US-Wirtschaft könnte langfristig um 0,4 Prozent steigen, Exporte aus den USA um ein Fünftel zunehmen.
Die Trümpfe der Europäer
Trotz aller Risiken ist Europa gut aufgestellt. Die Studie hebt hervor: Die EU hat Trümpfe in der Hand - etwa die US-Überschüsse bei digitalen Dienstleistungen, die als Verhandlungshebel dienen können. Auch bei Zöllen kann sie den USA entgegenkommen, ohne eigene Interessen zu opfern.
Die EU brauche eine klare Strategie für den Ernstfall, mehr innere Geschlossenheit und gezielte Unterstützung für besonders betroffene Regionen.
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