Studie über Wirtschaftswachstum:Warum sich Zusammenhalt in der Gesellschaft lohnt
von Florian Neuhann
Länder mit hohem Zusammenhalt sind wirtschaftlich erfolgreicher. Das belegt eine neue Studie, die ZDFheute exklusiv vorliegt. Was heißt das für Deutschland - und für die USA?
Fertigung von Wärmepumpen im Werk der Firma Viessmann in Allendorf.
Quelle: epaWie gut sich gesellschaftliche Gruppen verstehen - wie gut eine Gesellschaft im Inneren zusammenhält: In der wirtschaftspolitischen Debatte galt das lange als nebensächlich. Ein wenig Sozialromantik, ein wenig Gedöns. Aber mit Sicherheit kein harter ökonomischer Faktor.
Eine internationale Vergleichsstudie, die ZDFheute vorab vorliegt, belegt nun jedoch empirisch das Gegenteil. Zwischen gesellschaftlichem Zusammenhalt und wirtschaftlicher Leistung gebe es einen sehr viel stärkeren Zusammenhang als bislang angenommen, heißt es da.
Was braucht es, damit wir nicht immer weiter auseinanderdriften? Harald Lesch und Thomas Schwartz analysieren die Bedeutung von Gemeinschaft.
01.11.2022 | 13:46 minZusammenhalt positiv fürs Bruttosozialprodukt
Übersetzt: Je stärker eine Gesellschaft zusammenhält, desto stärker wächst das Bruttoinlandsprodukt des Landes. Und im Umkehrschluss: je gespaltener eine Gesellschaft, desto größer das Risiko auch für die Wirtschaft. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Wirtschaftswissenschaftlers Nils Goldschmidt und seiner Kollegen im Auftrag des Roman Herzog Instituts.
... ist seit Februar 2025 Direktor des Weltethos-Instituts. Er ist zudem Professor für Kontextuale Ökonomik und ökonomische Bildung an der Universität Siegen. Seit Oktober 2024 ist Goldschmidt Mitglied im Deutschen Ethikrat.
Der Wirtschaftswissenschaftler ist auch stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Ökonomische Bildung (DeGÖB) und Berater der Deutschen Bischofskonferenz zu gesellschaftlichen und sozialen Fragen. Darüber hinaus engagiert er sich in zahlreichen weiteren wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen.
Quelle: Weltethos-Institut
Für die Studie, die am Donnerstag der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, hatten die Forscher die Daten aus 171 Ländern ausgewertet. Dabei verglichen sie Faktoren des gesellschaftlichen Zusammenhalts - von Konflikten zwischen Gruppen bis zur wahrgenommenen Legitimität des Staates - mit der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts.
Wie hoch der Zusammenhang sei, das habe ihn selbst überrascht, berichtet Goldschmidt, Direktor des Weltethos-Instituts in Tübingen, im Gespräch mit ZDFheute. Tatsächlich steige der Zusammenhang ab einem gewissen Maß sogar exponentiell, werde also bei steigendem Zusammenhalt immer größer.
Goldschmidt fordert daher:
Wir können es uns nicht erlauben, den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus dem wirtschaftspolitischen Diskurs auszuklammern.
Nils Goldschmidt, Wirtschaftswissenschaftler
Viele Menschen setzen auf ein Umdenken am Arbeitsplatz, in der Landwirtschaft und beim Wohnen - und erleben wirtschaftlichen Erfolg.
23.11.2023 | 29:45 minDerzeit werde viel über Infrastukturprobleme geredet. Man müsse jedoch auch "soziale Infrastruktur" in den Blick nehmen: die Frage, wie in den Kommunen der gesellschaftliche Zusammenhalt gefördert werden könne.
Die USA - ein Ausreißer?
Den Zusammenhang belegen die Forscher in ihrer Studie für einen Großteil der untersuchten Staaten. Einen Ausreißer aber stellen sie fest: die USA. Von 2007 bis 2023 habe sich der gesellschaftliche Zusammenhalt in den USA den Daten zufolge stark verschlechtert. Und dennoch sei die Wirtschaft enorm gewachsen.
Goldschmidt erklärt dies mit den historisch gewachsenen institutionellen Strukturen in den USA, die wie ein "wirtschaftliches Sicherheitsnetz" wirken würden. Aber er warnt auch: "Wir gehen davon aus, dass der Einbruch beim gesellschaftlichen Zusammenhalt auch massive negative Effekte auf die amerikanische Wirtschaftsleistung in naher Zukunft haben wird."
Nicht erst seit dem 6. Januar 2021 - seit dem Sturm aufs Kapitol - sind die USA ins Wanken geraten. Wie konnte es so weit kommen?
11.04.2024 | 42:28 min
Zumindest für die USA deutet sich an: Erodiert die Demokratie, gefährdet das auch die Marktwirtschaft.
Nils Goldschmidt, Ökonom
Einfluss des Zusammenhalts in Deutschland?
Im Gegensatz zu den USA ist der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten übrigens sogar gewachsen. Eine Tendenz zur Spaltung, sagen die Forscher, könne man daher nicht feststellen.
Die führenden Wirtschaftsinstitute rechnen für 2026 mit einem leichten Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent. Doch diese Dynamik könnte von nur kurzer Dauer sein.
25.09.2025 | 1:27 minSein Appell aber ist eindringlich: Man dürfe den Zusammenhalt nicht vernachlässigen. Jede Investition in gesellschaftlichen Zusammenhalt werde sich am Ende auch wirtschaftlich auszahlen.
Florian Neuhann leitet das ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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