Deutsche Wirtschaft: BIP - Ergebnis eines Giftcocktails

Analyse

Wo steht die deutsche Wirtschaft?:BIP: Das Ergebnis eines Giftcocktails

Klaus Weber

von Klaus Weber

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Neueste Konjunkturdaten geben wenig Anlass zu Freudensprüngen. Deutschland bleibt ein wirtschaftliches Sorgenkind. Das Bruttoinlandsprodukt stagniert im dritten Quartal.

Kräne stehen auf einer Baustelle am Alexanderplatz in Berlin (Symbolbild für die deutsche Wirtschaft).

Laut vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes bleibt das BIP im dritten Quartal unverändert. (Symbolbild)

Quelle: dpa

Es gab Zeiten, da hat man im Ausland neidvoll auf das deutsche Wachstum geschaut. Inzwischen wirkt das einstige Wirtschaftswunderland, beim Blick auf die Konjunktur höchstens noch wundersam. Geblieben ist eine Art neuer deutscher Mattigkeit, die aufs Gemüt schlägt.

Aber was bleibt einem übrig, man muss sich der Realität stellen. Bringen wir es also hinter uns: Auch im dritten Quartal hat das Bruttoinlandsprodukt, also die Kennzahl, die salopp gesagt unser aller Arbeitskraft misst, keinerlei Dynamik zu verzeichnen. Ein Nullwachstum vermeldete das Statistische Bundesamt für das dritte Quartal.

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Die Sommermonate verliefen also ohne den vom Kanzler versprochenen Aufschwung. Optimistisch betrachtet, hat man das Schlimmste verhindert, denn nach dem Rückgang des BIP im zweiten Quartal hätte ein weiteres Negativquartal eine technische Rezession bedeutet. Aber das kann ja nun kaum der Anspruch sein.

Strukturelle Schwäche

Deutschland steckt in einer systemischen Schwächephase. Das sieht auch Galina Kolev-Schaefer, Professorin an der Technischen Hochschule Köln und Ökonomin am Institut der deutschen Wirtschaft so:

Die andauernde strukturelle Schwäche der deutschen Wirtschaft ist das Ergebnis eines Giftcocktails aus hauseigenen Herausforderungen und externen Faktoren, die nach wie vor die Wettbewerbsfähigkeit vieler deutscher Unternehmen schmälern und dadurch die Wirtschaftsentwicklung hierzulande beeinträchtigen.

Galina Kolev-Schaefer, Ökonomin

Die Probleme sind vielfach identifiziert. Bürokratie, kostenintensive Energie, Investitionsstau, Handelskonflikte, unsichere Geopolitik, sinkende Nachfrage aus China, Fachkräftemangel - man könnte noch lange so weitermachen, denn die Liste ist lang.

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Andere Länder überholen Deutschland

Dies alles führt dazu, dass Deutschland beim BIP nur knapp über dem Niveau von 2019, also vor der Corona-Pandemie, liegt. Die deutsche Wirtschaft sei damit "praktisch seit sechs Jahren nicht mehr gewachsen", diagnostiziert das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Doch damit nicht genug, Deutschland ist innerhalb der Eurozone der kranke Mann Europas.

"In Frankreich liegt die gesamtwirtschaftliche Leistung nach dem deutlichen Anstieg im dritten Quartal 2025 um fast sechs Prozent über dem Vorkrisenniveau aus dem vierten Quartal 2019. In Italien beläuft sich der Anstieg, trotz der aktuellen Stagnation, auf fast sieben Prozent und in Spanien sogar auf zehn Prozent", erklärt Galina Kolev-Schaefer.

Protektionismus: Eine besondere Gefahr für Exportnationen

Einer der Gründe dafür ist sicher der von Donald Trump angezettelte Handelskrieg, meint auch Felix Hüfner, Chefvolkswirt der UBS: "Zu den zyklischen Faktoren zählen etwa die US-Importzölle, die derzeit gerade die export-intensive deutsche Volkswirtschaft mehr treffen als andere."

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Protektionismus ist insbesondere für eine Exportnation eine besondere Gefahr. Deshalb schlägt Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturchefin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, in dieselbe Kerbe: "Während die Binnenwirtschaft eine gewisse Stabilität bietet, belasten rückläufige Exporte und eine schwache Industrieproduktion die Gesamtleistung."

Hoffnung liegt auf Investitionsprogramm

Doch insgesamt reicht das als Erklärung natürlich nicht aus. Es liegt auch daran, dass die Probleme zwar identifiziert sind, aber die Reformen zumindest derzeit nicht ausreichen. Dazu ist die Aufbruchstimmung nach den Bundestagswahlen völlig verpufft. Trotzdem ruht weiterhin viel Hoffnung auf dem Maßnahmenpaket der Bundesregierung.

Blickt man nach vorne, dann erwarten wir im nächsten Jahr einen deutlichen Anstieg des deutschen Wachstums auf 1,2 Prozent (nach 0,2 Prozent in 2025), getrieben vor allem durch zusätzliche Fiskalausgaben für Verteidigung und Infrastruktur.

Felix Hüfner, Chefvolkswirt der UBS

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Auch für Geraldine Dany-Knedlik gewinnen die Investitionen an Bedeutung "doch ein nachhaltiger Aufschwung hängt von der Wirksamkeit öffentlicher Programme für Infrastruktur und Klimaschutz ab."

Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Öffentliche Investitionen sind zwar wichtig, aber es gibt keinerlei Automatismus, dass sie auch tatsächlich einen Wirtschaftsboom auslösen, sie können diesen höchstens anschieben.

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