Europäische Superbörse: Was der Merz-Vorschlag bringen könnte

FAQ

Vorschlag von Bundeskanzler Merz:Was würde eine europäische Superbörse bringen?

Klaus Weber

von Klaus Weber

|

Friedrich Merz bringt eine alte Idee ins Spiel: Eine europäische Superbörse. Damit will er der Wall Street Konkurrenz machen. Kann das gelingen?

Bundeskanzler Friedrich Merz

Große Unternehmen zieht es für den Börsengang häufig in die USA - kann eine europäische Superbörse das ändern?

Quelle: dpa | Arne Dedert

Die Börsenlandschaft in Europa ist in etwa so zerklüftet wie der Grand Canyon. Allein in Deutschland gibt es sieben Regionalbörsen. Insgesamt zählt Europa mehr als 500 unterschiedliche Handelsplätze.

Die bekanntesten und größten sind die Euronext, mit Hauptsitz in Amsterdam, die London Stock Exchange und die Börse in Frankfurt. Doch selbst diese drei größten Handelsplattformen Europas zusammengerechnet, sind gegenüber der New York Stock Exchange und der Technologiebörse Nasdaq ein Winzling. Auch die Börsen in Shanghai und Tokio sind größer als jeder dieser europäischen Handelsplätze.

Die Idee: Eine europäische Superbörse - Fragen und Antworten.

Händler im Handelssaal der Deutschen Börse am 27.01.2025 in Frankfurt am Main.

Europas Börsen profitieren von Investoren, die ihr Kapital aus den USA in andere Regionen verlagern. Was hat Trumps Politik damit zu tun - und wie lange hält der Trend an?

23.06.2025 | 1:38 min

Warum gehen Firmen lieber an die Wall Street?

Die schiere Größe der Börsen in den USA lockt die Firmen an, wie Motten das Licht. Fast täglich gibt es in New York Börsengänge. Die Gründe: Mehr Kapital und eine große Nachfrage, also viel Liquidität.

Dem hat Europa kaum etwas entgegenzusetzen. Frankfurt hatte in diesem Jahr gerade einmal mickrige vier Börsengänge zu verzeichnen. In anderen europäischen Ländern sieht es kaum besser aus: Seit Jahren ist der sogenannte IPO-Markt in Europa rückläufig. Auch vielversprechende deutsche Firmen wählen oft New York als Handelsplatz.

Was fordert Bundeskanzler Merz?

Dass viele Unternehmen ihr Glück in New York suchen, das ist Kanzler Friedrich Merz (CDU) ein Dorn im Auge, deshalb forderte er vor kurzem im Bundestag:

Wir brauchen eine Art European Stock Exchange, damit erfolgreiche Unternehmen wie zum Beispiel Biontech aus Deutschland nicht an die New Yorker Börse gehen müssen.

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler

Auch Birkenstock, der ehemalige Dax-Konzern Linde oder der schwedische Zahlungsanbieter Klarna ziehen die US-Börse den europäischen vor.

Martin Brambach in der fiktiven Rolle des Versicherungskaufmanns Schrader hinter der ZDF-Journalistin Sarah Tacke

Spitzenverdiener vs. Niedriglöhner: Die Doku fragt, wie gerecht Gehälter verteilt sind – und warum Transparenz fehlt. Wer verdient viel, wer viel zu wenig?

02.09.2025 | 43:38 min

Merz wärmt damit eine eigentlich alte Idee auf. Bereits 2017 untersagte die EU die Übernahme der London Stock Exchange durch die Deutsche Börse. Damals wäre ein europäischer Gigant entstanden. Heute rächt sich diese Entscheidung. Denn die vielfältigen europäischen Herausforderungen werden ohne privatwirtschaftliche Gelder nicht gelingen.

Was könnte eine europäische Superbörse bringen?

Eine europäische Wall Street könnte dabei helfen die Transformation Europas zu ermöglichen, denn sie würde auch den Unternehmen einen leichteren Zugang zu Kapital ermöglichen. "Eine stärkere Kapitalverfügbarkeit würde Innovationen und wachstumsstarke Sektoren (etwa Biotechnologie oder grüne Energien) fördern", glaubt Martin Lück von der Finanzberatungsfirma Macromonkey.

"Zudem gäbe es weniger regulatorische Unterschiede und geringeren juristischen Aufwand, um an verschiedenen nationalen Märkten zu notieren." Damit könnte man den US-Börsen durchaus Konkurrenz machen, meint Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance & Management:

Der größte Vorteil wäre, dass die EU endlich auf Augenhöhe mit den wichtigen Wettbewerbern New York, London oder auch zunehmend in Asien, Singapur oder Hongkong agieren könnte.

Christoph Schalast, Frankfurt School of Finance & Management

Allerdings gibt er zu bedenken, dass sich "der Aktienmarkt in der EU, insbesondere auch in Deutschland, gegenüber den USA schwächer entwickelt", da es hierzulande etwa viel weniger Pensionsfonds gebe, die in den Aktienmarkt investieren.

Donald Trump vor einer Grafik zum prognostizierten BIP, dahinter die US-Flagge

Aktien-Crash, drohende Rezession, schlechte Stimmung: Wie geht es der US-Wirtschaft unter Präsident Donald Trump?

25.10.2025 | 1:34 min

Wo könnte die europäische Superbörse sitzen?

Doch hätte eine solche Börse überhaupt eine Chance auf Umsetzung im traditionell von Eigeninteressen geleiteten europäischen Wettbewerb? Spannend sei für ihn gewesen, meint Schalast, "dass die großen europäischen Finanzplätze durchgehend Zustimmung signalisiert haben". Tatsächlich haben die Finanzplätze Amsterdam, Paris, Frankfurt und Mailand ebenso positiv auf den Merz-Vorschlag reagiert wie die Europäische Zentralbank. Es scheint also einen Konsens über die Notwendigkeit einer solchen Institution zu geben.

Dennoch dürfte es noch ein Hauen und Stechen um den Standort einer solchen Superbörse geben, sollte die Sache tatsächlich näher rücken. Auch Martin Lück sieht trotz diverser Absichtserklärungen erhebliche strukturelle und politische Hürden: "So herrscht zwischen wichtigen Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich Konkurrenz um die Vorherrschaft im Finanzsektor. Beide möchten, dass zentrale Handelsfunktionen auf ihrem Hoheitsgebiet liegen."

Heißt: Solange nationale Befindlichkeiten nicht beiseite geräumt werden, macht weiterhin die Wall Street das große Geschäft.

Mehr zu Wirtschaft

  1. Donald Trump vor einer Grafik zum prognostizierten BIP, dahinter die US-Flagge

    Wichtige Daten im Überblick :Wie geht’s der US-Wirtschaft unter Trump?

    von Robert Meyer
    mit Video

  2. Flaggen der Europäischen Union

    Treffen beginnt in Brüssel:Um welche Fragen die EU-Staaten beim Herbstgipfel ringen

    Andreas Stamm, Brüssel
    mit Video

  3. Ein Fließband in einer Produktionshalle

    Stellantis, Hyundai, Roche & Co.:Investitionsboom in den USA: Ist das der Trump-Effekt?

    von Klaus Weber
    mit Video

  4. Bundeskanzler Friedrich Merz (r) spricht mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei ihrer Ankunft zu einem Treffen des Europäischen Rates in Brüssel