Vorschlag von Bundeskanzler Merz:Was würde eine europäische Superbörse bringen?
von Klaus Weber
Friedrich Merz bringt eine alte Idee ins Spiel: Eine europäische Superbörse. Damit will er der Wall Street Konkurrenz machen. Kann das gelingen?
Große Unternehmen zieht es für den Börsengang häufig in die USA - kann eine europäische Superbörse das ändern?
Quelle: dpa | Arne DedertDie Börsenlandschaft in Europa ist in etwa so zerklüftet wie der Grand Canyon. Allein in Deutschland gibt es sieben Regionalbörsen. Insgesamt zählt Europa mehr als 500 unterschiedliche Handelsplätze.
Die bekanntesten und größten sind die Euronext, mit Hauptsitz in Amsterdam, die London Stock Exchange und die Börse in Frankfurt. Doch selbst diese drei größten Handelsplattformen Europas zusammengerechnet, sind gegenüber der New York Stock Exchange und der Technologiebörse Nasdaq ein Winzling. Auch die Börsen in Shanghai und Tokio sind größer als jeder dieser europäischen Handelsplätze.
Die Idee: Eine europäische Superbörse - Fragen und Antworten.
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Die schiere Größe der Börsen in den USA lockt die Firmen an, wie Motten das Licht. Fast täglich gibt es in New York Börsengänge. Die Gründe: Mehr Kapital und eine große Nachfrage, also viel Liquidität.
Dem hat Europa kaum etwas entgegenzusetzen. Frankfurt hatte in diesem Jahr gerade einmal mickrige vier Börsengänge zu verzeichnen. In anderen europäischen Ländern sieht es kaum besser aus: Seit Jahren ist der sogenannte IPO-Markt in Europa rückläufig. Auch vielversprechende deutsche Firmen wählen oft New York als Handelsplatz.
Was fordert Bundeskanzler Merz?
Dass viele Unternehmen ihr Glück in New York suchen, das ist Kanzler Friedrich Merz (CDU) ein Dorn im Auge, deshalb forderte er vor kurzem im Bundestag:
Wir brauchen eine Art European Stock Exchange, damit erfolgreiche Unternehmen wie zum Beispiel Biontech aus Deutschland nicht an die New Yorker Börse gehen müssen.
Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler
Auch Birkenstock, der ehemalige Dax-Konzern Linde oder der schwedische Zahlungsanbieter Klarna ziehen die US-Börse den europäischen vor.
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02.09.2025 | 43:38 minMerz wärmt damit eine eigentlich alte Idee auf. Bereits 2017 untersagte die EU die Übernahme der London Stock Exchange durch die Deutsche Börse. Damals wäre ein europäischer Gigant entstanden. Heute rächt sich diese Entscheidung. Denn die vielfältigen europäischen Herausforderungen werden ohne privatwirtschaftliche Gelder nicht gelingen.
Was könnte eine europäische Superbörse bringen?
Eine europäische Wall Street könnte dabei helfen die Transformation Europas zu ermöglichen, denn sie würde auch den Unternehmen einen leichteren Zugang zu Kapital ermöglichen. "Eine stärkere Kapitalverfügbarkeit würde Innovationen und wachstumsstarke Sektoren (etwa Biotechnologie oder grüne Energien) fördern", glaubt Martin Lück von der Finanzberatungsfirma Macromonkey.
"Zudem gäbe es weniger regulatorische Unterschiede und geringeren juristischen Aufwand, um an verschiedenen nationalen Märkten zu notieren." Damit könnte man den US-Börsen durchaus Konkurrenz machen, meint Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance & Management:
Der größte Vorteil wäre, dass die EU endlich auf Augenhöhe mit den wichtigen Wettbewerbern New York, London oder auch zunehmend in Asien, Singapur oder Hongkong agieren könnte.
Christoph Schalast, Frankfurt School of Finance & Management
Allerdings gibt er zu bedenken, dass sich "der Aktienmarkt in der EU, insbesondere auch in Deutschland, gegenüber den USA schwächer entwickelt", da es hierzulande etwa viel weniger Pensionsfonds gebe, die in den Aktienmarkt investieren.
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25.10.2025 | 1:34 minWo könnte die europäische Superbörse sitzen?
Doch hätte eine solche Börse überhaupt eine Chance auf Umsetzung im traditionell von Eigeninteressen geleiteten europäischen Wettbewerb? Spannend sei für ihn gewesen, meint Schalast, "dass die großen europäischen Finanzplätze durchgehend Zustimmung signalisiert haben". Tatsächlich haben die Finanzplätze Amsterdam, Paris, Frankfurt und Mailand ebenso positiv auf den Merz-Vorschlag reagiert wie die Europäische Zentralbank. Es scheint also einen Konsens über die Notwendigkeit einer solchen Institution zu geben.
Dennoch dürfte es noch ein Hauen und Stechen um den Standort einer solchen Superbörse geben, sollte die Sache tatsächlich näher rücken. Auch Martin Lück sieht trotz diverser Absichtserklärungen erhebliche strukturelle und politische Hürden: "So herrscht zwischen wichtigen Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich Konkurrenz um die Vorherrschaft im Finanzsektor. Beide möchten, dass zentrale Handelsfunktionen auf ihrem Hoheitsgebiet liegen."
Heißt: Solange nationale Befindlichkeiten nicht beiseite geräumt werden, macht weiterhin die Wall Street das große Geschäft.
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