Entwicklung im Dieselskandal:Thermofenster laut Urteil illegal - VW droht Nachrüstung
von Hans Koberstein
Der Abgas-Skandal sollte eigentlich Geschichte sein, weil VW die betroffenen Autos mit einem Software-Update nachgebessert hat. Laut neuem Urteil ist das Update aber unzulässig.
Gericht urteilt: VW setzte weiter illegale Abschalteinrichtungen ein. Das sogenannte Thermofenster ist unzulässig – nun drohen teure Nachrüstungen für Hunderttausende Fahrzeuge.
09.12.2025 | 0:53 minDer Autokonzern VW muss im Rechtsstreit um sein Thermofenster die nächste juristische Niederlage hinnehmen: Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig entschied Ende September, dass ein VW-Software-Update mitsamt "Thermofenster" nicht hätte genehmigt werden dürfen. Die Urteilsbegründung wurde erst Ende November öffentlich.
Hintergrund des Urteils ist das sogenannte "Dieselgate": 2015 hatte Volkswagen zugegeben, illegale Abschalteinrichtungen in seinen Dieselautos verwendet zu haben. Im Labortest hielten die Fahrzeuge die Grenzwerte ein, doch mit der Abschalteinrichtung reduzierten sie die Abgasreinigung im Straßenbetrieb und stießen ein Vielfaches der gesundheitsschädlichen Stickoxide aus.
Während der Volkswagen-Konzern in den USA die betroffenen Autos zurücknehmen oder mit teurer Hardware nachrüsten musste, kam er in Europa vergleichsweise günstig davon. Das zuständige Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verlangte nur ein Software-Update.
Der Abgasskandal nimmt kein Ende: Noch immer verweigert VW betroffenen Dieselfahrern Entschädigung, während das Bundesverkehrsministerium die Dieselaffäre zur Geheimsache erklärt.
27.06.2023 | 16:31 minWeiterhin verbotene Abschalteinrichtungen im Update
Das Update sollte eigentlich die verbotene Abschalteinrichtung entfernen. Doch ZDF frontal deckte 2017 auf, dass in dem Update weiterhin verbotene Abschalteinrichtungen enthalten sind. Das Update hatte das Kraftfahrt-Bundesamt unter Aufsicht des damaligen Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) abgesegnet. Dobrindt erklärte damals, das im Update enthaltene, sogenannte "Thermofenster", sei legal.
Mit "Thermofenster" wird das Herunterfahren der Abgasreinigung bei kühleren Außentemperaturen unter 15 oder 10 Grad bezeichnet. Das sei notwendig, um den Motor vor Schäden zu schützen, argumentierte der VW-Konzern.
Niederlage für den VW-Konzern
Gegen die Software-Genehmigung klagte die Deutsche Umwelthilfe beim Verwaltungsgericht Schleswig, das für die Genehmigungsbehörde KBA zuständig ist. Die Umwelthilfe gewann - Behörde und VW gingen in Berufung. Jetzt liegt das Urteil der Berufungsinstanz vor, dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig. Darin heißt es:
Bei dem streitgegenständlichen Thermofenster handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung.
OVG Schleswig, Urteil AZ 4 LB 36/23
Auch die im Update enthaltene Höhenabschaltung sei illegal, so das Gericht. Dabei wird die Abgasreinigung bei der Fahrt auf Straßen über 1.000 Meter Höhe verringert.
Das Gericht in Schleswig beruft sich auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der hatte in mehreren Urteilen klargestellt, dass Abschalteinrichtungen aus Motorschutzgründen nur dann zulässig sein können, wenn sie ausnahmsweise, also nur selten und nicht regelmäßig, wirken. Das ist bei einer Abschalteinrichtung, die immer bei Temperaturen unter 10 Grad zum Einsatz kommt, nicht der Fall.
Die Frontal21-Dokumentation geht der Frage nach, ob auch andere Autobauer in den Abgasskandal verstrickt sind und warum die Behörden nicht rechtzeitig eingeschritten sind.
16.02.2016 | 44:08 minVW kündigt Beschwerde an
Volkswagen kündigte auf ZDF-frontal-Nachfrage an, gegen das Urteil Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Eine Revision hat das Gericht nicht zugelassen. Das Urteil betreffe nur "eine niedrige, fünfstellige Zahl von Golf-Plus-Fahrzeugen" der Abgasnorm Euro 5, erklärte der VW-Konzern.
Das sieht die Deutsche Umwelthilfe, die das Urteil erstritten hat, anders. Das Urteil sei ein wichtiger Präzedenzfall für alle weiteren VW-Modelle, erklärt Remo Klinger, Anwalt der Deutschen Umwelthilfe. Die habe entsprechende Klagen bereits eingereicht und in erster Instanz gewonnen.
Weitere Klagen gegen andere Autohersteller mit Thermofenster seien bei Gericht anhängig.
Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung für die rund 7,8 Millionen Dieselfahrzeuge der Abgasstufen Euro 5 sowie Euro 6a bis 6c mit illegalen Abschalteinrichtungen.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe
Im September 2015 wurde öffentlich, dass Volkswagen Diesel-Abgastests manipuliert hatte. Vier ehemalige Führungskräfte sind nun wegen Betrugs schuldig gesprochen worden.
26.05.2025 | 1:45 minVW drohen teure Nachrüstungen
In den kommenden Monaten muss das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde gegen das Urteil befinden.
Wenn das oberste Gericht die Beschwerde zurückweist, wird das Urteil rechtskräftig. Dann muss das Kraftfahrt-Bundesamt als Bundesbehörde erneut gegen Volkswagen vorgehen, damit der Autobauer "geeignete Abhilfemaßnahmen" ergreift, so steht es im Urteil. Eine wirksame Abhilfemaßnahme ist die Nachrüstung von teuren Katalysatoren, womöglich mit AdBlue-Eindüsung und AdBlue-Tanks, die nachträglich montiert werden müssten.
Das könnte teuer für VW werden. Denn immer noch sind mehr als eine halbe Million betroffene Dieselautos in Deutschland auf den Straßen, so Schätzungen. Europaweit dürften es mehr als eine Million sein.
Das Urteil des OVG Schleswig bezieht sich auf den VW Golf Plus TDI (2 Liter) der Abgasnorm Euro 5 mit den Motorkennbuchstaben CBDA, CBDB, CBDC, CFHB und CFHC. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, muss das Kraftfahr-Bundesamt Volkswagen anweisen, das "Thermofenster" aus dem Software-Update zu beseitigen. Das ist aller Voraussicht nach nur mit einer Hardware-Nachrüstung zu leisten.
In Zukunft können auch andere Euro 5 Diesel-Pkw von Volkswagen betroffen sein, weil die Deutsche Umwelthilfe entsprechende Klagen bereits eingereicht und in erster Instanz gewonnen hat. Dann wären weitaus mehr Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 5 aus dem Volkswagen-Konzern betroffen.
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