Verbot der ewigen Chemikalien PFAS:Wie Decathlon sein eigenes Umwelt-Versprechen bricht
Decathlon will auf Umweltschutz setzen und hat deshalb schon vor Jahren angekündigt, auf die "Ewigkeitschemikalien" PFAS verzichten zu wollen. ZDF-Recherchen zeigen etwas anderes.
Decathlon ist die Nummer Eins der Sportartikel-Discounter - und legt Wert auf Nachhaltigkeit. Aber kann ein Rucksack für 13 Euro nachhaltig sein?
12.10.2025 | 44:06 minDer französische Sportartikelhersteller Decathlon verkauft günstige Ausrüstung für alle Lebenslagen - und verspricht dabei auch Umweltfreundlichkeit. Das Unternehmen hat sich deshalb einige Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Eines davon betrifft den Einsatz von PFAS - den Chemikalien, die aufgrund ihrer extremen Langlebigkeit und Umweltbelastung auch "Ewigkeitschemikalien" genannt werden.
PFAS oder "ewige Chemikalien"
PFAS (gesprochen Pifas) ist die Abkürzung für Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. Es handelt sich bei den sogenannten "ewigen Chemikalien" um eine Gruppe von schätzungsweise 10.000 einzelnen Stoffen.
Diese Chemikalien, die natürlicherweise nicht vorkommen, sind extrem stabil sowie wasser-, schmutz- und fettabweisend - diese Eigenschaften machen sie für die Industrie besonders interessant.
Die Kehrseite ist: Die Stoffe sind so stabil, dass sie in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut werden und sich in Nahrungsketten anreichern können. Einige PFAS finden unter anderem über Kläranlagen ihren Weg in die Umwelt. PFAS werden mittlerweile weltweit in Gewässern, Luft und Böden nachgewiesen. Auch im Blutserum von Menschen können sie vorkommen.
Wegen ihrer einzigartigen Eigenschaften kommen die PFAS-Chemikalien in zahllosen Produkten zum Einsatz, etwa bei Outdoor-Kleidung, beschichteten Pfannen, Verpackungen von Lebensmitteln oder schmutzabweisenden Teppichen. Sie werden auch in vielen industriellen Prozessen und technischen Anwendungen genutzt.
Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass PFAS Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben oder zu Entwicklungsverzögerungen bei Kindern führen können. Auch ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten wird angeführt. Bislang sind allerdings noch relativ weniger dieser Stoffe gut untersucht. Doch von den "gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern", schreibt die Europäische Umweltagentur (EEA).
Behörden mehrerer Länder, darunter Deutschland, streben ein weitgehend vollständiges Verbot der Stoffgruppe in der EU an. Dabei handelt es sich um eine Art Vorsichtsmaßnahme. Der Gedanke dabei: Wenn einige der Substanzen nachweislich schädlich sind, könnten es viele andere - noch nicht untersuchte - Vertreter der Stoffgruppe auch sein.
Laut Umweltbundesamt gibt es bislang nur wenig Möglichkeiten, PFAS zu umgehen. Bei Outdoorjacken gebe es bereits Alternativen. Statt einer beschichteten Pfanne funktioniert demnach auch eine Eisen- oder Emaillepfanne. Auch Mehrweggeschirr aus Porzellan können beschichtete Einmal-Pappbecher ersetzen. Bei Imprägniermitteln kann man anstelle PFAS-basierter Sprays auf natürliche Fette und Wachse zurückgreifen.
Quellen: dpa, Umweltbundesamt
Decathlon kündigte an, bis spätestens 2022 komplett auf PFAS in seinen Textilien zu verzichten. Zumindest war das zu Beginn unserer Recherche auf der Decathlon-Website noch so zu lesen. In ihrer internen Verbotsliste, der sogenannten "Restricted Substances List", sind diese Stoffe deshalb auch aufgelistet.
Immer mehr Menschen zieht es in die Natur, der Outdoortrend ist ungebrochen. Die negativen Auswirkungen auf unsere Umwelt sind groß. Wie lässt sich das ändern?
24.07.2025 | 29:49 minFür ZDF-Doku Zelte untersucht
Für unsere Doku-Reihe "Greenwashed?" wollten wir herausfinden, wie ernst es Decathlon mit diesem Versprechen meint. Unsere Idee war einfach: Wir kaufen ein Produkt - ein Zelt - und lassen es im Labor auf PFAS testen. Große Erwartungen, PFAS zu finden, hatten wir ehrlich gesagt nicht. Das Versprechen war kein neues und wir haben mittlerweile das Jahr 2025. Wenn sich ein Konzern schon so lange öffentlich verpflichtet, bestimmte Chemikalien zu verbannen, dann wird das wohl überprüft und eingehalten. Dachten wir.
Die Doku "Greenwashed? - Decathlon: Kann Massenware nachhaltig sein?" ist am 12. Oktober um 15:30 Uhr im ZDF sehen oder jederzeit im ZDF-Streaming-Portal.
Dann kam das erste Laborergebnis. Das Bremer Umweltinstitut, das für uns die Untersuchung gemacht hat, konnte in dem getesteten Zelt PFAS nachweisen und zwar in nicht geringem Maße. Das hat uns überrascht. Wir wollten sichergehen, dass es kein Ausreißer war. Also kauften wir drei weitere Zelte desselben Modells (aus drei unterschiedlichen Filialen, aus drei unterschiedlichen Bundesländern) und ließen auch diese auf PFAS untersuchen.
Für "Terra Xplore" geht Thora Schubert den Fragen nach, wie schlimm Weichmacher, PFAs und Co. sind, ob und wie viel davon in unserem Körper zu finden ist und ob davon eine Gefahr ausgeht.
06.05.2023 | 20:33 minPFAS-Konzentration überschritt teils EU-Grenzwert
Wir besuchten das Labor, als die Ergebnisse dieser weiteren Proben eintrafen. Die Chemietechnikerin Ulrike Siemers fasste es so zusammen: "Bei einem Zelt haben wir in etwa der gleichen Größenordnung PFAS nachweisen können wie bei dem zuerst getesteten Zelt. In zwei weiteren Zelten ist deutlich weniger gefunden worden."
Aber PFAS haben wir in allen vier Decathlon-Zelten nachweisen können.
Ulrike Siemers, Bremer Umweltinstitut
Und es waren nicht irgendwelche PFAS, sondern genau solche, die Decathlon auf seiner eigenen Verbotsliste stehen hat. In zwei Zelten überschritt die PFAS-Konzentration obendrein den Grenzwert der EU.
Im Februar 2024 wird klar: Der Chemiekonzern Chemours produziert seit den 1960er Jahren PFAS in seinem Werk in Sliedrecht und vergiftet damit die Umgebung und das Grundwasser.
05.02.2024 | 2:23 minDecathlon kündigt Untersuchung an
Wir konfrontierten Decathlon mit unseren Ergebnissen. Zu einem Interview war das Unternehmen nicht bereit. In einer schriftlichen Stellungnahme teilten sie uns jedoch mit, eine eigene Untersuchung durchführen zu wollen:
Sollte diese eine Überschreitung der Grenzwerte bestätigen […], werden wir unverzüglich Korrekturmaßnahmen ergreifen, einschließlich einer möglichen Rücknahme betroffener Produkte.
Stellungnahme Decathlon
Kurze Zeit später fragten wir erneut nach. Decathlon gab daraufhin an, bisher keine PFAS in den eigenen Tests gefunden zu haben - wobei diese Tests sich auf Produkte aus dem Jahr 2025 beschränkten. Dennoch zog das Unternehmen erste Konsequenzen:
Als sofortige Vorsichtsmaßnahme haben wir nach Erhalt Ihrer Mitteilung den Verkauf […] dieses Zeltmodells (Artikelnummer 8736725) gestoppt und sie in unsere zentralen Lager zurückgeführt, um interne Prüfungen und weitere Tests durchzuführen […].
Stellungnahme Decathlon
Viele Bereiche der Industrie und Wissenschaft setzten Ewigkeitssubstanzen wie PFAS ein. Die Folgen der Nutzung sind gesundheitsschädlich. Eine Kommune in Belgien ist besonders betroffen.
27.08.2025 | 1:55 minDecathlon stoppt Verkauf des Modells
Decathlon untersucht also weiter - und verkauft das Modell vorerst nicht mehr. Ein Eingeständnis? Ein vorsichtiger Rückzug? Oder einfach Krisenmanagement? Das bleibt offen.
Sicher ist: Unsere Laborergebnisse haben nachgewiesen, dass PFAS auch in Produkten enthalten sind, die laut Decathlon eigentlich frei von diesen Chemikalien sein sollten. Diese Diskrepanz wirft Fragen auf. Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Wir bleiben dran.
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