Streik bei Ford: "Das hätte nie jemand gedacht"

Novum bei Autobauer:Streik bei Ford: "Hätte nie jemand gedacht"

Markus Aust
von Markus Aust
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Erstmals in der fast hundertjährigen Geschichte der Kölner Ford-Werke streiken die Beschäftigten. Grund sind die geplanten Stellenstreichungen beim US-Autobauer.

 Ein Mitarbeiter trägt eine Jacke mit der Aufschrift „Wir bleiben Ford - Gemeinsam weiterkämpfen für Köln“ beim ersten Streik der Geschichte vor den Kölner Ford-Werken.
Die Beschäftigten bei Ford in Köln streiken, dort sollen bis in den kommen zwei Jahren 2.900 Arbeitsplätze wegfallen. Der US-Hersteller fährt einen harten Sparkurs in Deutschland.14.05.2025 | 1:39 min
Frank Schiffler ist mulmig zumute an diesem Frühlingsmorgen. Seit 5 Uhr steht er vor dem Tor mit der Nummer 24 der Ford-Werke in Köln-Merkenich. Doch statt wie gewohnt die Nachtschicht abzulösen, besetzt er einen Streikposten - zum ersten Mal in seinem Leben. "Befremdlich" beschreibe seinen Gefühlszustand am ehesten, sagt er. "Für uns ist das ganz was Neues."
Er ist nicht allein, er steht inmitten einer Traube von Kollegen. "Hier gibt es wirklich ein starkes Gefühl von Verbundenheit. Nicht nur unter den Kollegen, sondern auch zum Unternehmen. Eigentlich jedenfalls", erzählt Hasan Kantarci. Wenn es früher mal nicht so gut gelaufen sei, habe man an einem Strang gezogen. Schließlich sei man bei Ford Teil einer Familie.
Hasan Catarci
Ford-Mitarbeiter Hasan Kantarci protestiert gegen die Pläne bei Ford
Quelle: Nathalie Hasselblatt

Aber dass es mal so eskaliert, hätte nie jemand gedacht.

Hasan Kantarci, Ford-Mitarbeiter

Es ist die Frage, die sie sich alle stellen: Wie konnte es so weit kommen?
Die Ford-Krise in Zahlen mit Valerie Haller an der Börse in Frankfurt
"Ford ist beim Thema E-Mobilität spät dran, die beiden Modelle verkaufen sich schleppend. Seit Jahren geht der Marktanteil in Deutschland zurück", sagte Valerie Haller an der Börse in Frankfurt.14.05.2025 | 1:07 min

Umstieg auf E-Autos brachte nicht gewünschten Erfolg

Der US-Konzern befindet sich hierzulande in einer ernsten Lage. Vor zwei Jahren hat Ford damit begonnen, die Produktion in den Kölner Werken komplett auf Elektroautos umzustellen. Die Hoffnung war groß. Aber das Geschäft mit E-Autos liegt weit hinter den Erwartungen zurück. Der Direktor des Center of Automotive Management (CAM), Stefan Bratzel, sagt dazu:

Ford hat zu spät und zu zaghaft auf das Thema E-Mobilität gesetzt. Das rächt sich nun.

Stefan Bratzel, Direktor Center of Automotive Management

Denn die Produktion ist kostspielig. Zentrale Bauteile werden bei Volkswagen eingekauft. "Die Wertschöpfung für Ford ist dadurch nicht sehr tief, was das Geschäft wenig attraktiv macht", erklärt der Automobil-Experte.
Markus Aust
"Es sollen bis 2027 knapp 3.000 Stellen gestrichen werden", berichtet ZDF-Reporter Markus Aust.14.05.2025 | 2:24 min
Der Listenpreis des Elektroautos Ford Explorer etwa liegt in seiner günstigsten Variante bei 39.900 Euro. Die Konkurrenz produziert günstiger - und sie schläft nicht. "Chinesische Anbieter drängen auf den Markt und erhöhen den Wettbewerbsdruck deutlich", so Bratzel weiter. Die Folge: Nach Behördenzahlen sind nur 3,5 Prozent der neu zugelassenen Autos in Deutschland ein Ford, zwei Jahre zuvor waren es noch 5,0 Prozent.

Bis 2027 soll jede vierte Stelle bei Ford wegfallen

Der US-Autobauer sieht sich deshalb gezwungen, drastisch Personal einzusparen. Im November kündigte die Geschäftsführung an, von den 11.500 Stellen in Köln bis 2027 rund 2.900 Stellen zu streichen. Jeder vierte Beschäftigte wäre davon betroffen. Dabei hat der Konzern zuletzt bereits sukzessive Stellen abgebaut: 2018 waren noch 20.000 Menschen in Köln beschäftigt.
SGS Wolf - Haller
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In dem Zuge hatte sich das Management dazu verpflichtet, bis 2032 auf betriebsbedingte Kürzungen zu verzichten. Es ist dieser Wortbruch, der viele Beschäftigte an die Wahlurne trieb. 93,5 der Beschäftigten hatten in einer Urabstimmung für den ersten Streik der Firmengeschichte votiert. Hasan Kantarci etwa beklagt:

Du wachst jeden Morgen mit Gedanken auf, dass es bald vorbei sein könnte. Wir wissen nicht, wie es mit uns weitergeht.

Hasan Kantarci, Ford-Mitarbeiter

Schwierige Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Konzern

Der Konzern verhandelt derzeit mit der Gewerkschaft darüber, ob für den geplanten Stellenabbau - trotz der geltenden Verpflichtungen - Kündigungen möglich sind. Die IG Metall läuft dagegen seit Wochen Sturm und fordert im Gegenzug hohe Abfindungen. Der Ausgang der Verhandlungen ist völlig offen, die jüngsten Annäherungen kommentierte die IG Metall jedoch als "konstruktiv".
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Absatzeinbruch, Streiks, drohende Werkschließungen: Ist das Autoland Deutschland am Ende? Am Tag der Arbeit fühlt ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann dem deutschen Job-Motor den Puls.01.05.2025 | 53:38 min
Doch nur mit geringeren Personalkosten ist die Wende nicht eingeleitet, da sind sich Branchenkenner einig. "Man muss jetzt für die nächsten fünf bis zehn Jahre einen Plan entwerfen, wie man zu höheren Stückzahlen kommt, auch in anderen Fahrzeugsegmenten", betont Autoexperte Bratzel. Wie dieser Plan aussehen wird? Auch das fragen sich die Streikenden.
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